Sonderbeitrag: Sisterresist Rede vom 1. Mai 2012
Viele feiern heute den internationalen Tag der Arbeit, viele sind heute hier um gegen die bestehende Verteilung von Arbeit und Reichtum und Arbeit und Muße anzukämpfen. Für viele von uns, zumindest für uns Frauen wohnt diesem Tag ein mehrfacher Zynismus inne.
Nicht nur trifft die kapitalistische Realität die meisten von uns Frauen als Lohnabhängige, es trifft uns dann auch als Arbeitnehmerinnen zweiter Klasse.
Arbeitnehmerinnen, die sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, privat und in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Arbeitnehmerinnen die bei
geringeren Aufstiegschancen noch schlechter bezahlt sind und eine höhere Mehrfachbelastung haben.
Wir fairdienen mehr!
Wir verdienen die Anerkennung unserer Arbeit als gleichwertig. Wir verdienen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
Das bedeutet keine Diskriminierungen bei Einstellungen, Aufstieg oder Gehalt. Das heißt aber auch eine Arbeitsbewertung die keine Minder- oder Nichtbewertung der von Frauen verrichteten Arbeit vornimmt. Denn auffällig ist, dass jene Berufe in denen Frauen überdurchschnittlich vertreten sind, schlechter bezahlt sind, als klassische Männerberufe. Wir glauben nicht an eine natürliche Nähe zu bestimmten Berufen, sondern kämpfen gegen gesellschaftliche Realitäten und für ein besseres
Leben. Wir kämpfen für volle Anerkennung der Prokreation und Reproduktion des Lebens als wesentliche gesellschaftliche Erfordernisse und die Verteilung der dafür notwendigen Arbeiten. Wir kämpfen gegen geschlechtsspezifische Zuschreibungen und ihre Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeiten von uns allen.
In diesem Zusammenhang engagieren wir uns für die Anerkennung von Carearbeit als schwer, schwierig und belastend und für eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen in diesem Bereich.
Denn hier sind Frauen beschäftigt und hier werden Frauen vom Staat beschäftigt.
Hier öffnet der patriarchale Staat die Lohnschere, die von seinen Vertreter_innen in Sonntagsreden angeprangert wird. Wir kämpfen gegen diese Doppelmoral, gegen diese Verarsche!
Wir kämpfen für die Freiheit von Sexismus und einem patriarchalen Staatskorsett.
Feministische Denkerinnen haben federführend an einer Ausweitung der Definition von Arbeit, wie sie heute in aller Munde ist, mitgewirkt. Präkarisierung und Lohn für Hausarbeit sind Schlagworte in den feministischen Debatten um die schöne neue Arbeitswelt. Der Druck einer neokapitalistischen Gesellschaft trifft Frauen doppelt.
Wo der Staat sich aus der Verantwortung zieht springt frau ein. Gratis – während sie es als Arbeitnehmerin im marktförmigen/kommodifizierten Reproduktionsbereich dem Staat noch unterbezahlt machte. Wir wollen die Scheißarbeit weder unterbezahlt, noch unbezahlt machen. Wir wollen, dass alle mitmachen!
Wir verdienen mehr! Wir verdienen volle Partizipation und Teilhabe am Projekt Gesellschaft. Wir kämpfen für alle Möglichkeiten zur vollen Entfaltung unserer Potentiale. Wir wollen kollektiv an der Gestaltung der Welt arbeiten. Wir kämpfen vor allem für die Freiheit aller zu handeln und zu gestalten um sich selbst zu befreien.
Diesen Kampf kämpfen auch die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich hier und jetzt. Dieser Kampf ist unser Kampf.
Dieser Kampf ist unser Kampf!
Denn in diesem Land, in dem immer Geld vorhanden ist, wenn es darum geht Banken und Konzerne zu stärken, ist es seit Jahren beständiges Ziel bei den sozialen Dienstleistungen möglichst zu sparen. Denn Pflege- und Betreuungsarbeit, Beratung und Förderung von Menschen soll möglichst wenig kosten.
Nun – gar nicht so leicht das zu erreichen. Schließlich sind die meisten dieser Aufgaben gesetzlich festgeschrieben. Aber unser Land, das bekanntlich so gut für uns sorgt, hat sich etwas überlegt und all diese Arbeiten outgesourct – also privatisiert und dann werden die Leistungen vom Land Salzburg wieder zurückgekauft. Wenn Kosten gespart werden sollen, ist das eine tolle Sache. Zumindest solange sich die Menschen nicht organisieren.
Aber genau das ist geschehen und es gibt einen österreichweiten Kollektivvertrag – sehr zum Ärger derer, die lieber den Residenzplatz pflastern wollen, gerne olympische Spiele veranstaltet hätten, selbst gerne möglichst kostengünstig wohnen möchten, aber Frauenhäuser für überflüssig erachten.
Man könnte glauben (frau glaubt´s eh schon lang nicht mehr), dass es ein politisches Interesse geben könnte, dass in einem Bereich, in dem in Salzburg über 2800 Menschen arbeiten und davon etwa 2000 Frauen – also über 70% der Beschäftigten Frauen sind – faire Löhne gezahlt würden.
Doch während in vielen Branchen eine Überbezahlung der Kollektivverträge von bis zu 20% Alltag ist, wird im Sozialen Bereich der Kollektivvertrag von den öffentlichen Auftraggebern nicht im Mindesten respektiert! Land, Städt- und Gemeindebund befinden, dass sie der Kollektivvertrag überhaupt nichts angeht und bezahlen ihn nicht. Und dies, obwohl sie die einzigen Auftraggeber sind und alle Standards vorgeben. Argumentiert wird dies so, dass sie beim Kollektivvertrag nicht am Verhandlungstisch sitzen. Nun – wenn ich ein Kilo Brot kaufe, sitze ich auch nicht am Verhandlungstisch und wenn das Land einen Bauunternehmer beauftragt, kann es ebenso wenig am Verhandlungstisch der Bauarbeiterkollektivverträge sitzen. Aber im Sozialbereich wird davon ausgegangen, dass die Beschäftigten schon Verständnis haben werden. Ständiges Feilschen um die Bezahlung von Überstunden, zu niedriges Einstufen in falsche Verwendungsgruppen und falsche Anrechnungen von Vordienstzeiten sind nur ein Ausschnitt aus den Folgen der Kostenknappheit. Besonders spaßig sind Drohungen, dass ältere und somit „teurere“ Arbeitnehmerinnen gekündigt werden müssten, wenn nicht auf dieses oder jenes „freiwillig“ verzichtet wird. Und wird kurz nicht hingeschaut, kommt es zu Schließungen von Einrichtungen. So geschehen mit der Substitutionsstelle für Opiatabhängige. So wird mit den Einsparungen bei denjenigen begonnen, die am wenigsten Unterstützung in der Gesellschaft haben.
Und nun kommen wir zur Schnittstelle zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Denn dort, wo bezahlte Arbeit eingespart wird, wo Pflege und Betreuung nicht mehr professionell geleistet wird, dort trifft es wiederrum fast immer Frauen, die einspringen und nicht selten auf Kosten ihrer psychischen und physischen Gesundheit diese Arbeiten unbezahlt leisten und die Sorge um ihre Angehörigen übernehmen. Je mehr wir diese Entsolidarisierung der Gesellschaft akzeptieren, je weniger Proteste es dagegen gibt, desto schneller, desto frecher werden uns soziale Errungenschaften demontiert.
Doch den Betriebsrätinnen und Beschäftigten der Sozialen Dienstleistungen reicht es! Deshalb haben wir vor etwa 1 ½ Jahren die Plattform „wir fairdienen mehr“ gegründet. Wir fordern, dass unser Kollektivvertrag von Stadt und Land endlich in vollem Umfang finanziert wird! Wir fordern einen Stop bei den Einsparungen im Sozialbereich! Diese Einsparungen betreffen nicht nur die Beschäftigten. Sie betreffen uns alle – und insbesondere diejenigen, die sich keine teuren Privatkliniken leisten können! Wir werden für unsere Rechte kämpfen! Beteiligt euch, denn Arbeitskämpfe sind nur solidarisch zu gewinnen!
Hoch der 1.Mai!
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