Strata East
Community Music von einem schwarzen Kultlabel
Zu Beginn der 1970er Jahre war die sog. “Unabhängigkeit“ in der Musikbranche noch eine Auflehnung gegen den status quo, denn die bestehende Infrastruktur erlaubte kaum Alternativen oder Gegenentwürfe zum dominierenden Kommerz der großen Schallplattenfirmen, welche sich fest in den Händen des Kapitals befanden. Selbstverwaltung und die damit verbundene Freiheit des künstlerischen, ideologischen und sozialpolitischen Ausdrucks sollten die schwarze Community in ihrem Fundament festigen. Das inzwischen unter Plattensammlern sehr geschätzte US-Label Strata East wurde 1971 von mehreren schwarzen Jazz-, Soul- und Funkmusikern einer neuen Generation gegründet. Zunächst in Detroit unter dem Namen Strata mit einigen lokalen Sessionmusikern schwarzer und weißer Hautfarbe der Motown-Szene (Kenny Cox, Charles Moore, Marcus Belgrave, Larry Nozero, John Dana), eröffnete man kurze Zeit darauf eine Filiale im Ghetto von Washington D.C. unter der Obhut von Gil Scott-Heron, Plunky Nkabinde und Lon Mosche bzw. den in East-Harlem beheimateten Hard-Bop-Musikern Charles Tolliver, Clifford Jordan, Bill Lee und Stanley Cowell. Ihre ersten, heute hoch geschätzten Platteneinspielungen zwischen Hardbop und Black Soul fanden damals keineswegs reißenden Absatz. Im Gegenteil: die ambitionierten Scheiben waren Ladenhüter, die man bestenfalls in Ramschläden fand bzw. direkt bei den Herstellern bestellen konnte. In nur wenigen Jahren sorgte eine kleine schwarze Community von Jazzmusikern, Aktivisten, Schriftstellern, und Radio DJs für einige der aufregendsten Platten jener Zeit, nicht zuletzt bedingt durch den Ort der Aufnahmen: die von Rassenunruhen zerrütteten Ghettos von Watts, Detroit, Chicago und D.C. Die Musiker dieser Städte waren musikalisch stark von ihrem Umfeld geprägt. Viele verdienten ihr Geld tagsüber als Studiomusiker. Nacht für Nacht spielten sie in den Klubs oder Gemeinschaftszentren der schwarzen Ghettos. Beide Kleinlabels veröffentlichten in ihrer etwa 25-jährigen Geschichte über fünfzig herausragende Schallplatten auf Vinyl, von teils namhaften und sogar etablierten Jazzmusikern, boten aber gleichzeitig unbekannteren Musikern die Möglichkeit, ihr künstlerisches Potenzial zu demonstrieren. Der Trompeter Charles Tolliver und der Pianist Stanley Cowell schafften es, ihre selbst finanzierte Künstler-Plattform auf einem für die damaligen Verhältnisse schier unmöglichen Level zu halten. Besonders in der Phase von 1972 bis 1975 fand man im Katalog von Strata East eine Ansammlung einiger der profiliertesten Vertreter der Black Spiritual Music, die man im Eigenverlag vertrieb und über die man in der hauseigenen Postille namens Black Fire schrieb. Diese afro-amerikanische Musik war äußerst radikal und politisch aufgeladen, im Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung. Nach etwa zwanzig Jahren ging das Label schließlich ein, doch derzeit erlebt es eine Wiederauferstehung mit einigen Nachpressungen auf schweren 180 Gramm Vinyl. In der schwarzen Independent-Jazz-Szene kamen noch soziale, kulturelle und politische Implikationen hinzu, die den Musikern und Label-Betreibern die Arbeit erschwerten. Sie waren marginalisiert und ökonomisch nicht mit den nötigen Produktionsmitteln ausgestattet. Zudem war der Begriff “Big Business“ gerade in der colored community stark mit dem Begriff der doppelten Ausbeutung konnotiert. Business galt als weißes Schimpfwort, welches mit den ethischen und sozialen Werten der schwarzen Community nicht gut übereinstimmte. Black Business is to its community’s economic power or future as a baby is to its family war der Leitspruch des mittlerweile verstorbenen Jimmy Grey vom Vertrieb Black Fire. Das bedeutete nichts anderes, als dass die Zukunft der schwarzen Gemeinde davon abhängen würde, inwieweit es ihr gelingen könnte, Macht über einen Teil des Produktionsapparates zu gewinnen.
Musikbeispiele:
Prince of Peace (Pharoah Sanders/Leon Thomas), Izipho Zam SES-1973-3
Community Music (Milton Marsh), Milton Marsh: Monism SES-1975-8
Traces of Trane (K. A. Al-Rouf), Ensemble Al Salaam: The Soujourner SES-1974-18
Five For Trane (Sonny Fortune), Long Before Our Mothers Cried SES-1974-23
Travelin Man (Stanley Cowell/Charles Fowlkes), Regeneration SES-1976-5
The Bottle (Scott-Heron/Jackson), Gil Scott-Heron: Winter in America SES-1974-2
Lead-Belly (Jayne Cortez), Jayne Cortez (poetry) & Richard Davis (b) SES-1974-21
Charles’ Concept (Charles Brackeen), Charles Brackeen: Rhythm X SES-1973-6
Step By Step (John Gordon), John Gordon: Step By Step SES-1976-0
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