„Die Erosion der demokratischen Institutionen, wie wir sie kennen, wird uns über die Pandemie hinaus beschäftigen.“
Recap: Valerie Quade im Gespräch Bernhard Weidinger
Der Rechtsextremismus-Experte vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands Bernhard Weidinger zu Gast bei der Sendereihe Recap. Das Thema der Corona-Proteste und ihre rechten, rechtsextremen und verschwörungsideologischen Dynamiken zog sich wie ein roter Faden durch die FAQ-Chronik. Daher freuen wir uns, mit Bernhard Weidinger jemanden zu Gast zu haben, der diese bedenklichen Entwicklungen der letzten zwei Jahre gut überblickt, und mit uns zum Abschluss unserer Reihe Resümee zieht.
„Die Erosion der demokratischen Institutionen und Prozesse, wie wir sie kennen, wird uns über die Pandemie hinaus weiter beschäftigen.“
Warum die Kombination aus Verschwörungstheorien und Rechtsextremismus so gefährlich sei? Dabei sieht Bernhard Weidinger verschiedene Ebenen: Zunächst die offensichtliche gesundheitliche Gefährdung, denn der Aufruf zum Maßnahmen-Boykott gefährdet in letzter Konsequenz das Leben von Menschen. Politische Gefahr sieht er in einer Stärkung der extremen Rechten, die diese Pandemie als Vehikel verwendet. Auch wenn laut seiner Einschätzung nach der Pandemie viele der Aktiven wieder in die politische Apathie zurückfallen werden.
Eine weitere sehr konkrete Form der Gefährdung besteht für Personen, die über diese Demonstrationen berichten, denn Übergriffe auf Journalist:innen haben sichtbar zugenommen.
Zuletzt sieht er eine Gefährdung der demokratischen Ordnung insgesamt. Bei vielen Menschen sei in dieser Krise ein großer Vertrauensverlust passiert, und das nicht nur bei Leuten, die auf Anti-Maßnahmen-Demos mitmarschiert sind. Was natürlich auch nicht hilfreich war, war der Vertrauensverlust in die politischen Institutionen durch die ständigen Korruptionsvorwürfe in den letzten Monaten, so Weidinger.
„Fast alle verschwörungsphantastischen Erzählungen enden irgendwann im Antisemitismus“
Was hinter der antisemitischen Rhetorik der Corona-Leugner-Szene steckt, berichtet der Rechtsextremismus-Experte gegen Ende des Interviews. Relativierende NS-Vergleiche können Ausdruck einer verminderten Sensibilität oder gar von Unwissen sein, andererseits aber auch des Wunsches, die subjektiv empfundene Dramatik der Situation zu unterstreichen. Wo Antisemitismus jedenfalls sehr sichtbar war, ist im Rahmen der auf Maßnahmen-Demos präsenten verschwörungsphantastischen Erzählungen. Wie viele Leute dafür empfänglich sind, erschütterte aber auch die Mitarbeiter:innen des DÖW.
Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands arbeitet inhaltlich zu Widerstand und Verfolgung, Holocaust, Roma und Sinti, Exil, Medizin und Biopolitik im Nationalsozialismus, NS- und Nachkriegsjustiz, Restitution und Entschädigung nach 1945 sowie Rechtsextremismus nach 1945 und zählt die Sammlung, Archivierung und wissenschaftliche Auswertung thematisch relevanter Quellen zu ihren Hauptaktivitäten.
Zum Sendeschwerpunkt: RecapDie FAQ-Redaktion blickt zurück auf zwei Jahre Corona-Pandemie und zwei Jahre Frequently Asked Questions: Ein Format, welches mit dem ersten Tag des ersten Lockdowns gegründet wurde und in dem beinahe 300 Sendungen rund um soziale, gesundheitliche und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen in der Pandemie gestaltet wurden.
In einem abschließenden Sendeschwerpunkt von 10.3. bis 8.4.2022 lassen wir das Format ausklingen. Wir möchten die letzten zehn Sendungen dafür nutzen, gemeinsam mit früheren Interview-Partner:innen Resümee darüber zu ziehen, wie die Pandemie unser Zusammenleben verändert hat, wie wir so gut wie alle Bereiche unseres Lebens vielfältig adaptiert haben, und was dabei gut oder weniger gut gelaufen ist. Dafür werden wir mit unseren Sendungsgästen analytisch zurückblicken, inwiefern sich ihre Prognosen, Hoffnungen oder Ängste in Bezug auf die Pandemie erfüllt haben, und wie sie in ihrem ganz persönlichen Expertise-Bereich in dieser beispiellosen globalen Krise zurechtgekommen sind.
Weiteres Programm:Jeweils donnerstags und freitags, 16:00-16:30 Uhr
24.3.: Knut Aufermann in conversation with Gea Gračner
In September 2020 we talked to Knut Aufermann and Sarah Washington, who established Mobile Radio – a radio that is seeking out new forms of radio by taking radio production out of the studio environment. They realized that in lockdown people see radio as a fantastic medium. We will ask them if they could reach out to a broader range of people during this time, that many of us spent within their private four walls and sometimes in isolation.
25.3.: Georg Schulz im Gespräch mit Patrick Zündel
Mit dem Rektor der Grazer Kunstuniversität, Georg Schulz, sprach Gast-Redakteur und Radio Helsinki Kollege Patrick Zündel im Juni 2020 über zahlreiche Fragen, wie das universitäre Leben damals vonstattengehen konnte und seitens des Rektorats organisiert wurde. Nun möchten wir ihn fragen, ob und wie die Kunstuniversität zurück zur Normalität gefunden hat, welche Herausforderungen Lehrpersonal und Kunststudierende in den letzten Jahren erfahren haben und welche vielleicht auch nützlichen Lehren die Universität aus dieser Zeit ziehen konnte. Als Studierender an der KUG wird Patrick Zündel auch seine persönlichen Erfahrungen als Studierender miteinbringen.
31.3.: tba
1.4.: Ditha Brickwell im Gespräch mit Lale Rodgarkia-Dara
Die österreichische Schriftstellerin Ditha Brickwell schrieb 2003 die Erzählung „Vollendete Sicherheit“, in der sie sich in poetischen Gesprächen mit den komischen, bedrohlichen und absurden Seiten der Staats-, Maschinen-, Schlüssel- und Seins-Sicherheit auseinandersetzt. Das Thema Sicherheit ist durch die Pandemie aktueller als je zuvor: Genießen wir alle die Sicherheit vor dem neuartigen und vielfach gefährlichen Virus geschützt zu werden? Wem wird das Recht auf Schutz eingeräumt und wem nicht? Welches Verständnis von Sicherheit wurde politisch suggeriert und wie weit war dies von der Realität entfernt? Was gibt uns Sicherheit in unsicheren Zeiten? Zu einer philosophischen Annäherung an diese Fragen lädt FAQ-Redakteurin und Sendungsformat-Gründerin Lale Rodgarkia-Dara.
7.4.: Jimena Lopez Constantini in conversation with Gea Gračner
Show host Gea talked with the Argentinian community radio station La Tribu in July 2020, a period when Argentina was experiencing a peak of the corona-crisis and having a lockdown for over 100 days by the time of the talk. The talk presented the daily quarantine show at La Tribu as a kind of sister project of Frequently Asked Questions in Latin America. Jimena Lopez Constantini in the follow-up talk looks back on how they solved the beginning difficulties of the show production in lockdown, shows that were founded during and covered the pandemic and their role within the media landscape in times of pandemic, shedding a light on social issues that the pandemic brought to the surface, like problems of domestic violence and poor water supply in poor neighbourhoods in Buenos Aires.
8.4.: Das Resümee: Abschluss-Redaktionsgespräch der FAQ-Redakteurinnen
In einer Abschluss-Runde blicken die Redakteurinnen von Frequently Asked Questions selbst zurück auf zwei Jahre Sendungsgestaltung. Was hat sich bei Radio Helsinki verändert und wie haben sich dadurch die Ansätze der Redakteurinnen zum Radiomachen verändert? Was ist gelungen? Welche überraschende Wendungen und Entwicklungen hat Frequently Asked Questions durchgemacht? Welche Frequently Asked Questions bleiben offen?
Auch wenn die Sendereihe in dieser Form zu Ende geht, bedeutet das leider nicht, dass bereits ein Ende der Pandemie absehbar ist. Selbst nach dem offiziellen Ende der Pandemie wird es weiterhin viele Auswirkungen davon zu spüren und zu besprechen geben.Nach dem 8.4.2022 wird daher Frequently Asked Questions mit der Redakteurin Valerie Quade in losen Abständen (geplant 1x im Monat) in der Sendereihe VON UNTEN im Gespräch zu hören sein (jeweils montags, 17-18 Uhr | Wiederholungen am Dienstag um 7:30 und 12 Uhr).
Ein großes DANKE an die ehrenamtlichen Redakteur:innen dieses Formats für ihr Engagement, an alle Interview-Gäste für viele Stunden spannender Gespräche, an alle Freien Radios, die unsere Sendung mit Interesse übernommen haben, sowie an die Nürnberger Medienakademie, die die journalistische Arbeit der FAQ-Redaktion mit dem Alternativen Medienpreis 2021 ausgezeichnet hat!
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