Winfried Wolf Vortrag zu seinem neuen Buch „Tempowahn“ Teil 2
Mit dem Begriff „Tempowahn“ verbindet man vordergründig Autorennen. Oder man assoziiert damit neue SUV-Modelle und Sportwagen mit 300 und mehr PS. Auch kommen einem die deutschen Autobahnen in den Sinn, auf denen über weite Strecken „Tempofreiheit“ herrscht. Der Verkehrsforscher Winfried Wolf findet beim Thema der Beschleunigung noch ganz andere, erstaunliche Zusammenhänge. Solche zwischen Tempowahn und Demokratieabbau, zwischen Geschwindigkeitsfetischismus und Faschismus, zwischen PS-Hochrüstung und Männlichkeitswahn oder zwischen Entschleunigung und Urbanität.
Wolf besuchte für seine Recherche die Automessen der Gegenwart. Entgegen allen Bekundungen ist dort für die Hersteller die Geschwindigkeit der neuen Modelle noch immer das wesentlichste Verkaufsargument – der SUV-Boom hält unverändert an. Nach dem aktuellen Befund dringt Wolf ein in die Geschichte der Mobilität als ständig beschleunigte Bewegung von Menschen, wobei diese – von der Eisenbahn über das Automobil bis zum Flugzeug – nicht mit einem Mehr an Kommunikation einherging.
Die schlimmste politische Ausformung fand der Geschwindigkeitsfetischismus im Faschismus: Henry Ford, ein begeisterter Anhänger der Nazis, Benito Mussolini und Adolf Hitler setzten auf Temporausch und Autorennen zur Durchsetzung ihrer – durchaus unterschiedlichen – Ziele. Doch auch in den heutigen Gesellschaften ortet der Autor eine fatale Verbindung zwischen Beschleunigung und autoritären Denkmustern.
Männer rasten schon immer gerne in den Tod. Winfried Wolf weiß von einer Reihe von Prominenten zu berichten, denen überhöhtes Tempo ein frühes Ende setzte: Vom NS-Helden Bernd Rosemeyer über den Schauspieler James Dean und den Formel-1-Fahrer Jochen Rindt bis zum FPÖ-Führer Jörg Haider.
Der Tempowahn ist auch für die Allgemeinheit äußerst schädlich: Rasende Autos und Betonorgien führen zu Stadtzerstörung und Verlust an Urbanität. Tempowahn und Geschwindigkeitsfetischismus, so konstatiert Wolf, müssen endlich der Entschleunigung und der Demokratie weichen.
Der Autor
Winfried Wolf, geboren 1949 in Horb am Neckar, studierte Politikwissenschaften in Freiburg und Berlin und promovierte in Hannover. Von 1994 bis 2002 war er Mitglied des deutschen Bundestags. Er ist Chefredakteur von „Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie“ und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac. Im Promedia Verlag sind von ihm u.a. erschienen: „Verkehr. Umwelt. Klima. Die Globalisierung des Tempowahns“ (2. Auflage 2009) und „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse“ (aktualisierte Neuauflage 2020).
Ähnliche Beiträge
- Urheberrechtsdemo, Kurdenprotest, Veranstaltung gegen Lobauautobahn: trotzallem... aus der Sendereihe „trotz allem“ 29.03.2019 | Orange 94.0
- Nein zu einer Waldviertelautobahn! aus der Sendereihe „OpenUp“ 15.11.2018 | Orange 94.0
- Klimaschutzvolksbegehren initiert von Helga Krismer von den NÖ Grünen (3:14min... aus der Sendereihe „OpenUp“ 09.10.2018 | Orange 94.0
- „Lobau-Autobahn“: BI Rettet die Lobau & VIRUS erheben Beschwerde... aus der Sendereihe „OpenUp“ 06.07.2018 | Orange 94.0
- NOBAU Schilder Aktion gegen die Lobau-Autobahn Aktion am Ring Radiokurzbeitrag... aus der Sendereihe „OpenUp“ 08.06.2018 | Orange 94.0
- „Mythen und Fakten zu einer Lobau-Autobahn“ Teil 2 aus der Sendereihe „OpenUp“ 03.05.2018 | Orange 94.0
- „Mythen und Fakten zu einer Lobau-Autobahn“ Teil 1 aus der Sendereihe „OpenUp“ 15.03.2018 | Orange 94.0
- VIRUS kommentiert Lobau-Autobahn Alternativenprüfung/Studien der Stadt Wien aus der Sendereihe „OpenUp“ 01.02.2018 | Orange 94.0
- Hitlers Reichsgaragenordnung, ein schweres Erbe aus der Sendereihe „Werkstatt-Radio“ 30.08.2017 | Radio FRO 105,0
- Warum wir andere Häuser brauchen aus der Sendereihe „Architekturforum“ 06.12.2016 | Radio FRO 105,0