Die Türkei – Gespräch mit Max Zirngast, Teil 1
Die türkischen Parteien und Rechtfertigungsideologien – heute und damals
Max Zirngast arbeite seit einigen Jahren als Journalist, Historiker und Berichterstatter in der Türkei, bis er 2019 unter der – gegenüber Kritikern der türkischen Regierung sehr gebräuchlichen – Anschuldigung der „Unterstützung des Terrorismus“ 2019 verhaftet und erst 3 Monate später wieder freigelassen wurde.
Er und seine Kollegen schrieben auf Englisch für das „Jacobin Magazine“
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacobin
https://jacobinmag.com/
und in „Re:volt“
https://revoltmag.org/
Auch ein Buch gibt es von Max:
https://www.morawa.at/detail/ISBN-9783960420606/Solidarit%C3%A4tskampagne/Die-T%C3%BCrkei-am-Scheideweg
Direkt beim Verlag:
https://www.edition-assemblage.de/
Die Parteien und ihre Konkurrenz in der Türkei
AKP, CHP, HDP, MHP
Vom Einparteien- zum Mehrparteiensystem
Die Verfassung von 1960
Arbeiter(innen)-Bewegung – DIP (Arbeiterbewegung der Türkei) und DKP
Die DIP – unabhängig von Moskau und internationalistisch
Nationale Revolution gegen die Kompradorenbourgeoisie
Zurück in die Geschichte. In der Spätphase des Osmanischen Reiches entstand die Frage: Wie weiter? An wem sich orientieren? Frankreich, Deutschland, Rußland?
Die Jungtürken
Der Nationsbegriff im Osmanischen Reich und die Begriffe für Nation & Volk in der türkischen Sprache: millet, halk, ulus.
In diesen unterschiedlichen Begriffen spielt anscheinend die Frage der FÜHRUNG eine wichtige Rolle: völkische Gemeinschaft schön und gut, aber wer schafft an, wo es hin geht?
AKP und Faschisten verwenden „millet“, CHP und HDP „halk“, und Öcalan „ulus“.
(Halkçılık – Populismus, Volksverbundenheit, Volkskunst?)
Die Gemeinschaft wurde und wird auf verschiedene Art beschworen, so z.B. als eine ISLAMISCHE, auch von der AKP: Der Bezug auf die „Umma“, die Gemeinschaft der Gläubigen, war auch ein außenpolitisches Element, mit der Erdogan die Türkei zu einer Führungsmacht in der islamischen Welt machen wollte.
Nach innen war das ein Versuch, die Kurden zu gewinnen, die vor allem Sunniten sind, und zwar der schaafitischen Rechtsschule.
Diese Form der Eingemeindung aller Muslime steht inzwischen nicht mehr auf der Tagesordnung.
Der Militärputsch von 1980 war ein Versuch, Nationalismus und und Islam zu verbinden, als Einheitsfront gegen Kommunismus und Klassenkampf.
Die Religionsbehörde Diyanet und ihre Bedeutung
Religion und Nationalismus bei der MHP: Die einen setzen auf den Islam, die anderen auf vorislamische/heidnische Symbolik, z.B. den Wolf und die Wölfin, als „echtes Türkentum“.
(Eine Parallele zu Ungarn, wo die Jobbik die vorchristlichen Traditionen, den Turul-Vogel und die Árpád-Fahne in den Vordergrund gerückt haben.)
Die CHP als säkuläre Partei hat als Wähler hauptsächlich Aleviten, deren Stellung zum Islam ambivalent ist.
Adnan Menderes, die Demokratische Partei und ihr Sturz – ein dunkler Fleck in der Geschichte der Türkei, den wir hier in diesem Gespräch auch nicht klären konnten.
Das Pogrom von Istanbul und die Vertreibung der Griechen – wurde damit der damalige Finanzsektor in Schwierigkeiten gebracht?
Sprung zurück in die Zwischenkriegszeit: Bankengründung und Parteienfinanzierung. Banken als Motor der Industrialisierung: İş Bankası (Gründung 1924) als Investor verschiedener Industriezweige, mit Staats-Unterstützung.
Die AKP versuchte ursprünglich zweigleisig zu fahren, um möglichst viele Bürger mitzunehmen, sowohl über den Islam als auch über die türkische Identität. Erbakans Vorarbeit.
Das langsame Vordringen der islamischen Karte auf dem politischen Spieltisch nahm mit dem Militärputsch 1980 an Schwung zu – auch, um ein Popuaritätsdefizit der CHP in den ländlichen Gebieten der Osttürkei zu reparieren.
Die Nurculuk-Bewegung, Said Nursî und die Rolle der Gülenisten in der Bekämpfung des Kommunismus in der Bevölkerung der Osttürkei, vor allem unter den Kurden.
Das von Kenan Evren anvisierte – und auch erreichte! – Ziel: eine „unpolitische Generation“
Heraus kam eine islamische Erneuerungsbewegung, die sich auch über die Gülensche Bildungsoffensive im Staatsapparat breit machte.
Die verschiedenen Parteien Erbakans, die auf der Milli Görüs-Bewegung beruhten, und der „weiche Putsch“ gegen ihn mündeten dann 2001 in die Gründung der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung)
Die AKP machte dann einen Schulterschluß mit liberalen, EU-freundlichen Intellektuellen, um sich der kemalistischen Militärführung zu entledigen.
Das türkische Wahlrecht: Es gibt seit der Verfassung von 1982 („Putschverfassung“) eine 10-%-Hürde für Parlamentswahlen, Splitterparteien haben keine Chance. Damit sollte einer kurdischen Partei der Weg ins Parlament versperrt werden.
Fortsetzung: Die Parteienkonkurrenz der Türkei, die Kurden und die Debatte um den Völkermord
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