Von den wilden Frauen

12.08.2014

Der Hutzler Matthiesl war, als ich ihn kennen lernte, in den Fünfzigern, er musste also in den 20er Jahren geboren worden sein. Seine Mutter, erzählte er, sei eine Gemeindearme gewesen, die Hutzler Mirl, ein stark beschränktes Weiblein mit einem ewigen Kindergesicht, die jeder hergenommen hätte, der gerade Lust gehabt hätte. Dies sei insofern praktisch gewesen, weil sie sowieso immer Totgeburten hatte, so dass es keine Probleme mit der Vaterschaft gab. Zum Gebären versteckte sie sich immer im Wald, und die toten Kinder trug sie mit sich herum und man musste sie ihr gewaltsam entreißen, bevor sie zu stinken anfingen. Nur einmal hätte sie ein lebendes Kind zur Welt gebracht und das sei eben er, der Hutzler Matthiesl gewesen.

„Wann ihr heut hoamgeahts, und das Sagenbuach aufschlagts, des euch eure Eltern oamal zu Weihnachten gebn habn, dann werdts es sicher a Bildl drin habn von die Saligen Jungfrauen. Ohne Busen, mit an Blumenkranzele in die Haar und  an weissn Nachthemmat. Aber die Saligen sein koane keuschen Jungfrauen. Jungfrauen hoaßen sie, weil sie koan Mann gehören, weil sie sich net binden lassen.“

Das Buch “Von den wilden Frauen” von Martin Auer mit Illustrationen von Linda Wolfsgruber ist im Verlag Bibliothek der Provinz erschienen.

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Thema:Literature Radiomacher_in:Martin Auer
Sprache: German
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