Verwirrklichkeit (Perlentaucher CXIII)

14.03.2020

Da haben wir uns aber einen ordentlichen Kanten vorgenommen, na hawediehre! Ab wie vielen Wirklichkeiten wirds eigentlich verwirrend? Eine Frage, die wir Paul Watzlawick gern gestellt hätten. Oder entsteht unsere Verwirrung vielmehr aus der angeblich einen Wahrheit, auf die sich die Realitäter geeinigt haben, damit sie uns besser ausnutzen können? “Das ist halt so, da kann man nichts machen, da muss man sich anpassen.” Von wegen! Gesellschaftliche Konventionen sind keine Naturgesetze. Im Gegentum, längst schon erleben wir, wie die Wahnheit der Wachstümler allen objektiven Fakten zum Trotz ihre Weltpolitik der unendlichen Wirtschaft in unser Sein zementiert. Das ist eine vollends verrückte Wirklichkeit. Und sie bewirrkt unsere Verwirrklichkeit!

Keine Realität ohne Realitäter. Es geht also darum, einige der bereits angedeuteten Begriffe zu entwirren, die leider allzu oft aufs schlampigste synonymisiert (in eins gedacht und gleichbedeutend gebraucht) werden. Realität zum Beispiel ist bestimmt nicht die Wirklichkeit. Das offenbart uns schon die Etymologie (oder die “Wortherkunft”). So steckt im ersten Wort “real” (was auf Herrschaft und Königreich verweist) und im zweiten “wirk” (was generell mit Werk und Wirkung zu tun hat). Ein Wörterbuch oder Lexikon, das nicht mehr als nur den “allgemeinen Sprachgebrauch” wiedergibt, behindert das eigenständige Denken und zwängt ins Hergebrachte. Ein Konversationslexikon wäre demnach ein reines Smalltalkverzeichnis (für die “bessere” Gesellschaft). Bemühen wir uns doch, den ausgeleierten Denktraditionen zu entkommen und unsere eigenen Wirklichkeiten zu etablieren, damit ein Leben ohne die bereits abgesteckten Claims (auch der intellektuellen) Weltzernutzer im Realitäterbüro weiterhin vorstellbar bleibt.

“Die Wirklichkeit” gibt es also nicht wirklich. Und wenn doch, wie viele, möchte man da prechtig hinzutiteln. Ich versinke im zuvielosophischen Schwurbelschwunst, wenn das mit der Verwirrklichkeit so weiter geht. Zu Hilf! – Kann der Herr Gunkl mir vielleicht einen Ausweg weisen mit ein paar klaren Erkenntnissen? Na sehr super, das wirkt sich aber aus! Nun denn – zumindest erkennen wir daran, wie sich so “Wirklichkeiten” von einander unterscheiden. Die sich auf alle auswirkende “objektive Realität” der gesetzgebenden Soziopathen und die in uns wirksame “subjektive Wirklichkeit” des Mitgefühls. Erstaunlicherweise (oder eigentlich gar nicht) versucht die jeweilige Herrschaft immer, ihre Version der “Wahrheit” gegen alle anderen Wirklichkeiten durchzusetzen. Und sei es durch Ausrottung der Phantasie (Thomas Bernhard) von klein auf. Die Niedertracht der Allgemeinheit (sic) verkörpert sich dabei vor allem in ferngelemmingten Massen und “demokratischen” Mehrheiterln. Wir gratulieren

Da könnte man doch glatt an der Menschheit an sich verzweifeln. Oder wie es die KZ-Überlebende Irene Vogel geradezu prophetisch beschreibt: “Ich gehe nicht umher und hasse jeden, den ich treffe. Ich habe Freunde – und Vertrauen im Allgemeinen. Aber die Menschheit als Ganzes? Nein! Sie ist ein Tier. Ein grausames Tier.” Treffender kann man die Auswirkungen von beeinflussten Volkshorden nicht ausdrücken. Wenn wir da erst an Orban, Trump, Bolzonaro oder Ibiza denken. Aus! Der letzte Absatz ist ja für die Phantasie reserviert, für jene “Vorstellungskraft”, die viel zu oft auch als Gegenteil von “Realität” abgedroschen wird: “Sie sind doch ein Phantast! Sie haben jeglichen Bezug zur Realität verloren.” So hört sich das dann an, wenn man dem Volk aufs Maul schaut. “Und doch, selbst mit verschlossnen Ohren kann ich den andren Wirklichkeiten nicht entfliehn. Denn leider kann sich keiner ungeschoren auf Dauer in die eigne Welt verziehn.” Konstantin Wecker (Gedicht)

Vielleicht verirrt sich ja der Herr Gunkl nach seinem Auftritt in der ARGE noch in die Verwirrklichkeit dieser Sendung, begegnen sich doch in seinen Programmen Realitäten, Wirklichkeiten UND Phantasien auf überaus erhellende Weise. Es wird scho glei Gunkl oder so ähnlich.

 

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Thema:Culture Radiomacher_in:Christopher Schmall, Norbert K.Hund
Sprache: German
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