Vive l’Europe! #21 – “… je älter, umso schlechter die Lesekompetenz!”
„… starejši kot so ljudje, slabše znajo brati!“, ocenjuje Elke Gruber. Beseda teče o študiji „Program za mednarodno ocenjevanje kompetenc odraslih“, na kratko PIAAC. Študija raziskuje bralno kompetenco, matematično kompetenco in sposobnost reševanja problemov pri odraslih. Heinz Pichler se pogovarja z Elke Gruber, profesorico na Univerzi v Gradcu, ki predstavlja rezultate in relevantne zaključke.
Die OECD-Studie „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC), auch bekannt als „Erwachsenen-PISA-Studie“, wurde im Dezember 2024 veröffentlicht. Sie vergleicht die Kompetenzen bei Erwachsenen im Alter von 16 bis 65 Jahren in 31 OECD-Ländern. Neu im Vergleich zur Studie von 2011 sind Tests zu Fähigkeiten im Bereich „adaptives Problemlösen“, die neben den bereits getesteten Lese- und Mathematikkompetenzen erhoben wurden.
Elke Gruber, Professorin an der Universität Graz, gibt Einblicke in die aktuelle PIAAC-Studie und erläutert dazu, …
… es geht um drei wichtige Kompetenzen. Die erste ist die Lesekompetenz, wo es auch darum geht, vor allen Dingen ein Textverständnis nachzuweisen. Dann die zweite ist die alltagsmathematische Kompetenz. Und die dritte ist die sogenannte adaptive Problemlösungskompetenz. Vielleicht nur ganz kurz, was kann man sich unter dem Letzten vorstellen? Da geht es darum, dass bestimmte komplexe, unbekannte Situationen einer gewissen Lösung zugeführt werden sollen und das wird dann praktisch auf verschiedenen Levels gemessen.
Welche zentralen Ergebnisse können nun für Österreich, also für die Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren in Österreich hervorgehoben werden?
Ja, das Ergebnis ist nicht sehr erfreulich. Wir haben das letzte Mal schon recht schlecht im Lesen und im Erfassen der inhaltlichen Komponenten von Texten abgeschnitten und das hat sich leider noch verschlechtert. Sprich, wir sind bei der Lesekompetenz unter dem OECD-Durchschnitt, bei der mathematischen Kompetenz leicht über dem OECD-Durchschnitt und bei der adaptiven Problemlösungskompetenz auch leicht über dem OECD-Durchschnitt. Aber das mit dem Lesen, das ist wirklich sehr negativ zu sehen und auch sehr beunruhigend, weil da hat sich das Niveau noch verschlechtert.
… noch verschlechtert gegenüber der Erhebung von 2011-2012. Die genauen Daten sind einsehbar auch in der Information, die wir Ihnen, geschätzte Hörerinnen und Hörer, auch entsprechend liefern. Vielleicht fokussieren wir jetzt dieses Thema Lesekompetenz. Welche Auffälligkeiten gibt es und vielleicht auch, welche Begründungen gibt es für Österreich oder die Bevölkerung, die getestet wurde, in Österreich, und eher schlecht abschneidet. Gibt es da vielleicht auch altersmäßige Unterschiede, die zu vermerken wären?
Um das Ergebnis nochmal zu illustrieren: Man muss sich vorstellen, etwa 29 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Österreich kann nicht, bzw. kaum so lesen wie ein zehnjähriges Kind. Also das, was wir mit Ende der Volksschule von einem Kind erwarten, laut Lehrplan und laut Schulabschluss in diesem Bereich. Und das ist immerhin, sage ich jetzt mal, nicht ganz ein Drittel. Und das Negative, was noch sozusagen dadurch getoppt wird: seit 2011 und 2012 hat sich diese Zahl fast verdoppelt. Und das ist natürlich für ein Land wie Österreich mit einer wissensbasierten Wirtschaft, Ökonomie und Gesellschaft auch im Sinne von demokratischen Strukturen aufrechtzuerhalten, schon ein eher beängstigendes Ergebnis.
Vielleicht einige wenige Anmerkungen dazu, warum das möglicherweise so ist: Es bedarf dazu ja noch weiterer Forschungen, aber ich habe drei, beziehungsweise vier Punkte herauskristallisiert. Zum einen ist es mal dadurch sicher gegeben, dass die Bevölkerung ja weiter altert und es so ist, dass alle diese Kompetenzen im Alter sich schlechter darstellen. Also je älter ich bin, desto schlechter bin ich auch in der Lesekompetenz. Das ist ein bisschen paradox, weil die Meinung in der Bevölkerung oft ist, dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr gut lesen und schreiben können.
Das Zweite ist sicher, wir beschäftigen uns in den letzten zehn Jahren mehr denn je mit kurzen und immer unterkomplexeren Texten. Also wenn wir an unser gesamtes Leben auch denken – und das ist sicher ein Punkt, wo man sagen kann: umso weniger ich komplexe Texte lese, umso mehr nimmt natürlich auch das Textverständnis ab.
Dann spielt sicher natürlich die Migration eine Rolle, die in den letzten zehn Jahren in dem Sinne zugenommen hat, dass ein größerer Teil in der Bevölkerung eine Migrationsbiografie aufweist, wobei hier den Studien, den bisherigen Studien zufolge nicht die Masse der Verschlechterung herkommen soll. Und viertens, das ist eher so ein Punkt, der allgemein zu beobachten ist, es ist halt in den letzten Jahrzehnten kann man sagen, oder im letzten Jahrzehnt auch ganz wenig gegen die Vererbung der Bildungsungleichheit getan worden. Also wir sind da ja ganz schlecht auch im europäischen Vergleich, dass wir ganz massiv Bildungsungleichheit vererben. Sprich bildungsarme Eltern haben dann auch bildungsärmere Kinder.
Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, ist so diese Zielgruppe, die hier, was Lesekompetenzen betrifft, eher benachteiligt ist, sind das eher ältere Menschen. Kann es sein, dass auch hier die Textbatterien, die hier bei dieser Testung verwendet oder vorgegeben werden, vielleicht auch für diese ältere Zielgruppe etwas schwieriger zu interpretieren, etwas schwieriger zu lesen sind? Oder bin ich hier ganz „fehlgesteuert“?
Möglicherweise ist das so, das müsste man untersuchen. Man findet in der Literatur im Moment auch, dass die Lesekompetenz an neuen Texten abgefragt worden ist oder an veränderten Texten seit 2011/12 und vor allen Dingen auch an Texten, die über das Internet, also über Online und so weiter, über ein Tablet abgefragt werden. Es wird zwar immer gesagt, nein, es ist vorher abgetestet worden, dass das keine signifikanten Einflüsse hat. Aber als Pädagoginnen und Pädagogen sehen wir das natürlich vielleicht ein bisschen anders. Aber das müsste man untersuchen.
Jetzt liegen die Zahlen vor und nun kommt die Detailauswertung jener, die die Bildungsforschung machen, die auch hier entsprechende Bildungsangebote vorschlagen werden. Welche Vorschläge würden von Ihrer Seite zielführend sein, um diesem Mangel oder um diesem Kompetenzdefizit von Erwachsenen in Österreich entgegenzutreten?
Ich würde es überspitzt einmal so formulieren: Lese- und Sprachförderung von der Wiege bis zur Bahre. Also sprich: über das gesamte Leben hinweg. Das wäre mal so prinzipiell ein Ansatz. Wobei bestimmte Zielgruppen sicher speziell angesprochen werden müssten. Also wenn man sich das Datenmaterial anschaut, auch noch mal sich anzuschauen, welche Zielgruppen sind da speziell, mit speziellen Angeboten, anzusprechen. Und da wären natürlich die frühkindliche Erziehung und Bildung sicher ganz wesentlich, aber auch über den Lebenslauf bis hin also auch zu älteren Menschen, die bisher in der ganzen Sprachförderung ja eigentlich überhaupt nicht bedacht waren. Und das wäre so etwas. Oder, bestimmte Zielgruppen im Sinne von Personen mit Basisbildungsbedarf. Früher hat man gesagt: sogenannte funktionale Analphabeten. Also man könnte auch sagen, dass diese 29 Prozent zu dieser Gruppe eigentlich gehören. Wir sagen das heute in Richtung eher positiver Entwicklung, dass man sagt, es gibt Basisbildungsbedarf und dort muss man einhaken mit Lesen und Schreiben in diesem Bereich.
Und insgesamt wird es immer wieder gefordert, diese Bildungsvererbung, wie man das unterbrechen könnte, das ist sicher eine hochpolitische Aufgabe, die in den letzten 10, 15 Jahren überhaupt nicht angegangen worden ist.
Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Dotierung für die allgemeine Erwachsenenbildung – also jetzt nicht speziell für die technisch formale Ausbildung im beruflichen Kontext – sondern eher die allgemeine Erwachsenenbildung entsprechend deutlich gefördert und erhöht werden sollte, kann ich mir vorstellen, oder? Wäre vermutlich auch eine Forderung, die von Ihrer Seite ja schon seit mehreren Jahren immer wieder aufgeworfen wurde?
Ja, also das gehört dazu. Man könnte ja zum Beispiel die Basisbildung auch in diesem Bereich ansiedeln und auch auf verschiedenen Niveaus, sage ich jetzt mal, diese allgemeine Erwachsenenbildung fördern und auch niederschwellige Angebote machen. Und das würde ich auch gerne gleich noch verknüpfen mit Angeboten zur demokratiepolitischen Bildung. Weil das hat zwar jetzt mit PIAAC direkt nichts zu tun, aber wir wissen, dass Menschen, die nicht lesen und schreiben können, oder nur ein geringes Textverständnis haben, sicher auch auf Fake News noch mehr hereinfallen als welche, die sich vielleicht mit komplexeren Themen auseinandersetzen. Und das ist sicher für die Zukunft ein enormes Problem.
… ein enormes Problem und eine enorme Herausforderung. Wenn ich Sie nun fragen würde, so resümierend, was die Ergebnisse von PIAAC betrifft, was wäre Ihr abschließendes Resümee?
PIAAC ist erstmal notwendig, damit wir überhaupt über diese Themen öffentlich diskutieren, weil mein Eindruck ist, dass wir sonst eigentlich kaum darüber diskutieren, über die Kompetenzen von Erwachsenen, über diese Grundkompetenzen. Das wäre einmal so ein grundsätzlicher Ansatz. Und das Zweite, dass dringender Handlungsbedarf besteht, weil wenn wir in zehn Jahren uns wieder treffen würden und diese Spirale, diese Abwärtsspirale wird sich weiterentwickeln, vor allen Dingen im Lesen und Schreiben – dann ist das natürlich eine ganz schlechte Entwicklung, was natürlich auch verdeckt, dass wir in Mathematik und Problemlösungskompetenz sogar ja leicht über dem OECD-Schnitt liegen. Also das wird damit eigentlich auch obsolet geführt, weil jeder dann auch immer nur auf diese schlechte Lesekompetenz hinschaut.
Österreich ist so im Mittelfeld der OECD-Länder, der 31 Länder, die befragt wurden, angesiedelt. Welche Länder sind eigentlich hervorzuheben, weil sie besonders gut abgeschnitten haben? Und welche Länder oder welche Menschen in welchen Ländern, haben dann nicht so gut abgeschnitten? Vielleicht, dass wir das abschließend noch kurz erwähnen.
Ja, das Erstaunliche ist, dass es hier eine gewisse Kontinuität gibt. Es sind nach wie vor die nordischen Länder, also vor allem Finnland und Schweden in der Europäischen Union, die hier im Spitzenfeld bei allen drei Kompetenzen abschneiden. Und auch Japan, was jetzt nicht zur EU gehört.
Es ändert sich auch leider an denen, die schlechter abschneiden nicht viel. Das sind derzeit Litauen, Portugal und Italien. Und wenn ich das richtig interpretiert habe, sind Deutschland und die Schweiz etwas besser, bzw. schneiden etwas besser als Österreich ab.
To so prvi rezultati nedavno objavljene PIAAC študije, v kateri so v 31 državah ugotavljali bralne in matematične kompetence ter spretnosti reševanja problemov pri odraslih. Kakšni so bili rezultati v Avstriji? Precej mešani, pojasni Elke Gruber z graške univerze. Pri matematičnih kompetencah smo nekoliko nad povprečjem, prav tako smo nekoliko nad povprečjem pri spretnostih reševanja problemov. Naša bralna kompetenca pa je slaba. Približno 29 odstotkov odraslega prebivalstva je funkcionalno nepismenih ali pa zna brati na ravni desetletnega otroka. To je seveda precej zastrašujoč rezultat za državo, kot je Avstrija, ki ima na znanju temelječe gospodarstvo, gospodarstvo in družbo z demokratičnimi strukturami, meni Elke Gruber.
Naša sogovornica definira štiri ključne točke. Prvič, slaba pismenost je posledica staranja prebivalstva. Pismenost pa se s starostjo slabša. To je paradoksalno, saj pogosto domnevamo, da mladi ne znajo dobro brati in pisati.
Drugič, imamo opravka z vse manj zapletenimi besedili. In kadar naletimo na kompleksna besedila, jih posledično slabše razumemo.
Tretjič, na to vplivajo tudi migracije, ki so se v zadnjih desetih letih povečale. Glede na dosedanje rezultate pa migracije niso glavni izvor poslabšanja. Zadnja pomembna točka pa je podedovana neenakost v izobrazbi. Z drugimi besedami, slabo izobraženi starši imajo tudi slabo izobražene otroke.
Kaj naj storimo? Elke Gruber je prepričana, da moramo spodbujati branje in jezik od zibelke do groba, saj vemo, da ljudje, ki ne znajo brati in pisati ali le omejeno razumejo besedila, zagotovo pogosteje nasedajo lažnim novicam. In to je zagotovo velik problem za prihodnost.
Kurzbiografie
Univ.-Prof.in Dr.in Elke Gruber, hat nach ihrer Erstausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester das Studium der Medizinpädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert. Von 2002 bis 2014 hatte sie die Professur für Erwachsenen- und Berufsbildung an der Universität Klagenfurt und seit 2014 ist sie Universitätsprofessorin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Universität Graz. Sie ist Trägerin des Staatspreises für Erwachsenenbildung und des Bruno-Kreisky-Preises für das Politische Buch.
Weiterführende Informationen zu PIAAC – Internationale Studie zur Untersuchung von Alltagsfähigkeiten Erwachsener: https://www.gesis.org/piaac/piaac-2023-ergebnisse/zentrale-ergebnisse