Menschen statt Arbeitskräfte
Zur Bewältigung des Fachkräftemangels in der Pflege wirbt OÖ Krankenschwestern aus den Philippinen an. Wie durchdacht ist diese Strategie? Was brauchen die Menschen? Welche Rolle spielt Migration aus philippinischer Sicht?
Österreichweit fehlen Pflegekräfte, eine einheitliche Strategie dagegen gibt es nicht. Stattdessen gehen die Bundesländer jeweils eigene Wege. In Oberösterreich greift man u.a. auf eine alte Idee zurück: die Anwerbung von Krankenschwestern aus den Philippinen. Die ersten kamen Anfang des Jahres nach Oberösterreich. Von etwa hundert Personen ist die Rede, die in Alten- und Pflegeheimen tätig werden sollen.
Die Strategie ist nicht neu, denn die ersten philippinischen Krankenschwestern wurden bereits in den 1970er-Jahren nach Österreich geholt, zunächst nach Westösterreich, dann vor allem nach Wien. Sie kamen nach Österreich ohne eine Vorstellung vom Land zu haben, ohne die Sprache zu können, weder auf das kalte Wetter noch auf den Kulturschock vorbereitet, der sie erwartete. Viele Lehren könnten aus diesen Erfahrungen gezogen werden. Speziell zur Frage, was die Menschen brauchen, um gut anzukommen und sich einleben zu können.
Es reiche nicht die Menschen einfach herzuholen, sagt Mümtaz Karakurt, Geschäftsführer von migrare. Gerade in den ersten Jahren wäre es wichtig die Menschen zum Beispiel finanziell zu unterstützen. Aber gerade für Drittstaatsangehörige wurde der Zugang zur Sozialhilfe oder zur Wohnbeihilfe eingeschränkt.
„Auf der einen Seite wollen wir die Menschen bei uns haben. Aber wir wollen auch immer wieder sichtbar machen, dass wir es ihnen nicht leicht machen. Dass wir die Bedingungen für sie erschweren. Wir zeigen uns als Land nicht attraktiv.“
Da selbst die Anerkennung von hoch qualifizierten Personen in Österreich nicht anerkannt wird, arbeiten viele unter ihrer Qualifikation. Karakurt kennt einige Fälle, wo diese Personen aus Österreich wieder abwandern, etwa nach Deutschland, wo die Bedingungen besser seien.
„Wenn ich tatsächlich Menschen brauche, die bei uns arbeiten, dann muss ich entsprechend attraktive Bedingungen schaffen. Dann muss ich gegenüber diesen Personen eine wirklich gut durchdachte Willkommenskultur entwickeln, sie annehmen, anerkennen.“
Der Arbeitsmigration an sich steht Karakurt zwiespältig gegenüber. Einerseits sei die Entscheidung der Menschen zu akzeptieren, die im Ausland arbeiten möchten. Auf der anderen Seite dürfe in den Zielländern nicht nur die Arbeitskraft gesehen werden, sondern die Menschen mit ihren Bedürfnissen.
Migration als Recht und Risiko zugleich
Dass Migration ein Recht sei, betont auch Inorisa Sialana-Elento von der philippinischen Organisation Mindanao Migrants Center for Empowering Actions Inc. (MMCEAI). Die Organisation setzt sich für die Rechte von philippinischen Arbeitsmigrant*innen und ihren Angehörigen ein.
„Migration bringt Essen auf den Tisch, schickt Kinder in die Schule, sorgt für die Gesundheitsversorgung. Angesichts der größer werdenden Armut bleibt Migration wichtig. Aber die Arbeitsmigrant*innen sind mit Herausforderungen und Risiken konfrontiert. Darüber klären wir sie auf.“
Das Überleben der Familie zu sichern ist ein wesentlicher Grund, warum Menschen aus den Philippinen migrieren, erzählt Sialana-Elento. Das heißt, gäbe es im Land mehr Jobs, die ein ausreichendes Einkommen garantieren, würden weniger Menschen im Ausland arbeiten. Dort sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht immer gut, viele Arbeitsmigrant*innen sind der Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.
Schwierig ist die Situation auch für die Kinder, die im Heimatland zurückgelassen werden. Versorgt werden sie meist von weiblichen Angehörigen, doch einige leben auch alleine. Sialana-Elento und ihre Mitarbeiter*innen kümmern sich um diese Kinder, bieten Workshops an oder hören ihnen einfach nur zu:
„Wir schaffen einen sicheren Raum, in dem die Kinder über ihre Sorgen sprechen können und wir vertreten ihre Stimmen nach außen“, so Sialana-Elento.
In den Philippinen werden Arbeitsmigrant*innen oft als „moderne Held*innen“ gefeiert, vor allem vonseiten der Regierung. Finanziell spiegelt sich diese Anerkennung jedoch nicht wieder. Jene die zurückkehren, erhalten keine besonderen Unterstützungsleitstungen. MMCEAI fordert für jene, die lange im Ausland gelebt und gearbeitet haben, Pensionsansprüche. Diese gibt es derzeit nur als Gesetzesentwurf. Generell fordert Sialana-Elento mehr Rechte und mehr Anerkennung für die Arbeitsmigrant*innen und ihre Angehörigen:
„Ich hoffe, dass jede*r Migration als Recht anerkennt – sowohl im Entsende- als auch im Zielland, wo die Rechte der Menschen hochgehalten werden sollen!“
Gestaltung und Moderation: Marina Wetzlmaier
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