ao anh, annas kur und die gastgeberin
Gleich 3 Gäste begrüße ich in dieser Ausgabe von seitwärts: [poetologische ortungen]….
Klaus Haberl liest aus seinem Gedichtzyklus „Ao Anh“ über eine Reise durch Vietnam und betrachtet die „dunklen Altäre der Sanftmut“, sieht Straßen, Orte, die „nicht weit genug reichen, die „gespiegelte Welten“ sind,“Gegenraum“….
Im Auszug aus einer Erzählung von Beatrice Simonsen begibt sich die Hauptfigur Anna auf Kur nach Oberösterreich. Anna wird im ironischen Widerspruch zwischen konventionellen Erwartungen, bestehenden Tatsachen und persönlichen Bedürfnissen auf Sinnsuche geschickt, die mit einer Begegnung der besonderen Art endet und sie auf die richtige Spur bringt.
Und: in einer Kurzlesung stellt Karin Ivancsics ihren Neuen, im Verlag Bibliothek der Provinz unter dem Titel „Die Gastgeberin“ erschienenen Roman, vor.
In this issue of seitwärts: [poetologische Ortungen] I welcome three guests:
Klaus Haberl reads from his poem cycle „Ao Anh“ about a journey through Vietnam and looks at the „dark altars of meekness“ sees streets, places, that „do not reach far enough“, are the „mirrored worlds”, “ counter space “ …
In an excerpt from a story by Beatrice Simonsen, the main character Anna goes on a cure to Upper Austria. Anna is sent to search for meaning in an ironic contradiction between conventional expectations, existing facts and personal needs ending with an encounter of a special kind putting her on the right track.
And: in a short reading Karin Ivancsics introduces her new novel published by Verlag Bibliothek der Provinz under the title „The Hostess“.
translation marcus niski
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Gastautor*innen: Klaus Haberl, Beatrice Simonsen, Karin Ivancsics.
Sendungsgestaltung: Wally Rettenbacher
Musik:
vietnamese traditional music
tran quang hai – bambus maultrommel
maul und trommelseuche – truthahn
nino rota – la dolce vita bella malinconica
nino rota – La Dolce Vita (Finale)
gadjo dilo – tutti frutti
neil young – dead man theme
rona hartner – disparaitra
the be good tanjas – waiting around to die
michelle gurevich – woman is still a woman
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Inhalt von „die Gastgeberin“:
Tagsüber gibt sie Kurse für Malerei an der Volkshochschule und abends wird sie zur Gastgeberin: Ihr Salon steht jenen offen, die aus dem Alltag gerne verdrängt werden – den Toten. Die Totenflüsterin erzählt von den Gesprächen und Diskussionen mit ihren Nachtschattengewächsen, streut sowohl Kindheitserinnerungen wie auch Zukunftsmusik in ihren bizarren Bericht, und begibt sich gleichzeitig in gefährliche Gefilde, aus denen sie möglicherweise nicht mehr herausfindet. – „Man glaubt nämlich noch heute, dass Verstorbene die Farben Orange und Gelb am besten erkennen würden, bei Gelegenheit muss ich mal nachfragen, ob das stimmt.“….
Buchbesprechung als Kunstprojekt von Stefanie Brottrager:
Der Reihe nach*
In ihrer Nähe fühlte man sich, als ob man in einen Kaugummiautomaten hineingeraten wäre, voll mit bunten Kugeln, die man doch nicht alle auf einmal in den Mund nehmen und kauen konnte, weil man sonst erstickt wäre. […] Generation Wochenendseminar, fasste sie das Phänomen zusammen. […] Ist schon gut, sagte ich und ging in mein Zimmer. […] Zunächst waren es kurze Bestandsaufnahmen, ähnlich Postkartengrüßen, mit Auflistungen und Beschreibungen von Tatbeständen, Stunden- und Speiseplänen, alles sorgfältig mit Zierrändern voneinander abgegrenzt. […] Bestimmte Unterlagen lehnen sie von vornherein ab, sie versuchen es nicht einmal, während sich der Bleistift, so habe ich den Eindruck, immer um ein Ergebnis bemüht. […] Namhafte Psychologen hätten den Begriff Trauerarbeit erfunden und würden damit Klienten in ihre Praxis lotsen – dabei ginge es doch gerade um das Gegenteil von Aktivität, um die totale Hingabe ans Nichts. […] Sie dürfen durchdrehen! […] Fortwährend hatte ich das Gefühl, nicht genügend Gemeinheiten und Missetaten für ihn und den zürnenden Gott, der dann eh alles gnadenvoll vergeben und verzeihen würde, parat zu haben. […] – Wem soll ich also meinen prachtvollen goldenen Paravent vermachen, wer ist es wert? […] Genug jetzt, es kommt, wie es kommen muss, würde meine Oma sagen. […] Und alles Getrennte findet sich wieder. […] Dagegen kann ich nichts haben; zudem muss ich nichts für sie einkaufen und ihnen nichts anbieten und kredenzen, an Feststofflichem sind sie nicht interessiert. […] Ich kann in meinen Träumen komponieren, dirigieren und inszenieren, ich kann das Drehbuch ändern, bin Regisseurin, Schauspielerin und Zuschauerin zugleich. […] In der Stimme wohnt die Seele des Menschen, in ihr ist alles gespeichert, sie transportiert die ganze Wahrheit (wenn man sie hören will). […] Es beruhigt mich, das Bügeln. […] Ich wahre den Respekt und sehe mich zudem vor, nicht zu sehr ins Zitieren zu geraten, obwohl dies manchmal überaus verlockend wäre. […] Es ist so still hier im Raum, dass die Stille zu rauschen beginnt; vielleicht ist es auch nur das Rauschen in meinem Ohr, also das Blut, das pochende, das nach außen dringt. […]
*Alle Sätze stammen aus dem Roman DIE GASTGEBERIN von Karin Ivancsics.
von Stefanie Brottrager
Biografien:
Klaus Haberl
Lebt als freier Schauspieler, Regisseur und Autor in Wien. Lyrikveröffentlichungen: „Ein Zimmer hinaus, in dem ich wohne“, edition lex liszt 12, 2010, „Auf den Treppen der Erde“, edition lex liszt 12 2015, „venus versus mars“, edition zeitzoo Wien, 2015.
Theaterstücke: „Sulz“, UA 1998, dietheater Konzerthaus Wien, „Hain“, UA 2000, bernhardensemble Wien, „Big Change“, UA 2006, kontextlabor Wien, „Lieblinge des Himmels“, UA 2011, Landestheater Niederösterreich. Nestroypreis für die UA des Stückes „Hain“ 2001, Dramatikerstipendium des BMUKK 2001.
web: www.klaushaberl.com
Beatrice Simonsen:
Beatrice Simonsen lebt als Literaturkritikerin, Autorin und Veranstalterin von Projekten im Zusammenspiel von „Kunst und Literatur“ (Blog: www.kunstundliteratur.at) in Wien und im Burgenland. Herausgeberin der Anthologien Grenzräume. Eine literarische Landkarte Südtirols (2005) und Grenzräume. Eine literarische Spurensuche im Burgenland (2015). Weitere Publikationen in Zeitschriften und Anthologien (aktuell in: Zu anderen Ufern. Transdanubisierungen, Hg. Elena Messner, Eva Schörkhuber, 2018).
Karin Ivancsics:
Geboren 1962 in St. Michael/Burgenland, lebt in Wien und im Burgenland. Studium der Germanistik, Romanistik und Publizistik. Lektorin im Wiener Frauenverlag, danach bei Kulturinstitutionen, Buch- und Zeitschriftenverlagen beschäftigt, seit 1994 freie Schriftstellerin. Künstlerische Leitung der Literaturtage im Weinwerk in Neusiedl/See. Vorstandsmitglied der Grazer Autorinnen Autoren Versammlung, Präsidiumsmitglied der Erich Fried-Gesellschaft.
web.: www.karinivancsics.at
Stefanie Brottrager [künstlerische Buchbesprechung]:
*1984 Graz.
Lebt und arbeitet in Wien.
Stationen in Orléans, Berlin, Zürich, Luzern, dem Wallis und natürlich der Steiermark.
web: www.stefaniebrottrager.at
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wallyre 1018