Vive l’Europe! #12 – Kinderarmut bis 2030 halbieren

25.10.2024

Eric Fenninger poziva: »Uvedimo splošni osnovni program zaščite otrok, učinki so izjemni!«

Die von der Statistik Austria jährlich erhobenen Daten zu Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Österreich (EU SILC[1] ) zeichnen ein besorgniserregendes Bild hinsichtlich der Kinderarmut. Die Zahl der Kinder, die in Österreich in absoluter Armut leben oder von erheblicher materieller und sozialer Deprivation betroffen sind, hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Die aktuellen Zahlen für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren: Im Jahr 2023 waren etwa 376.000 von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Jedes fünfte Kind ist betroffen und rund 88.000 von ihnen leben in absoluter Armut.

Laut „Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Kindergarantie“ hat sich Österreich verpflichtet, die Kinderarmut bis 2030 zu halbieren. Ein entsprechendes Modellprojekt, das diesem Ziel gerecht wird, präsentiert Erich Fenninger, der Direktor der Volkshilfe Österreich. Die drei Säulen einer „Kindergrundsicherung“ umfassen neben finanzieller Unterstützung auch Universalbeiträge und kindgerechte Infrastrukturen. Und: Die zweijährige Testphase des Modells zeigte, dass sich das Wohlbefinden der Kinder deutlich verbesserte. Vorweg ein Blick auf die AUSWIRKUNGEN von Kinder- und Jugendarmut auf die langfristige Entwicklung von betroffenen jungen Menschen.

Škoda, ki jo revščina pusti na ljudeh, je ogromna. Revni otroci pogosto postanejo dolgotrajno brezposelni odrasli ali takšni z negotovo zaposlitvijo. Finančno škodo revščine je OECD lani ocenila na 17 milijard evrov. 

Avstrija se je v skladu z EU smernicami zavezala, da bo do leta 2030 prepolovila revščino otrok. Erich Fenninger, direktor organizacije Volkshilfe Österreich, nam predstavlja vzorčni projekt, ki uresničuje ta cilj. Trije stebri njegovega Osnovnega programa zaščite otrok vključujejo finančno podporo, univerzalne prispevke in otrokom prijazno infrastrukturo. Dvoletna testna faza modela je pokazala, da se je blaginja otrok bistveno izboljšala.

Die beste Auskunft gibt uns eine Langzeitarmutsforschung aus Deutschland[2]. Da haben wir begonnen, Kinder, die damals drei, vier Jahre alt waren, zu begleiten – 25 Lebensjahre lang. Das bedeutet, sie sind jetzt rund 30 Jahre alt. Und da hat man armutsbetroffene KINDER begleitet und nicht Armutsbetroffene. Und wir sehen, dass simplifiziert ausgedrückt, dass die armutsbetroffenen Kinder die arbeitslosen Erwachsenen sind – Erwachsene, die prekäre Beschäftigung nur haben, die gering verdienen, die Erwerbsunterbrechungen haben, oder überhaupt langzeitarbeitslos geworden sind oder von der Sozialhilfe leben. Also die Langzeitschädigung ist enorm. Messen kann man es natürlich auch finanziell. OECD hat eine Studie veröffentlicht, wo die Kosten bei über 17 Milliarden liegen. Also die Kosten der Kinderarmut, weil es die materiellen sozialen, kulturellen Bereiche und Gesundheit schädigt, sind enorm hoch.

Soweit eine Analyse zu den Auswirkungen und den Folgekosten von Kinderarmut. Eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Foresight, das den sogenannten „Volkshilfe-Sozialbarometer“ erstellte, hat die Situation von armutsbetroffenen Familien erhoben. Die zentralen Ergebnisse dieser Erhebung zeigen …

…, dass die Familien enorm unter Druck kommen. Ich möchte betonen, dass es nicht nur die klassisch manifesten armutsbetroffenen Eltern betrifft, sondern auch jene, die wir in der Mittelschicht, in der unteren Mittelschicht vorfinden. Also die Teuerung ist natürlich Punkt eins, wo alle sagen, sie leiden darunter, sie haben Probleme am Ende des Monats, ausreichend Lebensmittel finanzieren zu können. Sie haben Probleme, sozusagen außergewöhnliche Ausgaben finanzieren zu können – Denke man an Reparaturen von Geschirrspüler, Waschmaschine oder was auch immer. Dass sie auch Probleme haben mit den Kostensteigerungen im Mietbereich. Also auch da kann ich zitieren, dass rund 50 Prozent der Österreicher_innen sich durchschnittlich Sorgen machen, ob sie sich in Zukunft die Miete leisten (können). Und wenn man dann reingeht in die jüngeren Familien bis (zum) 29. Lebensjahr (und) mit jungen Familien spricht, dann ist das über 60 Prozent. Also das sind Werte, die wir wahrscheinlich vor 10, 15 Jahren nicht messen hätten können. Und das ist eine dramatische Entwicklung. Und die Eltern natürlich sehen, dass sie in der Teuerung vor dem Problem stehen, ob sie halt die Miete zahlen, oder eine einwöchige Schulveranstaltung, Förderungskurse etc. Also so würde ich meinen, dass sich die Situation für viele armutsbetroffene Familien, aber auch betroffene Familien mit wenig Einkommen, derzeit (dar)stellt.

Ein Schlüsselphänomen, auch unter dem Titel „Learning to live poor“ bekannt, bedeutet, dass Kinder und Jugendliche in und mit der Armut ihrer Eltern leben lernen. Sie sich auch weniger zutrauen und dass Kinder, die armutsbetroffen sind, merken, dass zu wenig Geld im Haushalt ist, dass sie merken, dass Geld als Thema omnipräsent ist und dass die Kinder eigentlich keine Wünsche aussprechen, weil sie wissen, dass die Eltern diese nicht realisieren können und sie die Eltern auch nicht beschämen wollen, …

… und das Dahinterliegende ist aber auch, dass wir sehen, dass sie keine Interessen formulieren, also sie sprechen keine Interessen aus. Und (wenn) man weiß aus der Psychologie, dass ein Interesse im Unterschied zum Wunsch einen Willen braucht:  Dass ich sage, ich lerne Fußball spielen, (ein) Musikinstrument, tanzen oder was auch immer, dann wird ein Wille einmal Voraussetzung sein. Und dann gibt es Energie im Aufwachsprozess eines Kindes, das Selbstwirksamkeit produziert. Die Kinder, die sozusagen keinerlei Aktivitäten außerschulischer Natur nachgehen können, lernen weniger Selbstwirksamkeit, haben damit ein geringes Selbstwertgefühl. Die Folgen sind eklatant: Sie fühlen sich zu Hause einmal sozusagen in einer Lage, die instabil ist, wo sie Sorgen haben mit den Eltern: wie erhalten wir die Wohnung, kann man genug essen am Ende des Monats? Sie haben sehr früh gesundheitliche chronische Schädigungen, die wir messen können. Auch mit der Ärztekammer und mit den Ärzten in Österreich haben wir vieles geforscht und erhoben, als ob wir das eindeutig belegen können, ohne dass eben organische Problemlagen da sind. Also das ist der Druck, der auf den Kindern lastet. Also ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es relevant zu sein scheint, dass diese Armut das Kind massiv trifft, dass das Kind sozusagen weniger selbstwirksam werden kann, weil es keinen Interessen nachgehen kann, die es formuliert. Und dass es damit auch logisch erscheint, dass sie (Kinder) sich weniger gut im Bildungssystem entwickeln können, weil sie diese Lernprozesse nicht haben und auch ganz, ganz wenig Freunde und Freundinnen.

Die Republik Österreich hat sich, gemäß „Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Kindergarantie“, verpflichtet, Kinderarmut bis 2030 zu halbieren. Dazu hat die Volkshilfe das Modell „Kindergrundsicherung“ vorgestellt. Werfen wir nun einen Blick auf die Eckpunkte dieses Projektes, beginnend mit der ersten von drei Säulen, die auf eine kinderspezifische Infrastruktur abzielt:

Einerseits wollen wir für alle Kinder, die in Österreich leben, unabhängig vom Einkommen der Eltern, die Kosten sozusagen, die mit sozialer Infrastruktur für Kinder in Zusammenhang stehen, massiv senken. Also mittlerweile kostet die Schule nicht mehr 800 Euro pro Jahr, sondern das geht schon bis zu 2.000 Euro im Jahr – das sind Kosten, die also gerade einkommensschwächere Haushalte immer schwerer bewältigen können. Dazu gehört auch natürlich endlich ein flächendeckender Ausbau von Kinderbetreuung oder Kinderbildungseinrichtungen, die also allen Menschen, also allen Kindern und Familien zur Verfügung steht.

 

Also der Schritt eins ist eine Infrastruktur, ein Bildungssystem das Kosten senkt und vielleicht eher wieder erinnert an die 1970er Jahre, wo Schule tatsächlich gratis war.

Der zweite Bereich ist, dass man sich überlegen könnte – die Bundesregierung, damals noch unter FPÖ-ÖVP, hatte diesen Familienbonus eingeführt, einen hübschen Namen für Steuerentlastung für Besserverdienende, wo eigentlich ein Drittel der Arbeitnehmer_innen ausgeschlossen war und wenig Einkommensbezieher_innen auch nichts davon haben. Das wäre die zweite Sache, dass man bis zur Mittelschicht durchaus einordnen kann, dass die individuellen Förderungen aller Kinder höher werden. Also dass auch ein riesiger Anteil der österreichischen Familien etwas davon hat, weil das reicht wirklich bis in die Mittelschicht, dass es zu Erhöhungen kommt.

Und dann wäre der dritte Baustein für die Kinder, die wirklich manifest armutsbetroffene Eltern haben: Ein Kindergrundsicherungsbetrag, wo wir die Referenzkosten sozusagen als Ausgangspunkt nehmen, um die Armut wirklich abzuschaffen – und das wäre leistbar und auch finanzierbar.

Auf die Frage, wie die konkrete die Umsetzung erfolgen könnte, meint Erich Fenninger …

… also die erste Säule würden wir so spüren, dass jetzt plötzlich die Schulen de facto gratis wären, dass die Kinderbetreuungseinrichtungen definitiv günstiger wären, dass sie ausgebaut sind. Also Kinder wie Eltern hätten eine Infrastruktur, die sie finanziell nicht mehr belastet. Das würde sozusagen auch die Kinderkosten für alle Familien einmal senken, wenn wir das weg bringen und gleichzeitig garantieren, dass es einen Zugang gibt, einen ausreichenden, und das in den Gemeinden in der Republik. Das zweite wäre, dass Menschen mit einem mittleren Einkommen tatsächlich dann auch einen Familienbonus bekommen und nicht nur die Menschen, die also viel verdienen, weil dort gibt es eine höhere steuerliche Entlastung. Also das wäre etwas, was die Mittelschicht auch erreicht und verbessert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Familienbeihilfe de facto kaum valorisiert ist und 20 Prozent in etwa wert ist. Und der dritte Punkt ist, dass armutsbetroffene Familien definitiv für ihre Kinder höchstpersönlich auch einen Betrag bekommen, um die Kinder zu Hause besser zu unterstützen.

Das Kindergrundsicherungsmodell wurde von der Volkshilfe in einem Modellversuch getestet, es wurde eine Grundsicherung ausbezahlt und die Auswirkungen auf die Kinder wurden erhoben. Die Ergebnisse dieses zweijährigen Projektes sind bemerkenswert:

Also erstens, die Kinder sprechen davon, dass es plötzlich keine Toastbrot-Zeit mehr gibt. Also die Kinder haben das vorher definiert. Ende des Monats gibt es nur mehr Toastbrot oder Butternudeln und sonst nichts. Das zweite ist, sie haben ein Gewand, auch im Winter, wenn es kalt wird, haben sie eine bessere Ausstattung. Das dritte, sie bekommen als Kind auch mit, dass die Miete bezahlt werden kann und diese Dinge erledigt sind. Der zweite Bereich ist, dass die Kinder sagen „ich bin dabei“, wie alle anderen Kinder auch. Ich darf auch einmal in der Woche, einmal in zwei Wochen ein Kipferl kaufen gehen, vis-a-vis von der Schule, wie alle anderen Schulkinder auch. Oder „ich bin dabei“, weil ich auch ins Bad gehen darf, wie alle Kinder auch. Also das ist ein Riesending. Damit haben sie mehr Freunde und Freundinnen – wirklich messbar. Und das Dritte, was schon interessant ist, ist, dass sie gesünder sind.

Die chronische Erkrankung in der Auswirkung nimmt massiv ab. Also dieses Typische – der Klassiker sind Kopfschmerzen, Bronchitis, Husten, Bauchschmerzen, Übelkeit. Das nimmt ab, nach einem halben Jahr schon. Das produziert wiederum weniger Fehlzeit in der Schule. Das heißt, die sind mehr in der Schule. Damit kommen sie leichter mit. Das zweite ist, sie sind ausgestattet mit dem Notwendigen, das für die Schule benötigt wird. Sie dürfen auch einmal bei einwöchigen Schulveranstaltungen, bei Schulausflügen und so weiter dabei sein. Das produziert mehr Freunde, mehr Sicherheit, mehr Wohlfühlen – weil vorher fühlten sie sich schutzlos in der Schule – und damit ein besseres Mitkommen.

Eine zentrale Botschaft an die zukünftige österreichische Bundesregierung formuliert Erich Fenninger abschließend mit der Forderung:

Die Kinderarmut abschaffen mittels der Kindergrundsicherung. Ich würde sie daran erinnern, dass sieben von neun wahlwerbenden Parteien in der Wahlkabine eigentlich angegeben haben, dass sie für die Abschaffung der Kinderarmut mittels Kindergrundsicherung eintreten.

Družine so dandanes pod velikim pritiskom, meni Erich Fenninger. Inflacija je prizadela ne  samo najbolj finančno ogrožene, temveč tudi nižji srednji razred. Otroci se tako učijo življenja v revščini, kar pomeni, da raje ne izrazijo zanimanj, saj jim starši ne morejo financirati obšolskih dejavnosti. Že zelo zgodaj imajo kronične zdravstvene težave. Zato pogosto manjkajo v šoli in se posledično pogosto slabše razvijajo v izobraževalnem sistemu, kjer imajo velikokrat tudi zelo malo prijateljev, razloži Erich Fenninger, direktor organizacije Volkshilfe Österreich. 

Ta organizacija je zadnji dve leti izvajala pilotni projekt »Osnovne otroške zaščite«, ki je sestavljen iz treh stebrov. Prvi je zmanjšanje stroškov šolstva in dejansko brezplačno šolstvo in vrtec. Drugi je razširitev davčnih olajšav družinskega bonusa, da seže globlje v srednji razred in ne izključuje več oseb z nizkimi dohodki. Tretji steber pa je osnovni otroški dodatek za finančno ogrožene družine, ki je za izhodišče vzel realne referenčne stroške. Po samo dveh letih pilotnega projekta Erich Fenninger postreže z osupljivimi rezultati.

Najprej pove, da otroci poročajo o drugačni prehrani. Finančno ogroženi otroci  so imeli ob koncu meseca sicer doma na voljo samo še toast ali makarone z maslom. Zdaj je drugače. Druga stvar je, da imajo otroci toplo zimsko bundo in na splošno boljšo opremo. Tretja stvar pa je večji občutek varnosti. Tudi otroci se zavedajo, da je potrebno plačati najemnino in da je sedaj za to poskrbljeno.

Otroci so nenadoma enakovredni svojim sošolcem, meni Fenninger. Lahko si kupijo rogljiček, lahko gredo na kopališče. In kot zadnje, so občutno bolj zdravi, veliko manj je kroničnih bolezni, zato so otroci več v šoli in lažje sledijo pouku. Udeležujejo se šolskih prireditev in izletov, kar prinaša več prijateljev, boljše počutje in da otrokom občutek varnosti. Tako zaključi Erich Fenninger.

 

Weiterführende Informationen:

Ergänzend zu dieser Reportage hat die Nachrichtenagentur von EurantePlus eine Übersicht zu „Kinderarmut in der EU“ erarbeitet, die Daten sind unter diesem Link verfügbar: https://euranetplus-inside.eu/how-widespread-is-children-poverty-across-all-eu-countries/

 

[1] EU-SILC ist eine Erhebung über die Lebensbedingungen in der Europäischen Union. Die Abkürkung „SILC“ steht für „Community Statistics on Income and Living Conditions“. Übersetzt bedeutet das „Gemeinschaftsstatistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen“. Weiterführende Informationen unter: https://www.statistik.at/ueber-uns/erhebungen/personen-und-haushaltserhebungen/eu-silc-einkommen-und-lebensbedingungen

[2] Langzeitstudie zur Lebenssituation und Lebenslage von (armen) Kindern: https://www.iss-ffm.de/themen/alter/projekte-1/langzeitstudie-zur-lebenssituation-und-lebenslage-armer-kinder

 

Kurzbiografie:

Mag. (FH) Erich Fenninger ist diplomierter Sozialarbeiter (DSA) und hat 2008 den Masterstudiengang Sozialarbeit abgeschlossen. Er ist seit 2003 Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich. Fenninger engagiert sich besonders im Bereich der Kinderarmut, tritt immer wieder als Menschenrechtsaktivist auf und lehrt als Dozent an der Fachhochschule Eisenstadt. Die Volkshilfe Österreich zählt zu den fünf größten Organisationen der Freien Wohlfahrt und ist in allen österreichischen Bundesländern vertreten. Neben der Armutsbekämpfung ist das wichtigste Thema die Pflege und Betreuung von alten und kranken Menschen und von Menschen mit Behinderungen.

 

Der hier veröffentlichte Textbeitrag wurde in der Sendung am 25. Oktober 2024 auf Radio AGORA in einer leicht gekürzten Fassung ausgestrahlt.

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Thema:Social policy Radiomacher_in:Heinz Pichler, Neza Katzmann Pavlovcic
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