„Untotigkeit“ (Perlentaucher XX)
Die Perlentaucher Nachtfahrt erfindet sich schon wieder neu und wagt sich an ein weiteres Produktions-Konzept. Schon seit längerem wollte ich mit dem Fex gemeinsam eine freischwebende Themensendung gestalten, um einige dieser spontanen Assoziationen und philosophischen Aushängigkeiten zu veröffentlichen, die uns in vielen Gesprächen immer so unterhaltsam inspiriert haben. Allerdings sollte dafür schon auch ein geeignetes Zeitfenster gefunden werden, in dem sowohl Chriss als auch ich mit dem kreativen Input vom Fex gleichermaßen umgehen könnten. Nun ist es soweit – die Triade kann beginnen!
“Wir werden tatsächlich von frühester Kindheit an zu einem Höchstmaß an fremdbestimmter Zeiteinteilung gezwungen und außerdem noch zur Beschäftigung mit fremdbestimmten Themen und Inhalten vergewaltigt. Wir werden von klein auf mit System und Methode von uns selbst, von unseren Gefühlen und Bedürfnissen abgelenkt und dadurch nachhaltig von uns selbst entfremdet. Vor lauter Widerstand gegen dieses massive “woanders hin geschoben werden” haben wir kaum noch Zugang zu unserem inneren Sein. Ein derart von sich selbst “ver-rückter” Mensch glaubt, kauft, funktioniert – und fürchtet sich vor der Bestrafung für seine Nichtanpassung.”
Aus solchen und ähnlichen Gedankensplittern werde ich diesmal vortragen, während Chriss seine immer stärker ins rhythmische Spoken-Word gehenden Texte rezitieren und auch zur Gitarre singen wird. Und der Fex, der uns auf Anfrage spontan den Begriff der “Untotigkeit” zuwarf, wird wohl ebenso spontan für dementsprechenden Gesprächs- und Denkstoff sorgen.
“Der vollständig entkernte und vom Empfinden seiner eigenen Lebendigkeit abgetrennte Mensch ist das Endprodukt der Gesellschafts-Erziehung und entspricht forthin nur noch den Interessen der Industrie. Ein profitorientierter Funktionsidiot, ein angepasster Hampelkasper, ein Reiz-Reaktions-automatisierter Arbeitshamster, ein ebenso blödböser wie tödlich-öder Restmensch, ein ins Produktionsprofil passender Placebowichtel und pseudopolitischer Programmpapagei, ein seelenamputierter, spezialisierter und sozialsedierter Staatssklave, ein wie untot umher irrender Untertan…”
Es muss einem ja nicht nur Sozialkritisches rund um den Begriff der “Untotigkeit” einfallen – man kann durchaus auch über Zombies, Vampire, Werwölfe und andere Wiedergänger reden. Mir allerdings drängt sich bei dem Thema immer wieder der Totstellreflex von Tieren in ausweglosen Situationen auf – und eine Gesellschaft voller sich tot stellender Menschen.
“Auf der einen Seite der Statistik brechen Menschen wirklich zusammen, werden im wahrsten Wortsinn verrückt oder bringen sich tatsächlich um. Auf der anderen Seite ziehen ganze Gruppen gemeinsam in die innere Emigration einer fortwährenden Vollnarkose. Dazwischen, wo die Mehrheit wohnt, in der Gauß’schen Normalmitte, im Main- und Allgemeinstream, in des Mozartpudels patzig-süßem Kugelkern,in der gestaltlosen Fettcreme der Durchschnitte, da werden die Geschäfte gemacht, die Massen bewegt und die Wahlen gewonnen, da gehen die Restfunktions-Lebenden scheintot und schreckstarr ans Werk.
Und wir? – Widerstand im Komaland!”
In diesem Sinne ist auch wieder einmal alles möglich, was uns in diesem Zusammen-Aushängen ein-, auf- und zufällt. Nicht zu vergessen die Dreieinigkeit der gemeinsamen Playlist, welche den Begriff der “Untotigkeit” von allen unmöglichen (drei) Seiten zu beleuchten vermag. Verhellen oder erdunkeln, das ist hier nicht die Frage. Zu dritt verboten? Wir sind ein geiles Institut!
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