Ausbildung und Einbildung – Kritik der bürgerlichen Wissenschaften. Teil 4: Geisteswissenschaften 1
Kritik bürgerlicher Wissenschaft
Zusammenfassung der vorigen Studiengänge: Gestern waren die praktischen Studiengänge dran, Berufe, die zum Funktionieren und Aufrechterhalten dieser auf Geschäft und Gewalt gegründeten Gesellschaft da sind.
Diese Wissenschaften werden von vielen als keine „richtigen“ Wissenschaften betrachtet, gegenüber den anderen, eigentlichen Humanwissenschaften, die doch angeblich wirklich Wissen über unsere Gesellschaft vermitteln. Diesen Wissenschaften ist deshalb der heutige Vortrag gewidmet.
Dabei stehts hier um das „Wissen“ auch nicht allzu gut: Hier geht es um Deutung der Welt, um Werte, die die Gesellschaft angeblich zusammenhalten, um etwas Höheres: um den Sinn des Seins.
Für diese Deutung beansprucht der Staat eine Deutungshoheit: Es ist ihm nicht gleichgültig, wie Leute sich die Welt zurechtlegen, und deswegen richtet er diese Studien ein.
14 15 Soziologie
Ein Dogma der Soziologie ist, daß die Gesellschaft Normen und Regeln zur Verfügung stellt, nach denen dann die Menschen handeln können – als ob ohne solche Regeln Handeln gar nicht möglich wäre, oder zu Chaos führen würde.
Die juristischen Verbote und Gebote werden so zu einer feinen und dem Menschen dienlichen Sache verhimmelt, und ihr ökonomischer Grund ist nicht mehr Thema.
19 30 Politologie
Die Staatstheorie von Hobbes, dargelegt im „Leviatan“: Der Mensch ist des Menschen Feind – homo homini lupus – und damit sie sich nicht gegenseitig zerfleischen, wählen sie einen Oberwolf, damit der sie unter Kontrolle hält und an der gegenseitigen Zerstörung hindert.
25 10 Geschichtswissenschaft
Hier wird aus der zeitlichen Abfolge eine Kausalität konstruiert und die Gewaltakte der Vergangenheit zum Grund für das, was heute geschieht, verantwortlich gemacht. Damit sind die Interessen, die heute herrschen, gelöscht.
Marx meinte, die Geschichte sei die der Klassenkämpfe. Er wollte damit auf den gewaltmäßigen Hintergrund historischer Auseinandersetzungen hinweisen, aber damit keine Notwendigkeit behauptet haben in der Frage, was Recht und Unrecht ist. Die Geschichtswissenschaft hingegen legt fest: Wer Sieger war, hat recht.
27 40 Deutung der Deutung: Literaturwissenschaft
Literatur ist selbst bereits Deutung der Welt, und die Literaturwissenschaft ist selber wieder Deutung dieser Deutung.
1. Was ist Literatur?
Die Literatur soll dem Wahren, Guten und Schönen dienen. Da wird ein Inhalt, der selbst schon Deutung der Welt ist, in eine ansprechende – oder provokative – Form verpackt. Es geht um geglücktes oder gescheitertes Leben.
Beispiele: Mann, Buddenbrooks – Timm, Die Entdeckung der Currywurst – Shakespeare, Hamlet – Goethe-Gedichte –
42 00 2. Literaturwissenschaft
– eine Leistung des Staats. Die Einrichtung dieser Wissenschaft geschah nach 2 Vorgaben: 1. eine nationale Literatur sollte kanonisiert und der Bevölkerung aufs Aug gedrückt werden. 2. Es sollten Kriterien entworfen werden, wie diese Literatur zu betrachten sei. Literarische Interpretation geht nach Methoden vor und lehnt das bloße Geschmacksurteil ab.
Beispiele dafür, wie Interpretation geht:
Anna Seghers, „Das 7. Kreuz“
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