NACKT. Kulturarbeit ist Arbeit.
Podiumsdiskussion zu besseren Bedingungen für Kulturarbeiter*innen mit Patrice FUCHS- vidaflex, Inga HEHN- Bildende Künstlerin, Tanja ILKIC- BMF, Dominika MEINDL- GAV Oberösterreich, Birgit WALDHÖR- AK und Moderatorin Veronika BOHRN MENA
In der BlackBox Lounge Musiktheater Linz fand am 12.November 2019 die Podiumsdiskussion „NACKT“ statt. Veranstaltet wurde sie in Kooperation von GAV Oberösterreich, Gesellschaft für Kulturpolitik OÖ, IG Kultur, Kulturrat Österreich, KUPF OÖ, Landestheater Linz, vidaflex, VÖGB, Younion Oberösterreich. Zur Einstimmung poetry-slamte MIEZE MEDUSA.
Verena Humer, KUPF OÖ erinnerte zur Begrüßung an bereits bestehende Richtlinien wie „Fair Pay“, an die sich kaum jemand halten würde. „Kulturarbeit ist Arbeit und muss auch von Politik und Gesellschaft als solche anerkannt und entlohnt werden.“ Es gebe allerdings im Bereich der Freien Szene oder der Neuen Selbstständigen keine Betriebsräte, keine Kollektivverträge – dafür sehr viel Ehrenamt und atypische Beschäftigungsmodelle – was schließlich zu Altersarmut und Versicherungslücken führt. Dieses Phänomen der prekären Arbeitsmodelle erstreckt sich mittlerweile auch auf klassische Berufsgruppen. „Mehr als 10% der Beschäftigten befürchtet, innerhalb der nächsten 6 Monate ihren Job zu verlieren.“ zitiert Humer Veronika Bohrn Mena. Die Gewerkschafterin und Autorin sagt weiter: „Das, was wir hier im Kunst- und Kulturbereich sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs und Vorläufer für viele weitere Berufssparten. Unser Sozialversicherungssystem ist darauf angelegt, dass Menschen dauerhaft und auf lange Zeit durchgehend beschäftigt sind – das ist mittlerweile allerdings die Ausnahme.“
Zahlen und Fakten aus der Diskussion
Unter den EPUs erwirtschaften Frauen durchschnittlich weniger als 15.000€ Jahreseinkommen netto, mit so einem geringen Einkommen ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung in der SVA natürlich nicht finanzierbar. Zu EPUs zählen viele Personen aus dem Kunst und Kulturbereich, wie bildende KünstlerInnen, Filmemacherinnen, aber auch Frisörinnen, Pflegerinnen u.a. Österreichweit arbeiten 9% der EPUs im Bereich Kunst. Krankengeld bekommt man nicht ab dem ersten, sondern erst ab dem 43. Tag der Krankheit, das sind dann 25€ pro Tag, für die man als Neue Selbstständige durch den fehlenden Arbeitgeberbeitrag höhere Versicherungs-Beiträge zahlt als Angestellte. Ein Drittel der ArbeitnehmerInnen in Österreich sind nicht mal ein Jahr lang durchgehend beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Neue Selbstständige fallen unter das GSVG, Angestellte unter das ASVG, Freie DienstnehmerInnen fallen zwar auch ins ASVG, gelten aber steuerrechtlich als selbstständig und liegen damit zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit. Als Künstlerin ist man per Gesetz automatisch selbstständig und dadurch automatisch UnternehmerIn, auch wenn das oft nicht der Lebensrealität entspricht. Um den Künstlersozialversicherungsfonds überhaupt in Anspruch nehmen zu können, muss man 1. von einer Kommission als „KünstlerIn“ beurteilt werden, 2. mindestens 5.361,72€ pro Jahr aus der selbstständigen Tätigkeit verdienen (gibt man als Malerin noch zusätzlich Musikunterricht fällt man allerdings automatisch aus dem Ksvf raus!) und 3. nicht mehr als 29.042,65€ pro Jahr verdienen.
Es gibt in Österreich rund 300.000 Menschen die sowohl selbstständig als auch unselbstständig arbeiten und somit auch mehrfach versichert sind. Sie sind weder an die AK noch an die WKO angebunden und haben daher keine gesetzliche Interessensvertretung. Aufgrund des Kartellverbots dürfen sich Unternehmer/Neue Selbstständige aber auch nicht über die Höhe ihrer Honorare absprechen können somit schwer als Kollektiv vorgehen (zitiert aus der PA KUPF OÖ).
Am Podium diskutierten
Patrice FUCHS, vidaflex Inga HEHN, Bildende Künstlerin Tanja ILKIC, BMF Dominika MEINDL, GAV Oberösterreich Birgit WALDHÖR, AK Veronika BOHRN MENA, ModerationWeitere Beiträge: Verena HUMER, KUPF OÖ / MIEZE MEDUSA / Sepp WALL-STRASSER, VÖGB
Die ganze Veranstaltung hier hören.
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