Vive l’Europe! #20 – Plädoyer für eine Neuaufstellung der Medienpolitik
Peter Plaikner, einer der renommiertesten Politikanalysten und Medienberater in Österreich, erwartet sich von den Koalitionsverhandler*innen zur neuen Bundesregierung eine grundlegende „Neuaufstellung der österreichischen Medienpolitik“, mit einer deutlichen Akzentuierung der politischen Bildung. In diesem Zusammenhang erläutert er auch einige Aspekte der aktuellen „Erwachsenen-PISA“-Studie (PIAAC) und betont, dass die sozialen Medien stärker mit qualitativ hochwertigem Journalismus durchdrungen werden müssten. Eine kritische Medienlandschaft, so Plaikner, könnte dazu beitragen, das Vertrauen in die Politik zu stärken und die Glaubwürdigkeit ihrer Akteur*innen zu erhöhen.
Peter Plaikner, politični analitik in medijski poznavalec, nam v današnji oddaji pokaže, zakaj je potrebna reorganizacija avstrijske medijske politike. Izpostavi vlogo političnega izobraževanja, ki je po njegovo v Avstriji še posebej slabo. Starejšim generacijam, ki se pritožujejo nad konzumiranjem novic prek Tiktoka, pa predlaga, da si zelo kritično ogledajo svojo uporabo medijev. Pa začnimo pri trenutnih vladnih pogajanjih.
Was wären Ihre Erwartungen an die jetzt stattfindenden Regierungsverhandlungen zum Thema Medienpolitik in Österreich?
Im Grunde genommen, dass sie sich an Alexander den Großen erinnern und den gordischen Knoten zerschlagen, also endlich einen großen Wurf machen. Am ehesten dazu bereit sind die NEOS. Die NEOS vielleicht auch deshalb, weil sie als einzige der im Nationalrat vertretenen Parteien noch nie mehr als einen Vertreter im ORF-Stiftungsrat hatten. Das heißt also, sie haben von dieser Macht noch nicht gekostet.
Bei den Grünen war eine schnelle Veränderung festzustellen, als sie erstmals den Stiftungsrats-Vorsitzenden gestellt haben. SPÖ und ÖVP wirken vor allem daran interessiert, die von den Verfassungsrichtern aufgetragenen Veränderungen des ORF Gesetzes in Richtung mehr Unabhängigkeit, insbesondere in der Besetzung des Stiftungsrates, so zu überstehen, dass sie trotzdem möglichst wenig an Einfluss verlieren. Das scheint ihr Hauptinteresse zu sein. Und darüber hinaus, ja: Zuckerl zu verteilen – quasi als Stillhaltemethode an die anderen Medien. Das wird letztlich ein Leiden bloß verlängern, aber zu keiner Lösung führen. Ich bin mir sehr sicher, dass es wirklich eine komplette Neuaufstellung der österreichischen Medienpolitik – und darunter ist eben nicht nur Förderung zu verstehen – braucht.
Da spielt ganz, ganz stark hinein: Politische Bildung, die, wie wir wissen, in Österreich auch besonders im Argen liegt. Und ein Teil dieser politischen Bildung ist natürlich, nennen wir es mal altertümlich, Medienkunde. Noch weniger als über Politik wissen die Menschen über die Aufgaben von Medien Bescheid. Und zwar inhaltlich. All das, was da über den Schulunterricht gesagt worden ist in den letzten Jahren, ist einfach Quatsch, das brauchen wir sicher nicht, die Kinder können mit den Geräten besser umgehen als wir. Was wir brauchen ist, das vor allem bei den Erwachsenen – da sind die Jungen auch besser: Medienbildung. Eine riesige Aufgabe, glaube ich, auch für die Erwachsenenbildung. Und das müsste man meiner Meinung nach unter Medienpolitik subsumieren. Förderung und Bildung müssten Hand in Hand gehen und das eine auch vom anderen abhängig machen.
Jetzt haben wir gerade die Erwachsenen-PISA-Studie und die Ergebnisse dieser Studie veröffentlicht bekommen. Etwa ein Drittel der Menschen versteht einfache gedruckte Texte von ihrem Sinn her, also von der Sinnerfassung, eigentlich nicht. Das wäre ja eigentlich etwas, wo auch die öffentliche Hand, sprich die Förderung der Medien, eingreifen müsste, im Sinne von politischer Bildung, das, was Sie jetzt angesprochen haben.
Ja, auch das, nur müssen wir unheimlich aufpassen, dass wir da nicht einem Klischee unterliegen. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste und ich kann mich noch erinnern, dass in meiner Jugend schon gesagt wurde: Die Jungen lesen nichts mehr. Alle Untersuchungen, die es gibt, zeigen, dass, je älter, desto weniger mit Schriftlichkeit konsumiert wird. Je älter, desto mehr wird der Bildschirm genutzt – hat wahrscheinlich auch etwas mit der nachlassenden Sehkraft und mit vielen anderem zu tun. Wenn sich jetzt die älteren Generationen darüber echauffieren, dass Nachrichteninhalte via TikTok vermittelt werden, dann sollten sie, glaube ich, sehr, sehr kritisch erstmal das eigene Mediennutzungsverhalten überprüfen. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass wir einen vollkommen ungebrochenen Boom ins Bewegtbild haben, allerhöchstens noch garniert mit ein paar kurzen Texten. Und dass die schriftliche Vermittlung durchaus in diesem ist, wie diese Studie zeigt. Und zwar nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch bei den Schöpfern.
Social Media hat dem Ganzen natürlich noch einen Schub gegeben, denn nicht nur bei Twitter, das ursprünglich bloß die Länge von SMS hatte – mittlerweile deutlich mehr – und unter X. Aber auch auf Facebook oder Instagram funktionieren natürlich nur kurze Meldungen. Wir sprechen ja mittlerweile auch schon von der „Instagramisierung“ der Welt. Das Bild muss möglichst quadratisch sein, dass man es möglichst schnell weg kriegt und dann muss es auch noch irgendeinen Spruch beinhalten. Ich bin mir nicht sicher, ob man da gegensteuern kann. Letztlich muss man, glaube ich, etwas machen, was Armin Wolf zu Recht über Social Media gesagt hat: „Man muss Social Media mit Journalismus fluten“. Was der ORF (auch) tut, indem er zum Beispiel die Zeit im Bild auf TikTok bringt. Und man muss dort, gerade wenn man Schriftlichkeit anbietet, eben intelligente Wege finden, die neuen Vermittlungswege zu nutzen, um letztlich doch diese Schriftlichkeit zu fördern.
Und BookTok ist zum Beispiel ein sehr gutes Beispiel – ich weiß nicht, ob Sie BooTok kennen – BookTok ist eine Nische von TikTok, gilt als der Hoffnungsschimmer der gesamten Verlagsbranche im Buchbereich von der Frankfurter Buchmesse bis sonst irgendetwas – eine Nische, mit zig Milliarden Abrufen, wo ganz junge Menschen in sehr unterhaltsamer Weise, ganz „normale“ gedruckte Bücher vorstellen.
Jetzt haben Sie für mich eine interessante Aussage getätigt: „Man muss Social Media mit Journalismus fluten“, …
… das stammt von Armin Wolf, dem ZIB 2 Anchorman, wenn man so sagen kann.
… aber wie würden Sie das jetzt interpretieren? Wenn ich Sie fragen würde: Wie kann man Social Media mit Journalismus fluten?
Das Problem ist, dass nahezu alle Anbieter von journalistischen Informationen, also die Medien, gezwungen sind, Bezahlschranken, Paywalls zu errichten, das heißt, jene Inhalte, wo sie unverwechselbar sind, letztlich hinter Abo-Modellen, oder auch einzeln bezahlbaren Artikel abzurufen – und das macht das Ganze schwieriger. In den Anfängen von Social Media waren die meisten journalistischen Inhalte auch noch frei verfügbar. Grundsätzlich müssen die Medienhäuser sogenannte Frenemies-Strategien machen, also Freund-Feind-Strategien. Wir wissen, dass letztlich diese Social-Media-Plattformen – man kann schon sagen, Feind letztlich von journalistisch redaktionell gestalteten Medien sind. Und dennoch müssen sie von diesen genutzt werden, weil das Publikum eben dort ist. Das Problem ist, dass jetzt die spannendsten Inhalte der meisten Medien – aber das gilt von der New York Times, bis runter zur Kleinen Zeitung – meistens hinter einer Bezahlschranke verborgen sind. Was grundsätzlich richtig ist, weil naja, irgendjemand muss ja die Leute bezahlen, die das Ganze machen. Es sei denn, man sagt, man macht es nur noch öffentlich-rechtlich und staatlich – und ob das dann demokratisch sinnvoll ist, wage ich mal zu bezweifeln.
Das heißt, wir sind jetzt in einer Phase, in der versucht wird, es zu fluten. Dann klickt jemand drauf und sieht, er soll bezahlen oder nicht. Nehmen wir an, es gibt eine kleine Rate von denen, die das auch tut, aber nicht mehr annähernd so viele, wie das jetzt in den ersten 5 oder 10 Jahren von Social Media der Fall war. Die Flutung ist dennoch richtig, (weil) allein schon über die Überschriften, die dort hingeschrieben werden. Und wir wissen, dass ein Großteil der Nutzer ohnehin bloß die Überschrift liest und das Bild anschaut, schon letztlich etwas anderes signalisiert als das, was die meisten Fake-News-Schleudern machen. Das aber wiederum bedeutet einen absoluten Qualitätszwang für die Medien, Zeitungen, öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiostationen, dass sie nicht glauben, sie müssen jetzt die Gesetzmäßigkeiten von Social Media nehmen, also möglichst polarisierend, angriffig, boulevardesk. Sondern eigentlich die alten Tugenden beibehalten.
Es ist leider genau der umgekehrte Trend feststellbar: Es ist leider feststellbar, dass sich die herkömmlichen, journalistisch getriebenen redaktionellen Medien, durch den Einfluss von Social Media genau in diesen Qualitäten beirren lassen und eher versuchen, dort möglichst hohe Klick-Raten zu erzielen, anstatt zu sagen: Wir sind so, wir sind anders. Ganz vereinfacht: Also Social Media führt letztlich zu einer Boulevardisierung journalistischer Qualitätsmedien.
Wenn ich Sie nun noch einmal fragen würde: Ihre zentrale Botschaft an die jetzt verhandelnde Medien-Gruppe zu den Koalitionsverhandlungen, was würden Sie sagen: Bitte macht ihr das, damit das auch für Meinungsbildung, für politische Bildung, so wie Sie jetzt gesagt haben, wirksam werden könnte, was wäre das?
Einzelne Ratschläge sind schwer zu treffen, ich würde es trotzdem versuchen. Weg davon, wieder selbst zum Medienmacher zu werden, es ist nämlich letztlich ein Missbrauch von Parteienförderung in irgendeiner Form. Ganz, ganz starke Bewusstseinsbildung. Das ist ein Ende der journalistisch-redaktionellen Medien, wie wir sie kennen, oder ein reines Überbleiben eines öffentlich-rechtlichen Systems, letztlich ihnen, den Parteien und der Demokratie schadet, weil es ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht.
Wir können das, oder Sie können das auch in den USA schon beobachten. Ich war gerade wieder 3 Wochen dort. Es ist erschreckend, weil dort eben diese Prinzipien nicht beachtet werden. Es gibt dort wirklich keinen funktionierenden Medienmarkt mehr. Selbst jene Medien, die in Österreich noch einen hohen Ruf genießen, oder in Europa, sind letztlich ganz klar Partei – auf einer Seite. Und das führt zu einer Abwärtsspirale, der wir die augenblickliche politische Situation mitzuverdanken haben.
Es müsste im größten Interesse aller demokratischen Parteien – ich mag das Wort liberal nicht – aller demokratischen Parteien sein, eine ihnen kritisch gegenüberstehende Medienlandschaft zu fördern. Und zwar, weil das die beste Möglichkeit ist, die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems zu heben. Das Vertrauen ist insbesondere in die Politik, in die Parteien natürlich am meisten, gesunken.
Aber die Medien tanzen ihnen das gerade nach. Und das entsteht vor allem aufgrund eines Wettbewerbs, den sich in der Wirtschaft niemand leisten würde. Nämlich derart ohne Grenzen auf den Wettbewerber loszugehen, dass es jeweils der gesamten Branche schaden würde. Kein Auto-Skandal hat dazu geführt, dass die Branche auf diesen einen losgegangen wäre, weil sie genau gewusst haben: Das schadet dem Ganzen insgesamt. Das macht die Politik natürlich seit Jahrzehnten, und die Medien machen es nicht ganz so lange nach.
… das würde sozusagen bedeuten, dass man eine kritische Selbstbeurteilung auch zulässt, im Kontext von parteiinternen Querelen und anderen Dingen mehr, …
… das hielte ich für eine demokratische Grundvoraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Und genau das wird natürlich auch zu wenig gelehrt, da sind wir wieder bei den Schwächen des Bildungssystems, siehe politische Bildung, die in Österreich nach wie vor im Argen liegt.
Medijsko in politično izobraževanje je zelo pomembno, pravi Peter Plaikner. Kaj lahko poleg tega še storimo?
Plaikner v odgovor citira, kar je povedal Armin Wolf: „Družbene medije je treba preplaviti z novinarstvom“. Problem je v tem, da so skoraj vsi profesionalni mediji prisiljeni postavljati plačilne zidove. Najzanimivejša vsebina se pri večini, od New York Timesa do Kleine Zeitung, običajno skrita za plačljivim zidom, doda Plaikner.
Zdaj smo v fazi, ko ljudje poskušajo družbene medije preplaviti z novicami. Potem pa uporabnik klikne nanje in se odloči, ali bo plačal ali ne. Takšen pristop je kljub temu pravilen, preprosto zaradi naslovov, ki so tam zapisani, meni naš sogovornik. In vemo, da večina uporabnikov tako ali tako prebere le naslov.
Glede reorganizacije avstrijske medijske politike še doda, da je v interesu vseh demokratičnih strank spodbujanje medijskega prostora, ki je do teh istih političnih strank kritičen. To je najboljši način za povečanje verodostojnosti celotnega sistema, je prepričan Peter Plaikner.
Abschließend bringen wir noch einen Auszug aus einem interessanten Interview, das wir im Kontext von Medienpolitik mit der EU- Abgeordneten Iraxte Garzia Perez geführt haben. Die Fragestellung von Neža Katzmann Pavlovčič, ob nicht die Gefahr bestünde, dass durch die Erhöhung der EU-Verteidigungsbudgets die unabhängige Medienförderung zu kurz käme, beantwortet sie wie folgt:
V nekaterih državah, ki jim vladajo populistične stranke, smo priča zaskrbljujočemu trendu zmanjševanja sredstev, namenjenih javnim medijem, in spodkopavanju njihove neodvisnosti, kar je v nasprotju z načeli, na katerih temelji Evropski akt o svobodi medijev. Hkrati naj bi Rusija povečevala sredstva za medije za 13 % na leto. Kako lahko v tem kontekstu zmagamo v boju proti dezinformacijam? Če se strinjamo, da bomo namenili več denarja za orožje, ali ne bi morali enako storiti za financiranje neodvisnih medijev?
To je jasno in vztrajamo pri tem, kako pomembno je povečati proračun za obrambo. Toda hkrati je naši skupini, skupini socialnih demokratov, zelo jasno, da povečanje proračuna za obrambo ne sme pomeniti zmanjšanja proračuna za druge pomembne politike, kot so javni mediji, tradicionalne politike, kohezijska politika, kmetijska politika, digitalna politika ali okolje. Vse to so pomembne razprave, ki jih moramo opraviti o proračunu, o finančni perspektivi v Evropski uniji. Za nas je pomembno, da povečamo lastna sredstva ter da govorimo, razpravljamo in se pogajamo o fiskalni zmogljivosti v Evropski uniji. Kajti če imamo več izzivov, ne moremo narediti več z istim ali manjšim proračunom ali manj denarja.
Kurzbiografie:
Peter Plaikner war von 1981 bis 2004 bei der Tiroler Tageszeitung, u.a. als stv. Chefredakteur tätig. Seit 2005 ist er selbstständig mit „plaiknerpublic medienarbeit“. Er ist Gastautor, Analyst, Politik- und Medienkolumnist in österreichischen (Tages)Zeitungen sowie nationalen und internationalen Medienformaten. Zudem hat er Lehraufträge an mehreren Universitäten und Fachhochschulen in Österreich und ist als Moderator, Vortragender und Seminarleiter in unterschiedlichen Institutionen tätig: Weiterführende Informationen unter: http://www.plaikner.at/biographie.htm
Iratxe García Pérez ist eine spanische Politikerin der sozialistischen Partei PSOE und Mitglied des Europäischen Parlaments. Seit 18. Juni 2019 ist sie Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten.