Was ist Dialektik? – Teil 1
Ein Vortrag von Peter Decker aus dem Jahr 1986 oder 1987, der mit Kassettenrecorder aufgenommen und jetzt digitalisiert wurde. Bei Minute 44 ist ein kurzes Loch im Text, weil da die Kassette umgedreht wurde.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs erlitt der „dialektische Materialismus“ einen ziemlichen Karriereknick. Obwohl, man liest, in China hat er noch einen guten Rang als Staatsideologie.
Dennoch kein Grund, die Dialektik links liegen zu lassen. Sie bedeutet nämlich bei Hegel etwas ganz anderes als das, was ihr später in der SU und von deren Anhängern zugeschrieben wurde.
Der Vortrag zeigt die Bedeutung Hegels für die Wissenschaft: Wissen ist möglich! – die Unfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, mit seinem Vermächtnis umzugehen – und seine Kritik an der Methodenhuberei, exemplarisch vorgeführt an seinen Bemerkungen zur Kantschen Erkenntnistheorie.
Kants Vermächtnis: der Erkenntnisrelativismus = die Entmündigung der Wissenschaft.
Der Dogmatismus der heutigen Wissenschaft: Wissen ist unmöglich, Irren ist menschlich.
Der Fehler von der Kraft und ihrer Äußerung, („Trieb“, „Hang bzw. Neigung zu …“) der heute in vielen Wissenschaften auftritt, wird hier vorgeführt am Begriff „Begabung“, und die ideologische Tauglichkeit dieses Konstrukts aufgezeigt.
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HEGEL-ZITATE, die im Vortrag verwendet werden:
1. „Dies ist der Hauptsatz der Kantischen Philosophie. Sie wird auch kritische Philosophie genannt, indem ihr Zweck zunächst ist, sagt Kant, eine Kritik des Erkenntnisvermögens zu sein. Vor dem Erkennen muß man das Erkenntnisvermögen untersuchen. Das ist dem Menschenverstand plausibel, ein Fund für den gesunden Menschenverstand. Das Erkennen wird vorgestellt als ein Instrument, die Art und Weise, wie wir uns der Wahrheit bemächtigen wollen; ehe man also an die Wahrheit selbst gehen könne, müsse man zuerst die Natur, die Art seines Instruments erkennen. Es ist tätig; man müsse sehen, ob dies fähig sei, das zu leisten, was gefordert wird, – den Gegenstand zu packen; man muß wissen, was es an dem Gegenstand ändert, um diese Änderungen nicht mit den Bestimmungen des Gegenstandes selbst zu verwechseln. – Es ist, als ob man mit Spießen und Stangen auf die Wahrheit losgehen könnte. Vor der Wahrheit erkennt das Erkennen nichts Wahres; es geht ihm dann wie den Juden, der Geist geht mitten hindurch. Das Erkenntnisvermögen untersuchen heißt, es erkennen. Die Forderung ist also diese: man soll das Erkenntnisvermögen erkennen, ehe man erkennt; es ist dasselbe wie mit dem Schwimmenwollen, ehe man ins Wasser geht. Die Untersuchung des Erkenntnisvermögens ist selbst erkennend, kann nicht zu dem kommen, zu was es kommen will, weil es selbst dies ist, – nicht zu sich kommen, weil es bei sich ist. “ (G.W.F. Hegel, Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie. 3,.Teil, 3. Abschnitt: Neueste deutsche Philosophie, S. 333
2. „Indem aber auf der andern Seite diese Erkenntnis sich als die Erkenntnis nur von Erscheinendem weiß, wird das Unbefriedigende derselben eingestanden, aber zugleich vorausgesetzt, als ob zwar nicht die Dinge an sich, aber doch innerhalb der Sphäre der Erscheinung richtig erkannt würde, als ob dabei gleichsam nur die Art der Gegenstände verschieden wäre und die eine Art, nämlich die Dinge an sich, zwar nicht, aber doch die andere Art, nämlich die Erscheinungen, in die Erkenntnis fielen. Wie wenn einem Manne richtige Einsicht beigemessen würde, mit dem Zusatz, daß er jedoch nichts Wahres, sondern nur Unwahres einzusehen fähig sei. So ungereimt das letztere wäre, so ungereimt ist eine wahre Erkenntnis, die den Gegenstand nicht erkennte, wie er an sich ist.“ (G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik, 1. Teil, Einleitung: Allgemeine Einteilung der Logik, S. 39)
3. „Die Kritik der Formen des Verstandes hat das angeführte Resultat gehabt, daß diese Formen keine Anwendung auf die Dinge an sich haben. – Dies kann keinen anderen Sinn haben, als daß diese Formen an ihnen selbst etwas Unwahres sind. Allein indem sie für die sujektive Vernunft und für die Erfahrung als geltend gelassen werden, so hat die Kritik keine Änderung an ihnen selbst bewirkt, sondern läßt sie für das Subjekt in derselben Gestalt, wie sie sonst für das Objekt galten. Wenn sie aber ungenügend für das Ding an sich sind, so müßte der Verstand, dem sie angehören sollen, noch weniger dieselben sich gefallen lassen und damit vorlieb nehmen wollen.“(ebd., S.40)
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