Religwution (Perlentaucher LXXVIII)
Traum, Trauma, Traubensalat oder Ein Karfreitag im Kapitalismus. Die real existierende Märchenstunde für Aufgeschreckte und Davonlaufende, denn: “Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts.” Nur als ein solcher kann man tief genug eintauchen in die Nacht der christlichen Mythen, um sein Sein vom Schein zu befreien – oder zumindest einmal laut zu schreien: Religwution! Willkommen in der Nacht des schreienden Hasen, wenn die Glocken schweigen und das Abendland fadenscheinig wird. Und wenn Joseph Beuys und Christoph Schlingensief endlich verschmelzen. Das hieße dann, bezogen auf unseren Sendungstitel sowie dessen Nebenebenen: Wie man dem gekreuzigten Hasen die Götterdämmerung erklärt.
Beginnen wir den Scherbentanz des guten Gewissens gleich passend und stimmungsvoll mit einer recht katholischen Fastenpredigt, wie sie in dem legendären Pophörspiel “Augustin” von Ambros, Tauchen, Prokopetz (1980) dargebracht wird. Die kirchliche Zweckwidmung des Volks zum fronpflichtigen Untertan des Gottesgnadentums prägt eben unsere geistigen Reflexe seit jeher: “Ei, Ihr Mägen! Ihr Ludermägen! Ihr Faschingmägen! Ihr zarten und heiklichen Mägen! Ihr Brätelgoschen! Ihr Kapaunergoschn! Ihr Pastetengoschn! Ihr Wildbretgoschn! Muss man solche Mahlzeiten halten, dass Kaiser Vitellius selbst könnt Vorlieb nehmen, von dem doch glaubwürdig ausgesprengt wird, dass er ganze Gerichte von Vogelhirn, ganze Schüsseln von indianischen Spatzenzungen und ganze Trachten von asiatischem Fischrogen hab aufsezten lassen, und, nachdem er genug die Wampe wie einen Wanderranzen angefüllt, hab er mit dem Finger dem Magen die Wiedergab anbefohlen und so eine Staffette nach Speyer geschickt, damit er nochmals fressen mög? Ein solch feister Mensch ist halt eine recht batzerte Butternudel!” (Abraham a Sancta Clara)
Was für einen Zustand erzeugt nun der quasi-ewige Unterdruck nach innen? Oder soll ich besser sagen, der inwendige Duck nach unten? Führt die Entwicklungsreise des braven Allgemeingläublings vom angepassten Duckmäuserl über den rebellischen Individualzornpinkel sogleich direkt und unweigerlich zum hasskaspernden Wutbürger? Gibt es denn keine anderen Turnübungen? “Was habt ihr nur verbrochen? Was für eine absolut lebensfremde und feindliche Welt in die Zeit gezeugt, geboren, ausgeworfen, hervor gewürgt, hingespieben, aus eurem Hirn geschissen, uns auf die Seele gequetscht, in unser Empfinden gefickt wie eine triumphale Errungenschaft, uns angedreht als Erleuchtung, als Antwort, als Lebenskonzept? Ihr hirnreduzierten Glaubenskrümmlinge und fortschrittsverliebten Immerallesbesserwisser! Ihr dummgewaschenen und heillos überforderten Mitmacher und Stammwähler! Ihr Weltzergrunzungshilfstruppen in einem voll globalisierten Zweckzwangs-KZ zur nutzbaren Ausbeutung von einfach Allemundjedem! Ihr ewigen Quatschorgeln…” (Norbert K.Hund, 2007)
Doch hoffnungslos ist anderswo und jedweder Zauberei wohnt eben auch ein Zauber inne. Deshalb lasst euch lieber von uns verführen zum Zuhören und Mitschwelgen. Und zum Umträumen der Albtraumata. Amen. Was hier nicht gesagt werden kann, und was uns in der Sendung ebenfalls nicht einfällt, das meinen wir nichtsdestotrotz ganz genau so, wie wir es sprachlos ausdrücken! “Ich habe einen Traum: Wer bei uns etwas produzieren will, muss anständige Löhne zahlen. Das beschließen alle Regierungen. Und wenn einer kommt mit „freier Markt“, dann sagen die dem, dass der Markt halt schon unter gewissen Bedingungen stattfindet und dass nicht nur der Markt Bedingungen herstellt, sondern dass das auch andere machen. Und es ist nicht die Welt im Markt – sondern es ist immer noch der Markt in der Welt. Und die Bedingungen in der Welt sind so, dass die Leute von ihrer Arbeit leben können wollen. Ein Traum halt… In Wahrheit schaut das so aus: Wenn der freie Markt sich aufs Hösentürl greift, bückt sich die Politik, schmeißt das Rockerl in die Höh und sagt auch noch artig danke, dass sie sich vorher noch kurz einschmieren darf, damits nicht so quietscht, wenns g’wetzt wird.” (Transkribiert nach Günther Paal oder eben auch Gunkl)
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