Sommerfest der Perlentaucher (Perlentaucher CXLI)
Der Hase ist immer und überall. Und so findet heuer das Sommerfest der SAG gleichzeitig mit unserem Sommerfest der Perlentaucher statt. Welch vielfache Verschränkung. Während im Literaturhaus Livelesung und Performance in eine rauschende Nacht übergehen, erklingt ringsumher unsere Musik- und Gedankenkunst aus erlesenen Empfängern. Und es ist ein Motiv, das uns verbindet: Das Perlentauchen. Das Suchen, Finden und anschließende Zusammenstellen von besonderen Eindrücken, Erkenntnissen und Ideen, die wir aus den Abgründen des Allumverschlingenden ans Tageslicht empor befördern und sodann zu geschmeidigen Erkenntnisketten für die Mit- und Nachwelt aufbereiten. So funktioniert das Menschenhirn – immer auf der Suche…
Dieses Bild erzählt eine Geschichte. Es vermittelt eine Einsicht, die noch “früher” in uns ankommt als Gedanken sprachlich gefasst werden könnten. Der Eindruck ist schneller als sein Ausdruck. Hier haben wir also eine “Perle” vor uns, eine rohe Urform von etwas, das zur Kostbarkeit werden kann, sobald wir es auswählen, aufbewahren und in einen neuen, für uns sinnvollen Zusammenhang verbearbeiten. Als Beispiel tauchen in unserer Playlist diesmal besonders viele Coverversionen auf – also Songperlen, die entdeckt und neu interpretiert wurden und die uns so auch zu ganz neuen Eindrücken führen. Die hier abgebildete Hasenskulptur stammt von der Haseninsel zu St. Petersburg. Doch Russland ist nicht gleich Putinien! Und Hasen haben dort noch ganz andere Bedeutungen als in unserem Kultursumpf. Wie etwa der Bericht “Puschkins Hase” veranschaulicht, in dem Aberglaube, Widerstand und Literatur zur Errichtung eines Hasendenkmals zusammen finden: “Dabei sollte man die Losung ausgeben, dass es nützlich wäre, allerorts Hasen zu züchten. Damit sie überall rumrennen, sagen wir, im Kreml, und zum Beispiel Putin oder überhaupt den Großen und Kleinen dieser Welt oft über den Weg laufen und sie davon abhalten, unbedachte Entscheidungen zu treffen.”
Wir lieben Hasen und identfizieren uns gern mit all dem, was sie für uns verkörpern. So nennen wir einander auch oft vieldeutig “Hase” – und das bedeutet weit mehr als ein “handelsüblicher Kosename”. Wir feiern das Hasentum, das Perlentauchen sowie die Geschichten, die sich uns erzählen, auf dass unser Stück Welt so lebenswert sei wie eine Insel voller Hasen. Und herrschaftsfrei! Dazu hören wir in der Sendung Kirchenkritik von Konstantin Wecker, Kulturhistorie von Martin Blumenau, Kriegswiderstand von Ilya Kaminsky sowie Kunstmundart von Christopher Schmall und dem Kommando Welpentier. “Wir sind ein geiles Institut”. Das ist unsere Interpretation von “Freies Radio”, das wir als eine jetzt schon vorausexistierende Möglichkeitsform des selbstbestimmten Seinsausdrucks sehen, die zukünftigen Entwicklungen als Beispiel dient.
Nun ist bekanntlich jedes Fest nur so interessant wie seine Gäst*innen und so wollen wir zu guter Letzt noch die beiden Feierlichkeiten miteinander zur Verschmelzung bringen. Und zwar, indem wir leib und haftig On Air den Obmann der SAG zu Wort und Gehör kommen lassen sowie seinen unentbehrlichen Mithasen Christoph bei uns willkommen heißen. Schon sind wir eine Runde und – belebt, beseelt, betrunken – spüren auf einmal, was sich spontan erzählt. Hier sind nämlich noch echte Menschen am Mundwerk mit echten Gefühlen und echten Zuständen und das hört man auch. Nicht ausgedachte Rollenaufsager, die sich immer weniger von einander unterscheiden, bis sie schließlich zu einem letzten semantischen Gatsch (Gunkl) zusammen rinnen, zu einem weltumspannenden Herrschaftsmulm immerblöder Sichwiederholung bis ins Nurnochnichts…
Wir feiern das lebendige Leben
in all seiner schillernden Vielfalt.