Türkis-Grün: Zu viel für Reiche, zu wenig fürs Klima

20.01.2020

Ein „Weiter wie bisher“ ist uns zu wenig

Seit der Gründung misst Attac Regierungen daran, wie sehr ihre Politik dazu dient unser grundlegendes Ziel zu verwirklichen: Ein gutes Leben für alle – heute und zukünftig lebenden –Menschen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Wirtschaftspolitik der türkis-grünen Regierung analysiert. Unsere erste Bilanz ist überwiegend kritisch.

Das Programm beinhaltet keine grundlegenden Änderungen der bisherigen Politik im Interesse von Vermögenden. Das reißt große Löcher ins Budget und bedroht die Finanzierung wichtiger öffentlicher Leistungen. Viele Vorhaben und Absichtserklärungen sind zudem vage formuliert; ihre genaue Bewertung wird erst mit der Umsetzung möglich sein. Im Klimabereich – wo die Pläne zweifellos am ambitioniertesten sind – gibt es große Lücken und vor allem offene Fragen bei der Finanzierung.

Steuer- und Budgetpolitik für die reichsten 10 Prozent

Das Regierungsprogramm sieht Steuersenkungen vor, die vor allem Konzernen und Besserverdienenden zugutekommen. Jene, die am meisten haben, tragen weiterhin zu wenig bei – auch weil große Vermögen und Erbschaften gar nicht und Kapitaleinkommen weniger als bisher besteuert werden.

Klimaschutz: Große Lücken und offene Fragen bei der Finanzierung

Türkis-Grün will Österreich bis 2040 klimaneutral machen und legt dazu eine Reihe von Maßnahmen vor, die in die richtige Richtung gehen. Um Emissionen tatsächlich wie nötig zu senken und die Klimakrise solidarisch zu bewältigen, muss die Politik die Bereiche Energie, Landwirtschaft und Verkehr radikal umgestalten. Das bedeutet nicht nur Alternativen zu fördern, sondern auch schädliche Praktiken einzuschränken. Die Regierung scheut jedoch die dafür notwendige Konfrontation mit Konzernen und schmutzigen Industrien. Stattdessen setzt sie auf private Finanzierung und „marktbasierte Lösungen“.

Handels- und Investitionspolitik: Kurswechsel bleibt aus

Ein schwaches Nein zu EU-Mercosur und einige Kriterien für zukünftige Handelsabkommen – sonst findet sich wenig Neues zu Handelspolitik im Regierungsprogramm. Handel soll weiter verstärkt, „protektionistische Tendenzen“ aufgehalten werden. In Summe wird der bisherige Kurs in der Handelspolitik im Interesse der Exportwirtschaft beibehalten – mit allen negativen Folgen für Mensch und Umwelt.

Arbeit und soziale Sicherheit: Wenige Verbesserungen, keine Vision

Im Bereich Arbeit werden die Verschlechterungen der vergangen Regierung beibehalten – darunter der 12-Stunden-Tag/die 60-Stunden-Woche und die Kontrolle der Unternehmen über die Sozialversicherung. Neue Arbeitszeitmodelle oder gar die dringend nötige Arbeitszeitverkürzung fehlen. Konkrete arbeitsrechtliche Verbesserungen finden sich kaum, allerdings sollen geringe Löhne unter Mitwirkung der Sozialpartner angehoben werden.

Geschlechtergerechtigkeit: Rückschritte und vage Versprechen

Die große Ungleichheit zwischen Frauen und Männern hat viele Aspekte. Dazu gehören die ungerechte Verteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen, die unbezahlte Arbeit in Familie und Pflege sowie Gewalt an Frauen. Das Regierungsprogramm zementiert viele dieser Ungerechtigkeiten weiter ein.

Landwirtschaft – Verbesserungen ohne Systemwechsel

Im Bereich Landwirtschaft beschreibt das Programm im Wesentlichen den Status quo und ignoriert den enormen Veränderungsbedarf. An wesentlichen Steuerungsmechanismen wird nicht gerüttelt. Dazu zählt etwa die Verteilung der Förderungen im Gießkannenprinzip, wodurch Großbetriebe in Talgebieten am meisten profitieren. Ein Wachsen und Weichen in der Landwirtschaft mit all seinen negativen Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt wird dadurch fortgeschrieben.

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