Umweltverträglichkeitsprüfung Interview zur geplanten Novelle mit Wolfgang Rehm von VIRUS
Umwelschutzorganisationen und BürgerInneninitiativen laufen Sturm gegen die geplante Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP). Einer der schon in mehreren UVP Verfahren mit Parteienstellung dabei war ist Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS, der uns im Interview Teile seiner Kritik an der geplanten Gesetzesnovelle darlegt.
Hier der Link zur Presseaussendung von VIRUS:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120605_OTS0189/virus-legislativen-bummelstreik-bei-uvp-nicht-fortsetzen
Auch das Ökobüro, das eurpäische Netzwerk „Justice and Environment“Greenpeace, Global 2000, WWF und Vier Pfoten kritisieren den aktuellen Gestzesentwurf. Hier ihre gemeinsame Stellungnahme (Die auch „Rettet die Lobau – Natur statt Beton“ unterstützt und eingebracht hat – als BI die wir in vergangenen und laufenden Verfahren involviert sind wurden wir von der Behörde überhaupt nicht über die geplante Novellierung informiert. Anm. Jutta Matysek Sprecherin der BI):
1. Generelle Kritik am Begutachtungsverfahren:
Der gegenständliche Entwurf der UVP-G-Novelle (388/ME) wurde uns am 29.05.2012 unter
Festsetzung einer Frist zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme bis 06.06.2012
übermittelt. Somit bleibt uns zur Durchsicht des umfassenden Gesetzesmaterienkonvoluts,
anschließender Recherche, Abstimmung innerhalb der verschiedenen Organisationen und
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Verfassung der Stellungnahme exakt fünf (sic!) Arbeitstage. Eine genaue fachliche
Prüfung des Entwurfs ist daher nicht möglich.
Das Vorgehen erinnert an die Diskussionen um UVP-Verfahren an sich, wo der Öffentlichkeit
die Schuld an Verfahrensverzögerungen gegeben wird, obwohl die im UVP-G
festgeschriebenen Fristen betreffend die Ausübung von Parteienrechten der Öffentlichkeit
extrem kurz sind und sich Verfahrensverzögerungen idR aus schlecht vorbereiteten
Projekten ergeben und nicht durch die Möglichkeit der Öffentlichkeit sich an Verfahren zu
beteiligen.
Eine derart kurze Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zur Novellierung des aus Sicht der
österreichischen Zivilgesellschaft bedeutendsten Gesetzes um durch breitgefächerte
Öffentlichkeitsbeteiligung an der Umweltverträglichkeit verschiedenster Projekte mitzuwirken,
muss als direkter Affront gegenüber Österreichs Umweltschutzorganisationen angesehen
werden.
Es ist absolut nicht erkenntlich, warum eine Novelle dieses in Österreich sowohl aus
partizipatorischer wie auch als umweltschutzrechtlicher Sicht einzigartigen Gesetzes zum
jetzigen Zeitpunkt binnen kürzester Zeit durchgeboxt werden soll. Wie selbst in den von
Bundeskanzleramt und Umweltministerium eigens erarbeiteten und von der
Bundesregierung beschlossenen „Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung“1 auf Seite 19
ersichtlich, ist eine Frist von sechs bis zwölf (!) Wochen (in Ausnahmefällen von vier
Wochen) angemessen. Die gegenständliche Frist zur Abgabe einer Stellungnahme
widerspricht somit auch den eigenen Richtlinien für konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung!
Weiters widerspricht die eingeräumte einwöchige Frist der UNECE Aarhus-Konvention,
(BGBl III 2005/88) die von Österreich und der EU unterzeichnet wurde. Konkret schreibt Art.
8 der Konvention für die Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver
Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente die
Festlegung eines ausreichenden zeitlichen Rahmens für eine effektive Beteiligung der
Öffentlichkeit fest.
1Vgl dazu http://www.bka.gv.at/site/6363/default.aspx bzw.
http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=30993Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Die eingeräumte Frist ist daher aus vielfältigen, oben dargelegten Gründen
vollkommen inakzeptabel und wir möchten mit aller Schärfe gegen ein derartiges
Vorgehen protestieren!
2. Unsere Hauptforderungen an eine effektive UVP-G-Novelle:
Wir möchten vorab auf unsere Stellungnahme im Vorfeld der UVP-G-Novelle 2009
verweisen und wiederholen im wesentlichen unsere zentralen Forderungen, welche bislang
nicht berücksichtigt worden sind.
• Parteistellung für die Öffentlichkeit in Feststellungsverfahren
Auf diese Forderung wird unten näher eingegangen. Die Parteistellung in der Vorprüfung zur
Frage, ob überhaupt eine UVP zu machen ist, ist aufgrund der Rechtssprechung des
Europäischen Gerichtshofes und der Aarhus Konvention geboten. Deshalb hat die EUKommission
vor kurzem ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.
Dieses Recht ist umso wichtiger, als über 80% der Verfahren mit dem Ergebnis enden, dass
keine UVP notwendig ist.
• Schwellenwerte senken!
Nur wenn die Schwellenwerte im Anhang des Gesetzes überschritten werden, muss eine
UVP durchgeführt werden. Die Schwellenwerte in Österreich sind allerdings so hoch, dass
wir im EU-Vergleich Schlusslicht sind und gleich viel Verfahren wie der Zwergstaat
Luxemburg pro Jahr haben (ca 20-30 Verfahren), während es in Deutschland bezogen auf
Fläche und Bevölkerung etwa das Fünffache an Verfahren gibt (ca. 1.000 Verfahren pro
Jahr). Weiters sind die Schwellenwertbezüge bei Kumulationen von mehreren Vorhaben
dringend zu überdenken.
Es ist nicht nachvollziehbar, mit welcher sachlichen Rechtfertigung Kumulationen von
Vorhaben verschiedener Kategorien (wie beispielsweise der Talstation eines Skiliftes mit
einem in der Nähe befindlichen Einkaufszentrum) verneint werden. Im Rahmen einer UVP
sollten die Kumulationen von Umweltauswirkungen und nicht der Schwellenwerte
bedeutsam sein!
• Klimaschutz
Im vorliegenden Entwurf zur UVP-G Novelle 2012 findet sich keine Neuerung um im Rahmen
einer UVP auch den Faktor Klimaschutz abzudecken. In der wiederholten Ablehnung dieses
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
wichtigen Themas werden jegliche Ambitionen vorgegebene Klimaschutzziele erreichen zu
wollen, konterkariert. Um einen effizienten Klimaschutz gewährleisten zu können, ist es
daher unbedingt vonnöten, die Klimaschutzverpflichtungen Österreichs und der EU im
Rahmen sämtlicher relevanter Gesetze, wie eben auch dem UVP-G, rechtlich zu
verankern.
• Alternativenprüfung
Die Alternativenprüfung ist ein Hauptinstrument zur Minimierung von Umweltauswirkungen.
In der derzeit herrschenden UVP-Praxis spielen Alternativen allerdings de facto keine Rolle,
obwohl dies sowohl das UVP-G als auch die entsprechende EU-Richtlinie vorsehen.
Diesbezüglich besteht somit großer Nachholungsbedarf des Gesetzgebers!
• Aufwandsentschädigung für effektive Öffentlichkeitsbeteiligung
Die hohen Kosten für die Beteiligung im Rahmen von UVP-Verfahren führen dazu, dass
sich Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen aus ökonomischen Gründen kaum
und selten erfolgreich beteiligen können. Eine effektive Beteiligung und die Wahrnehmung
der Rechtsschutzmöglichkeiten sind faktisch nur dann sinnvoll, wenn technische und
rechtliche Fachgutachten im Verfahren vorgelegt werden, welche die vom Projektwerber und
den Fachgutachtern erarbeiteten Studien widerlegen. Diese finanziellen Barrieren und die
damit einhergehende Ineffektivität des Rechtsschutzes widerspricht Art. 9 Abs 4 und 5
der Aarhus Konvention. Eine entsprechende Anpassung mit finanzieller
Aufwandentschädigung für eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung ist daher rechtlich
und politisch geboten.
3. Kommentare zum konkreten Gesetzesentwurf
Nachfolgend werden die aus unserer Sicht relevanten Punkte des vorliegenden Entwurfs
kommentiert:
Punkt 1: Entfall der Einzelfallprüfung
Auch aus unserer Sicht ist diese Neuregelung zweckmäßig, sodass im Falle der
selbständigen Entscheidung einer Projektwerberin für die Durchführung einer UVP, die
Einzelfallprüfung entfallen kann.
Punkte 2, 3, 14 und 15: Rechtsmittel in Feststellungsverfahren
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Der Entwurf der UVP-G Novelle sieht in § 3 Abs. 7a2 bzw. § 24 Abs. 5a die Einführung eines
für österreichische Umweltrechtsstandards neuartigen Instruments vor. Konkret sollen
anerkannte Umweltschutzorganisationen im Falle, dass die zuständige Behörde im Zuge des
Feststellungsverfahrens entscheidet keine Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Vorhaben
durchzuführen, einen „Antrag auf Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften über die
UVP-Pflicht an den Umweltsenat“ stellen können.
Damit soll offensichtlich dem laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik
Österreich, das von der Europäischen Kommission aufgrund der fehlenden Parteistellung für
Mitglieder der Zivilgesellschaft in UVP-Feststellungsverfahren eingeleitet wurde, entgegnet
bzw. auf die Entscheidung des ACCC (Aarhus Convention Compliance Committees) bzgl.
größtenteils generell fehlender Parteistellung für Mitglieder der Zivilgesellschaft in
umweltrelevanten Verfahren (ACCC/C/2010/48)3 reagiert werden.
Grundsätzlich sei zur vorgeschlagenen Regelung angemerkt, dass Art. 11 der UVP-RL4
verlangt, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die entweder ein ausreichendes
Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem
Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage
geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben müssen, um die materielle und
verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung, für die
Bestimmungen der UVP-RL über die Öffentlichkeit gelten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH5 fällt ein Screening Verfahren, in dem über die
Anwendbarkeit des UVP Verfahrens an sich entschieden wird (wie also das UVP
Feststellungsverfahren nach dem UVP-G) in den Anwendungsbereich des Art 11 (ex Art
10a):6 Allerdings geht daraus hervor, dass Dritte, wie auch die interessierten
Verwaltungsbehörden, sich vergewissern können müssen, dass die zuständige Behörde
nach den im nationalen Recht vorgesehenen Bestimmungen geprüft hat, ob eine UVP
erforderlich ist.
2 Sämtliche §§ ohne Gesetzesbezeichnung beziehen sich auf das UVP-G 2000 idgF.
3 Vgl. dazu http://www.unece.org/env/pp/compliance/Compliancecommittee/48TableAT.html bzw.
http://www.oekobuero.at/oesterreich-bricht-aarhus-konvention-ngo-klagerecht-gefordert
4 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung von bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
5 EuGH 30.04.2009, Rs C-75/08 (Mellor) Rz 57 f.
6 Siehe auch Mauerhofer, RdU 2009, 170 (172 ff); ders, RdU 2006, 9 (12) f; Schlögl, wbl 2011, 240 (242
ff); Ennöckl/Raschauer, UVP-G, 2. Auflage (2006) § 3 Rz 42; wohl auch Berger, RdU-UT 2009, 66 (68).
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Ferner müssen die betroffenen Einzelpersonen (Anm: englisch „interested parties“), wie auch
die anderen betroffenen nationalen Behörden, in der Lage sein, die Einhaltung dieser
Prüfungspflicht, die der zuständigen Behörde obliegt, gegebenenfalls gerichtlich nachprüfen
zu lassen. Dieses Erfordernis kann, wie im Ausgangsverfahren, die Möglichkeit bedeuten,
gegen die Entscheidung, keine UVP vorzunehmen, unmittelbar vorzugehen.“
Art 11 verlangt aber wie dargelegt, dass Mitglieder der „betroffenen Öffentlichkeit“ gegen die
Entscheidung vorgehen können. Dazu zählen jedenfalls Umweltorganisationen iSd § 19 Abs
7 UVP-G. Aber auch für Nachbarn und Bürgerinitiativen, die eine Rechtsverletzung geltend
machen, verlangt das Unionsrecht also das Bestehen einer Überprüfungsmöglichkeit.7 Die
Beschränkung der Überprüfungslegitimation auf Umweltorganisationen entspricht
somit nicht dem Unionsrecht.
Nur die Einräumung einer echten Parteistellung wie im „normalen“ UVP-Verfahren bietet
NGOs die Möglichkeit sich von Beginn an im Rahmen weitgreifender partizipatorischer
Möglichkeiten einzubringen um so zu einer bestmöglichen Umweltverträglichkeit
verschiedener Projekte beizutragen bzw. die Behörde im Rahmen der Entscheidungsfindung
auch bereits im Feststellungsverfahren zu unterstützen. Eine reine ex-post Kontrolle ohne
beispielsweise der Möglichkeit selbst ein UVP-Verfahren zu beantragen ist daher nicht
ausreichend.
Auch sei an dieser Stelle die Textierung des neu einzuführenden § 3 Abs. 7 a hinterfragt, der
festlegt, dass für die Entscheidung des Umweltsenats über den Überprüfungsantrag „§ 66
AVG mit der Maßgabe“ gilt, „dass anstelle der Berufung der Antrag auf Überprüfung tritt“.
Der Umweltsenat kann daher notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens selbst
durchführen oder durch die erstinstanzliche Behörde durchführen lassen, und muss
grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden. Dies ist nicht zu beanstanden, fraglich ist
aber, was der explizite Verweis auf § 66 AVG – nämlich nur auf § 66 AVG – für das sonstige
„Überprüfungsverfahren“ nach § 3 Abs 7a UVP-G 2012 impliziert. Heißt das nun, dass – trotz
des Verweises auf das AVG in § 12 USG – die sonstigen Bestimmungen über die Berufung
nicht zur Anwendung kommen? Dies würde beispielsweise dazu führen, dass dem
Überprüfungsantrag einer Umweltorganisation keine aufschiebende Wirkung (§ 64 AVG)
zukommen würde; zumindest theoretisch könnten daher bei einer negativen
Einzelfallentscheidung bereits Genehmigungsanträge nach den Materiengesetzen gestellt
7 ZB Mauerhofer, RdU 2009, 174; ders, RdU 2006, 14.
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
werden.8 Dies entspricht weder dem Zweck des so eingeführten Überprüfungsantrags an
sich, würde für Rechtsunsicherheit sorgen und außerdem gegen das unionsrechtliche
Äquivalenzprinzip9 verstoßen: Der Rechtsschutz bei Verfahren, die durch das Unionsrecht
determiniert sind, darf nicht ungünstiger ausgestaltet sein als der Rechtsschutz bei rein
innerstaatlichen Verfahren. Die Bestimmungen über das Berufungsverfahren im AVG
sind daher in angepasster Form auf den Überprüfungsantrag jedenfalls anzuwenden;
die explizite Erwähnung des § 66 AVG ist insoweit verwirrend und führt ins Leere. Soll die
explizite Erwähnung des § 66 AVG die Anwendung anderer Bestimmungen über das
Berufungsverfahren im AVG ausschließen, so ist dies unionsrechtswidrig.
Als absolute Negativbeispiele der letzten Jahre seien an dieser Stelle der Bau der Talabfahrt
vom Pitztaler Gletscher, die Skiegebietszusammenschlüsse Mellau-Damüls in Vorarlberg
sowie Kals-Matrei in Osttirol angeführt, die ua. aufgrund fehlender Parteirechte trotz
gravierendster Umweltauswirkungen ohne die Durchführung entsprechender UVP-Verfahren
bewilligt wurden.
Sollten nicht endlich weitreichende Beteiligungsmöglichkeiten für die gesamte
österreichische Zivilgesellschaft rechtlich verankert werden, besteht jederzeit wieder die
Gefahr, dass derart umweltschädliche Projekte ohne UVP durchgeführt werden.
Wir fordern daher die gesetzliche Implementierung von vollwertigen Parteirechten für
NGOs, Nachbarn und Bürgerinitiativen im Feststellungsverfahren um so eine
möglichst frühe, umfassende Miteinbeziehung der Öffentlichkeit zu garantieren und in
weiterer Folge dadurch aus umweltrechtlicher Perspektive bestmögliche Verfahren zu
garantieren.
Weitere Ausführungen zu dieser Regelung
Der vorgeschlagene Gesetzestext enthält lediglich eine ex-post Kontrolle der
Feststellungsverfahren, jedoch nicht die Möglichkeit eine UVP zu beantragen. Außerdem
beschränkt sich das Recht auf Umweltorganisationen und schließt Nachbarn und
Bürgerinitiativen aus.
• Wir fordern eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit, da dies die
Verfahren für alle Beteiligten erleichtert und beschleunigt. Sofern eine Beteiligung
möglich ist, wird in vielen Fällen von einer Beschwerde abgesehen werden.
8 Siehe VwGH 05.08.2005, AW 2005/03/0013.
9 Siehe Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht, 4. Auflage (2011) 138.
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
• Außerdem fordern wir dieses Recht auch für Nachbarn und Bürgerinitiativen
und sehen dies als rechtlich geboten.
Die verfahrensrechtlichen Vorgaben sind kompliziert und konstruiert. Ein derart kompliziertes
Beschwerderecht gibt es im österreichischen Recht bislang nicht und es soll wohl dazu
dienen, den theoretischen Rechtsschutz in der Praxis zu vereiteln.
Gem § 3 Abs 7 muss „der wesentliche Inhalt der Entscheidungen“ in „geeigneter Form“,
jedenfalls auch „im Internet“ veröffentlicht werden. Grundsätzlich ist unklar wo „im Internet“
ist. Man schaue sich Websiten von Behörden an und suche dort nach Kundmachungen. Das
ist oft sehr kompliziert bis nicht möglich.
• Wir fordern die Kundmachung durch Edikt oder an einer zentralen Stelle für
alle Verfahren.
Der nächste Kritikpunkt ist die Tatsache, dass lediglich der wesentliche Inhalt der
Entscheidung veröffentlicht werden soll. Aus dieser kursorischen Bekanntmachung soll die
NGO dann eine Berufung machen. Das erscheint in der Realität nicht machbar und
widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Eine solche Regelung ist aus unserer Sicht
verfassungs- und unionsrechtswidrig, da ein effektiver Rechtsschutz so nicht möglich ist.
• Wir fordern daher die Veröffentlichung der gesamten Entscheidung.
Schließlich soll die NGO in der Beschwerde erläutern, welche Vorschriften des UVP-G
verletzt sind und aus welchen Gründen. Diese Abweichung vom normalen
Rechtsmittelverfahren kann das Recht in der Praxis vereiteln, da die konkreten
Bezugspunkte in der Praxis häufig erst im Laufe des Verfahrens klar werden. Noch
unmöglicher erscheint diese Vorgabe, wenn man berücksichtigt, dass nur die „wesentlichen
Entscheidungsgründe“ bekannt gemacht werden.
• Wir fordern daher die Streichung dieser Einschränkung des
Beschwerderechts.
Punkt 6:
Durch die vorgeschlagenen Änderungen in § 17 Abs. 3 soll einerseits das
Entlastungsprivileg (siehe auch Punkt 19) auf Bewilligungsverfahren von Flughäfen
ausgedehnt werden und andererseits Bestimmungen des Eisenbahn-
Enteignungsentschädigungsgesetzes bzw. § 24 f Abs. 15, der ebenfalls
Enteignungsbestimmungen zum Inhalt hat, auf ebenjene Bewilligungsverfahren von
Flughäfen, allerdings auch auf Straßenbau-, Schienenverkehrs- und Bahnhofsvorhaben
angewandt werden können.
Aus unserer Sicht ist die Intention der Einführung derartiger Bestimmungen nicht
erkennbar. Das Entlastungsprivileg sollte nicht zum Regelfall (siehe auch unten Punkt 19)
von Bewilligungsverfahren gem. UVP-G werden, da dies die unterschiedliche Behandlung
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
gleichwertiger Parteien und eine Beschneidung der Nachbarrechte bedeutet (siehe dazu
auch Punkt 19).
Auch die Erweiterung der Enteignungsbestimmungen auf zusätzliche UVP-Tatbestände
lässt sich mit Umweltschutzzielen nicht vereinbaren.
Wir lehnen die entsprechenden Änderungen daher explizit ab.
Punkte 8-12, 16:
Die in den Punkten 8-12 bzw. 16 vorgeschlagenen Änderungen des bestehenden UVP-G
erscheinen auch aus unserer Sicht zweckmässig.
Punkt 19:
Die derzeit bestehende Bestimmung in § 24 f Abs. 2 wonach Nachbarn unter bestimmten
Voraussetzungen (Entlastung eines wesentlich größeren Kreises von Nachbarn durch ein
Vorhaben, Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen, die Nachbarn entlasten sollen, etc.) bei
bestimmten Straßenbauvorhaben Einschränkungen in ihren Nachbarrechten erfahren, soll
nun auch auf andere Verkehrsprojekte ausgeweitet werden.
Bisher beschränkte sich dieses sogenannte Entlastungsprivileg auf Straßenbauvorhaben
gem. § 23 a und Anhang 1 Z 9 (Bundes- und Schnellstraßen bzw. Straßen ab 10 km Länge)
und soll nun auf sämtliche Verkehrsvorhaben angewandt werden können.
Konkret gilt in diesen Fällen die Genehmigungsvoraussetzung des § 24 f Abs. 1 lit c als
erfüllt und demnach können Nachbarn ebenjene unzumutbaren Belästigungen durch ein
Projekt nicht (!) einwenden.
Diese Regelung schafft keinen äquivalenten Ausgleich zu Beeinträchtigungen, die Nachbarn
von derartigen Verkehrsprojekten im Zuge des Baus bzw. des Betriebs in Kauf nehmen
müssen. Vielmehr schafft dies eine Privilegierung von Teilen der Bevölkerung, die auf
Kosten anderer von Ausgleichsmaßnahmen profitieren. Die Ausweitung der bestehenden
Bestimmung ist auch verfassungsrechtlich bedenklich.
Die geplanten Änderungen in § 24 f Abs. 2 stellen aus unserer Sicht eine wesentliche
Verschlechterung der Stellung von Nachbarn in Bewilligungsverfahren von
Verkehrsprojekten dar und wir fordern die Streichung dieser Änderung.
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Punkt 23:
Die aus unserer Sicht relevanten Änderungen in § 24 g finden sich im geänderten Abs. 3.
Demnach gelten die Bestimmungen des § 24 f Abs. 1 in Bezug auf Nachbarrechte auch als
eingehalten, wenn Nachbarn nachweislich den Änderungen des jeweiligen Vorhabens
zugestimmt haben. Als Nachweis über das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von der
Projektwerberin lediglich die Bestätigung eines Ziviltechnikers bzw. Ingenieurbüros
einzuholen.
Diese Neuregelung ist aus unserer Sicht sehr bedenklich, da dadurch Situationen
entstehen können, in denen betroffene Nachbarn ohne die teilweise notwendige
Unterstützung der Behörde in Bezug auf verfahrensrelevante Informationen von
Projektwerberinnen zu ihren Ungunsten beeinflusst werden können.
Wir fordern daher die Streichung der Bestimmung.
Punkt 24:
Die geplante Änderung in Bezug auf § 46 ist aus unserer Sicht besonders bedenklich. Die
Aufnahme eines Ausnahmetatbestandes für Projekte, die erstmals unter den
Anwendungsbereich des UVP-G fallen, allerdings bereits ein diesbezügliches
Genehmigungsverfahren nach anderen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen durchlaufen,
öffnet Tür und Tor um die Bestimmungen des UVP-G zu umgehen.
Sollte beispielsweise noch vor Erlass der vorliegenden Änderungen des UVP-G ein
Bewilligungsverfahren nach MinRoG bzgl. eines Schiefergasabbaus im Weinviertel beantragt
werden, könnte der noch zu beschließende neue UVP-Tatbestand gem. Z 28, 29 nicht
angewandt werden, was die im Vorfeld der UVP-G Novelle herrschende Diskussion bzgl.
möglicher Schiefergasförderung ad absurdum führen würde. Umfassende Umweltrisiken, die
mit dieser Abbaumethode einhergehen, sollen durch die Anwendung des UVP-G abgeklärt
und in weiterer Folge ein möglichst „umweltschonender“ Abbau ermöglicht werden, was
durch eine mögliche Nichtanwendbarkeit aufgrund von § 46 ausgeschlossen wird.
Es ist aus unserer Sicht absolut unverständlich warum ein derartiger Umgehungspassus in
ein neues UVP-G eingeführt werden soll.
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Wir fordern daher die geplanten Änderungen in § 46 zu unterlassen um transparente
Anwendungsbereiche einer UVP-G Novelle zu gewährleisten und Umgehungen von UVPs
durch die vorzeitige Einreichung von zukünftig UVP-pflichtigen Projekten zu unterbinden.
Punkte 30-33:
Prinzipiell erachten wir die sogenannte Fracking-Methode um Schiefergas oder andere
fossile Rohstoffe zu fördern als schwer kalkulierbares Risiko. Es ist im Vorfeld der
Bohrungen nicht konkret einschätzbar welche geologischen Bedingungen in Projektgebiet
angetroffen werden. Insbesondere das Risiko von Grundwasserkontaminationen, Unfälle bei
Bohrungen, kleine Erdbeben aufgrund des Vorstoßes in labile Gesteinsschichten, etc.
können nicht ausgeschlossen werden und daher wird diese Methode der Rohstoffförderung
von uns abgelehnt. Wir halten ein generelles Verbot der Fracking-Methode in Österreich
für zweckmäßig!
Nichtsdestotrotz wird im vorliegenden Entwurf ein neuer UVP-Tatbestand bzgl. ebenjener
Fördermethode eingeführt, der nicht unkommentiert bleiben soll.
Positiv erwähnenswert ist insb. die Tatsache, dass Fracking in die Spalte 1 des Anhangs 1
aufgenommen werden soll und damit eine verpflichtende UVP durchgeführt werden muss.
Auch die Erfassung von Probebohrungen als UVP-Tatbestand ist aus unserer Sicht
zweckmässig um den mit dieser Fördermethode einhergehenden Risiken gerecht zu
werden.
Trotzdem muss festgestellt werden, dass diese in Österreich neuartige Methode noch
zusätzlicher Vorsichtsmaßnahmen im Rahmen einer möglichen UVP-G-Novelle bedürfte um
dessen weitreichendes Risikospektrum möglichst einzudämmen. Insbesondere die
Einführung spezieller Prüfkriterien wie beispielsweise Bewertungen von langfristigen Risiken,
spezielle geologische Gutachten, Untersuchungen von Rückflüssen auf Chemikalien und im
Boden gelöster Substanzen nach durchgeführten Bohrungen, Abschätzungen der
voraussichtlichen Vorkommen und darauf basierender Gegenüberstellung mit Risiken sowie
eine verpflichtende Alternativenprüfung zur Schiefergasförderung im jeweiligen Projektgebiet
sollten aufgrund der unkalkulierbaren Umweltauswirkungen in die UVP-G-Novelle Eingang
finden. Auch die Durchführung von Monitoringverfahren während des bereits laufenden
Betriebs erachten wir als sinnvoll, um jedwede Umweltbeeinträchtigungen schnellstmöglich
erfassen und hintanhalten zu können.
Stellungnahme zur geplanten UVP-G-Novelle 2012
Zu den mit gegenständlicher Novelle einhergehenden Änderungen von Schwellenwerten sei
an dieser Stelle folgendes erwähnt:
Wie auch oben schon unter 2. angeführt, stellen sich die im österreichischen UVP-G
festgeschriebenen Schwellenwerte als viel zu hoch dar um effektiv negative
Umweltauswirkungen hintanhalten zu können.
Im gesamten Raum der Europäischen Union gibt es kaum Staaten, in denen weniger UVPVerfahren
durchgeführt werden als in Österreich. Auch Staaten, die deutlich kleiner sind
als Österreich führen gleich viele bis teilweise mehr UVP-Verfahren pro Jahr durch.
In einer effektiven UVP-G-Novelle müssten Schwellenwerte drastisch gesenkt werden.
Folgende Beispiel untermauern diese Notwendigkeit:
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