Afrika im Kremstal 22: Wie sich Afrika aus eigener Kraft retten kann
„Ein sich selbst tragender Wachstumsprozess in Afrika muss keine Utopie bleiben“ sagt Jeffrey Sachs
Sie hören die 22. Ausgabe Afrika im Kremstal vom 3. Juni 2012. Es geht darum, wie sich Afrika aus eigener Kraft retten kann. Herzlich willkommen. Sie hören zwei Stunden authentische aktuelle Musik aus der Hauptstadt von Guinea. Am Mikrofon ist Robert Stöckler.
Meine Ausführungen zur heutigen Sendung übernehme ich hauptsächlich aus Veröffentlichungen von Sebastian Dullien, Volkswirt und Journalist, Jeffrey D. Sachs, Ökonom und seit Sonderberater der Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Dieter J. Opitz, Redakteur, Robert Kappel vom Hamburger GIGA-Institut und meiner Textsammlung von verschiedenen Quellen, die ich 2008 gestartet habe und seither laufend mit aktuellen Infos anreichere.
Dem „verlorenen Kontinent“ ist nicht zu helfen, glauben viele Menschen in den reichen Ländern. Schließlich seien die afrikanischen Regierungen oft derart korrupt, dass all das Geld, das zur Entwicklungshilfe gezahlt wurde, wirkungslos versickert sei. Afrika ist bitterarm und wird es auch bleiben.
Doch der renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs greift diese Thesen in seinem neuen Buch „Das Ende der Armut“ frontal an. Eine weiteres Problem: Malaria. Mit gezielten Programmen, Grundbildung fördern, Anbindung an das Straßennetz, Moskitonetze, Unterernährung beseitigen, sauberes Trinkwasser schaffen, wird ein Wachstumsprozess in Gang gesetzt werden.
Direkte Hilfszahlungen sehen andere Ökonomen dagegen eher skeptisch. Teilweise würden die Mittelzuströme einzig zu steigender Inflation, kräftigen Lohnsteigerungen und einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen.
Es gab große Hoffnungen, die 1960 an das «Jahr Afrikas» geknüpft wurden? Nach dem britischen Ghana (1957) und dem französische Guinea (1958) wurden damals auf einen Schlag Belgisch-Kongo, Britisch-Nigeria, Italienisch-Somalia und 14 französische Afrika-Kolonien unabhängig. Britanniens Premierminister sprach vom «Wind des Wandels», der die Staaten weißer Siedler im Süden nicht verschonen werde.
Der Kongo war kein «Ausrutscher». Statt «Ein Mann, eine Stimme» hieß es alsbald: «Ein Gewehr – alle Stimmen». Die Staatsstreiche sind kaum zu zählen. Ein Staatsmann wie Senegals Dichter-Präsident Leopold Senghor war bewunderte Ausnahme; Blutsäufer wie Ugandas Idi Amin oder «Kaiser» Bokassa in Zentralafrika beherrschten die Schlagzeilen. Die Welt gewöhnte sich an Blutbäder wie den Biafra-Krieg (1967/70) in Nigeria oder die nun seit 20 Jahren andauernde Rebellion der negriden Stämme im Süden des Sudan gegen den arabisierten Norden.
2001 waren 13 blutige Konflikte im Gange, manche sind es noch heute. Der Kongo ist seit Mobutus Sturz und der Ermordung seines Nachfolgers in Anarchie versunken. Dutzende Stammesarmeen und Truppen aus sechs Nachbarländern kämpfen um Macht und Diamanten, und wieder sind fremde Wirtschaftsinteressen im Spiel.
Misswirtschaft und Korruption wurden zu Geißeln Afrikas. Das Sozialprodukt des Kontinents beträgt die Hälfte des italienischen. Die Bevölkerung ist zwischen 1950 und 1995 von 222 Millionen auf 728 Millionen angewachsen und zählt heute bereits mehr als eine Milliarde. Jeder zweite Afrikaner hat weniger als einen Euro am Tag zum Leben. Die Migrantenwelle Richtung Europa rollt.
Jetzt gibt es noch einmal ein Licht der Hoffnung hieß es 2002 für den «verlorenen Kontinent»: Beim G-8-Gipfel in Kanada haben die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen mit vier afrikanischen Kollegen einen Aktionsplan verabredet. Jährlich sechs Milliarden Dollar wollen die Acht zusätzlich aufbringen, um Wirtschaftswachstum, Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu fördern, wenn Afrikas Regierungen das Ihre dazu tun. Die G-8 reagiert damit auf eine von den reformwilligen Präsidenten Südafrikas, Nigerias und Senegals gegründete «Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas» (Nepad). Diese Initiative soll der «Afrikanischen Union» als Avantgarde dienen.
Die FAZ schreibt am 31.05.2007: Entwicklungsprojekt Nepad – Totenstille um den Rettungsplan. Vor fünf Jahren haben sich zwanzig afrikanische Länder zusammengeschlossen. „Nepad“ heißt der Plan mit dem sie ihre wirtschaftliche Entwicklung selbst in die Hand nehmen wollen. Doch um das Projekt ist es still geworden. Die Nepad-Länder wollen sich nicht mehr nur in Klagen über die Kolonialzeit und Betteln um Hilfe ergehen, sondern eigene Kraft und Verantwortlichkeit stärken. Dazu wollen sie ihre Fortschritte zu Entwicklung und «guter Regierung» gegenseitiger Kontrolle durch eine Gruppe angesehener Persönlichkeiten unterwerfen. Der Ansatz klingt vernünftig. Ob er Afrikas Not steuern kann, lässt sich nur erhoffen.
Afrika ist die Boom-Region der Zukunft. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Ein weiterer Wachstumstreiber ist der Energiesektor. Dieser sei jahrzehntelang von den meisten Regierungen vernachlässigt worden, doch innerhalb der nächsten fünf Jahre seien große Fortschritte zu erwarten. „Die afrikanische Bevölkerung setzt ihre Regierungen enorm unter Druck, damit sie in der Richtung aktiv werden.“
Robert Kappel forscht seit Jahren am Hamburger GIGA-Institut zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas. Er mahnt zur Zurückhaltung bei der Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Situation. Positive Studien, wie die der Unternehmensberatung Roland Berger, sieht er als Versuch, Investoren nach Afrika zu locken. „Man darf nicht so tun, als ob alles rosig ist“, sagt Kappel.
Es mangelt es der afrikanischen Wirtschaft an Dynamik, vor allem in Industrie und Landwirtschaft. Das hohe Wachstum basiere weiter auf Rohstoffen, was auch Studien der Weltbank belegen. Dass Afrikas Wirtschaft wächst, ist ein Fakt. Leider aber auch, dass nicht viel vom Wachstum bei der Bevölkerung ankommt. Im Gegenteil: die Armut in weiten Teilen des Kontinents steigt weiter an.
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