Schulradio: Ausrufung der 1. Republik

22.11.2018

Wir, die 3BH der HLW Kirchdorf, möchten hiermit unsere selbstgestaltete Radiosendung zum Thema „Ausrufung der 1. Republik“ mit einem Interview der Professorin Dr. Birgit Kirchmayr, welche an der JKU Linz unterrichtet, präsentieren.

Am 12. November kam sie zu uns und wir durften sie interviewen, außerdem hielt sie einen sehr interessanten Vortrag. Danach gaben wir unser Bestes eine gute und interessante Radiosendung zu gestalten. Wir schrieben Moderationen, schnitten das Interview zusammen und suchten nach geeigneten Musikstücken.

Hinter so einer Radiosendung steckt also eine ganze Menge Arbeit. Somit würden wir uns über zahlreiche Zuhörer/innen freuen.

 

Hier gibt es das Transkript der Sendung:

Radiosendung der 3b HLW im Radio B 138

Schriftliche Fassung des Interviews mit Assoz.Univ.-Professorin Dr.in Birgit Kirchmayr, JKU Linz

und ihres Vortrags in der Aula des BSZ

BBS Kirchdorf an der Krems, Klasse: 3.b HLW

Unterrichtsgegenstand: Deutsch

Datum: Mo., 12.11.2018

Uhrzeit: 10:08 bis 11:18 Uhr (Interview) und 12:00 bis 12:45 Uhr (Vortrag)

 

Anmerkung: Ab und zu wurden zum besseren Verständnis Ergänzungen in eckigen Klammern […] dazugeschrieben.

 

Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen, liebe Hörer!

 

Mein Name ist Anna Fuchs – ich freue mich, Sie heute im Radio B 138 begrüßen zu dürfen. Wir, die Schülerinnen und der Schüler der 3b HLW Kirchdorf an der Krems, haben uns im Deutsch- und Geschichte-Unterricht mit der Gründung der Republik Österreich beschäftigt. Schon seit dem Schulanfang recherchierten wir zu diesem Thema und wir luden auch Frau Universitätsprofessorin Doktorin Birgit Kirchmayr zu einem Interview in unserer Klasse ein. Sie forscht und unterrichtet in Linz, an der Johannes-Kepler-Uni, zum Thema Zeitgeschichte.

Im ersten Beitrag geht es – nach ein paar persönlichen Fragen – auch gleich um die zeitgeschichtlichen Ereignisse im Oktober und November 1918. Außerdem interessierten uns natürlich die Frauenrechte in dieser Zeit, da ja Frauen in Österreich im Jahr 1918 das Wahlrecht erhielten. Der lange Kampf um die Gleichberechtigung von uns Frauen ist also der Schwerpunkt im ersten Beitrag: …

 

Woher kommen Sie und wo sind Sie in die Schule gegangen?

Ha, das ist gut! Aus Kremsmünster – und in die Schule gegangen gar nicht weit von hier, in Schlierbach.
Das heißt, ich kenne Kirchdorf auch ganz gut. Aber es ist schon lang, lang aus.

War Geschichte auch in der Schule schon Ihr Lieblingsfach? Gab es noch andere Lieblingsfächer?

Nein, Geschichte war nicht mein Lieblingsfach aber ein Fach, das ich schon recht gern gehabt habe.

Ja, das muss ich schon sagen. Ja, es hat mich schon interessiert, aber irgendwie habe ich mir dann nicht gedacht, dass ich Geschichte studieren könnte und habe dann eigentlich im 1. Semester etwas anderes studiert, und dann erst im 2. Semester habe ich mir gedacht: „Nein, warum eigentlich nicht? Ich mach’s einfach, ich studiere Geschichte!“ Und es war die richtige Wahl!

Warum haben Sie Geschichte studiert?

Hmm.. Ja, wie man sieht, hat es eh ein bisserl gedauert, bis ich mich dazu entschlossen habe, aber

wahrscheinlich dann doch rein aus Interesse und aus Lust, da mehr reinschnuppern zu können. Der Geschichtsunterricht in der Schule ist zwar gut und informativ, da kriegt man von allem einmal so ein bisschen einen Überblick und kriegt was mit, aber beim Studium kann man halt dann doch irgendwie sehr viel tiefer hineingehen und sich die Sachen noch genauer anschauen.

 

Was haben Sie neben Geschichte noch studiert?

Slawistik mit Hauptfach Russisch – Lehramt (lacht).

Seit wann interessieren Sie sich für Zeitgeschichte?

Naja, prinzipiell, glaube ich, schon immer. Also ich glaube auch als… auch schon in der Schule. Was, glaube ich, prägend war, ich war in der Schule in den (19)80ern im Gymnasium und da war 1988 auch so ein Gedenkjahr wie heuer ein großes – „50 Jahre Anschluss Österreichs 1938“, und wir haben da irgendwie sehr viel zu dem Thema gemacht in der Schule, und es hat mich sicher schon damals sehr interessiert.

 

Wie sind Sie Professorin an der Johannes-Kepler-Uni geworden? Haben Sie je während Ihres Studiums schon geahnt, dass Sie Professorin werden würden?

Nein… nein! Universität war eigentlich überhaupt nicht auf dem Plan, ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich während des Studiums mir

sehr wenig ganz genau überlegt habe, was ich damit machen werde. Ich habe Lehramt und Diplom studiert, das heißt, eigentlich war schon irgendwie die Überlegung in die Schule zu gehen und Lehrerin zu werden und ich habe dann auch nach dem Studium das Unterrichtspraktikum gemacht in Wels und dann aber keine Stelle gekriegt. Mit Geschichte und Russisch – (lacht) – haben die nur gesagt: „Ja, nett! Probieren Sie es nächstes Jahr noch einmal!“

Und dann war eine Stelle an der Uni ausgeschrieben als Assistentin und die habe ich dann übernommen

und dann ging dieser Weg halt so weiter. Das ist aber gar nicht so leicht an der Uni, da gibt’s fast nur noch befristete Stellen und man muss sich da ziemlich durchkämpfen und auch ein bisschen ein Glück haben, dass zur richtigen Zeit es eine Möglichkeit gibt.

Seit wann unterrichten Sie an der Johannes-Kepler-Uni?

Unterrichten… seit 2005, also seit auch schon einem Zeiterl.

Wie wurde das Frauenwahlrecht in Österreich durchgesetzt?

Puh, das ist eine große Frage! Da kann man jetzt weit ausholen oder ein bisserl kürzer… Also, der Kampf ums Frauenwahlrecht hat in Österreich, so wie auch in anderen Ländern, schon im 19. Jahrhundert eigentlich angefangen. Da waren verschiedene Gruppierungen, die sich sehr intensiv dafür eingesetzt haben, die allerdings auch oft nicht so gut miteinander „gekonnt“ haben, die waren oft einfach auch politisch verschieden orientiert und haben dann auch nicht so sehr zusammen gekämpft. Und dann ist es so richtig akut geworden, als man auch um das allgemeine Wahlrecht überhaupt gekämpft hat Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihr müsst ja bedenken, es hat ja nicht immer schon und ewig ein Wahlrecht auch für Männer gegeben, sondern auch DAS ist erkämpft worden, erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, und erst 1907 in Österreich eingeführt worden; dass es ein allgemeines Männerwahlrecht gibt, das nicht abhängig war von Stand und Herkunft und Steuerleistung und was weiß ich was. Und wie das eingeführt worden ist, in den Jahren vorher, war der Kampf ums Frauenwahlrecht dann auch sehr heftig. Also, es war so, jetzt hat man gesehen: eine Chance, jetzt kann das Wahlrecht kommen, dann aber bitte für Männer UND Frauen! Und dann ist aber vor allem die Sozialdemokratische Partei, die vorher sehr stark darum gekämpft hat, auch die Frauen aus der Sozialdemokratischen Partei, die haben dann gesagt: „Naja, Moment, aber womöglich gefährden wir da jetzt das Ziel des allgemeinen Wahlrechts! Da stellen wir das jetzt lieber ein bisserl zurück und sagen: Nein, zuerst einmal das Männerwahlrecht, und dann kämpfen wir weiter und machen als nächsten Schritt das Frauenwahlrecht!“ Jetzt haben sie quasi diese Forderung zurückgezogen und 1907 ist dann nur das Männerwahlrecht eingeführt worden, und dann ist es aber noch einmal so richtig verstärkt wieder losgegangen. Und gut… dann war der Krieg, der das wieder ein bisschen zurückgenommen hat, aber dann eben, sofort nach dem 1. Weltkrieg, mit der Einführung der Republik, war dann eigentlich klar, dass das Frauenwahlrecht eingeführt wird.

Wie kann die Situation der Frau heute verbessert werden in Österreich, nachdem das Frauenwahlrecht seit fast 100 Jahren besteht und daran vermutlich kaum gerüttelt wird?

Puh! Ihr habt schwere Fragen! (Allgemeines Gelächter)… Naja, das Wahlrecht ist einmal eine ganz wichtige Grundlage überhaupt, dass man mitbestimmen kann in einer Gesellschaft. Ja, und natürlich ist das wichtig gewesen dass Frauen das erlangen, weil es ist ja nicht nur das aktive Wahlrecht, also dass man wählen darf, sondern auch das passive Wahlrecht, dass man gewählt werden darf, das heißt, auch Frauen sind jetzt als Politikerinnen ins Parlament eingezogen und haben politische Positionen bezogen und haben dort eben auch – nicht nur, aber eben auch – für sogenannte Frauenthemen, die ja oft mehr sind als Frauenthemen, einfach gekämpft. Also gerade diese ersten Nationalratsabgeordneten der 1. Republik, die haben sich stark gemacht für verschiedenste Themen aus dem Eherecht, oder: ein ganz ein schwieriges, heikles Thema in dieser Zeit war die Frage vom Schwangerschaftsabbruch. Also, alle diese Themen sind dann einfach viel stärker diskutiert worden, weil halt einfach auch Frauen auf der politischen Bühne waren. Das ist einmal grundsätzlich. Aber dann hat man halt schon gesehen – jetzt ist das Frauenwahlrecht seit 100 Jahren und es ist halt sehr langsam, dass sich wirklich was bewegt, also gerade auf der politischen Ebene ist es zum Beispiel so, dass erst in den (19)70er-Jahren wieder so viele Frauen vom Prozentsatz her im Nationalrat waren, wie es in der 1. Republik schon war. Das waren so bei 7% herum, das hat man in der 1. Republik schon gehabt und dann erst wieder Mitte der (19)70er!
Und jetzt ist es auch… also, das ist immer noch lange nicht halb-halb, 50%. Also, das heißt, es dauert relativ lang! Und das eine ist das Politische und das andere sind halt schon so gesellschaftliche Vorstellungen oder Normen oder halt Traditionen, wie man halt glaubt, dass Frauen und Männer sind und welche Rollen die in der Gesellschaft haben. Ja, da muss man überall ansetzen!

Wie wurden in Österreich die Frauenrechte erkämpft?

Ich muss sagen, schon hauptsächlich von den Frauen selbst! Also, die Themen, dass Frauen verbesserte Bedingungen gehabt haben, politisch, aber auch arbeitsrechtlich, das haben in den Parteien eigentlich erst so… ist das erst aufgenommen worden, wie Frauen selbst eigentlich da dabei waren und darum gekämpft haben. Das Schwierige war, dass Frauen zum Beispiel im 19. Jahrhundert sich nicht in politischen Vereinen organisieren haben dürfen. Also, es war verboten für Frauen, politische Vereine zu organisieren oder politischen Vereinen beizutreten. Das heißt, es war irrsinnig schwierig! Wie will man denn quasi für politische Recht kämpfen, wenn man sich offiziell gar nicht organisieren darf! Jetzt haben sie halt manchmal Vereine gegründet, die unpolitisch gewirkt haben, aber in Wirklichkeit haben sie halt doch politische Arbeit gemacht. Und so hat man halt versucht, für diese Rechte zu kämpfen, und da gab’s VIEL zu kämpfen! Gerade die Arbeitsrechte – also, es hat früher so etwas wie Mutterschutz nicht gegeben oder Karenzmöglichkeiten, wenn Frauen gearbeitet haben und Kinder gekriegt haben, da hat man einfach selbst irgendwie organisieren müssen.

Welche Frauen haben sich in Österreich besonders eifrig für die Frauenrechte und insbesondere das Frauenwahlrecht eingesetzt?

Es gibt einige Frauen, die bekannt sind dafür, dass sie eben so Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht waren, so Pionierinnen quasi, da würde ich einmal nennen zum Beispiel die Therese Schlesinger und die Adelheid Popp. Die Adelheid Popp war eine Arbeiterin, also eine Fabriksarbeiterin, die eigentlich überhaupt keine Bildungsmöglichkeit gehabt hat. Die war nur wenige Jahre in der Schule und hat dann quasi sofort, wie sehr viele Kinder Ende des 19. Jahrhunderts nicht die Möglichkeit gehabt, ausgiebig in die Schule zu gehen, sondern sofort in [der] Fabrik arbeiten [zu müssen]. Und das hat damals noch geheißen, zum Teil 12 Stunden und zum Teil mit ganz wenig Freizeit und trotzdem sehr geringem Lohn – also, gerade die Kinder haben natürlich ganz, ganz wenig verdient, auch die Frauen haben wesentlich weniger verdient als die Männer.

Und die Adelheid Popp, die hat zum Beispiel in ihrer Autobiographie, also in ihrer Lebensbeschreibung, über sich selbst, und da hat sie geschrieben: Ihr größter, größter Wunsch als Kind und Jugendliche war, dass sie EIN MAL so lang schlafen kann, bis dass sie selbst munter wird, ohne geweckt zu werden, um in die Arbeit gehen zu müssen. Und diese Frau hat sich trotzdem, obwohl sie sozusagen so wenig Schulbildung mitgekriegt hat und sich so schwer durchkämpfen hat müssen, die hat das geschafft, dass sie sich dann auch so ein bisschen hochgearbeitet hat und sich dann in der Sozialdemokratischen Partei engagiert hat und dort dann auch als Rednerin aufgetreten ist. Man muss sich vorstellen – das ist schwierig für wen, der jetzt nicht das Gefühl hat: „Ich bin so … Ich kann so toll reden oder ich bin so gebildet und blamiere mich da nicht!“ oder so, sondern das war jemand, für die das sicher sehr schwierig gewesen ist, dass sie sich nach vorn gestellt hat und eine Rede gehalten hat, wo sie eben über ihre Situation geredet hat, über das, wie das ist für Frauen in der Fabrik, was man da alles verbessern müsste, warum es so wichtig ist, dass Frauen eben auch wählen können und sich politisch dann eben auch Gehör verschaffen können. Die, das war eine der ganz großen Kämpferinnen fürs Frauenwahlrecht! Und die ist dann auch nach 1918 in den Nationalrat gewählt worden und war dann auch Parlamentsabgeordnete.

Warum sind viele Dinge und Rechte für Männer auch heute noch so selbstverständlich, die sich Frauen erst mühsam erkämpfen müssen?

Ich glaube, da gilt’s zu unterscheiden einerseits die Rechte, die sich Frauen erkämpfen haben müssen im politischen Bereich. Die sind quasi jünger, also, Männer können halt schon länger wählen. Aber das hängt großteils schon eher mit so traditionellen Geschlechtervorstellungen zusammen, wo halt immer eher der Mann im öffentlichen Bereich war und die Frau eher im privaten. Und das irgendwie zu verändern ist offenbar ein relativ langsamer Prozess… der auch nicht nur nach vorn geht!!! Ich glaub, dass man auch sehen muss, dass zum Teil es auch wieder Rückschläge geben kann! Es muss für Frauen klar sein, wie überhaupt für ALLE, in Bezug auf die Demokratie: erkämpfte Rechte sind nicht garantiert für immer! Die müssen eigentlich immer lebendig und aktiv gehalten werden!

 

Was kann Ihrer Meinung nach zur Verbesserung der Gleichberechtigung getan werden?

Ganz wichtig ist es, dass es die Rahmenbedingungen dafür gibt. Also, dass es natürlich eine rechtliche Gleichstellung gibt und dass es gute Möglichkeiten gibt, dass man Familienbetreuung und öffentliches Arbeiten oder Tätigsein, auch politisches Tätigsein, verbinden kann. Das ist einmal ganz wichtig! So lange es immer noch Sachen gibt, dass, speziell auf dem Land, es ganz schwierig ist, Kinder auch am Tag gut betreut zu wissen, nicht nur sie irgendwo abzustellen, sondern sie in eine Situation zu geben, wo man sagt, das ist wirklich optimal, auch fürs Kind, das ist immer noch sehr schwierig! Also, das muss einmal alles geschaffen sein. Und dann, ja dann, dann muss es auch gelebt und getan werden! Und wichtig wäre halt vor allem auch, dass auch Jugendliche so aufwachsen, dass Mädchen nicht nachdenken müssen, ob sie irgendwas AUCH tun können oder tun dürfen, was vielleicht Männer tun dürfen, sondern dass das ganz normal ist. Am besten wär’s, wir hätten das gar nicht mehr in den Köpfen!

Wenn Sie an der Regierung wären, was würden Sie sofort auf dem Gebiet der Gleichberechtigung verbessern?

Auf dem Gebiet der Gleichberechtigung… Ich glaube, dass es wichtig ist, ein starkes Ministerium dafür zu haben. Es ist ja erst 1990 ein Frauenministerium in Österreich geschaffen worden, das ist zum Teil dann wieder weggekommen oder nur als Teil im Bundeskanzleramt [angesiedelt gewesen]. Ich glaube, es ist wichtig, dass es ein Ministerium gibt, das sich mit Gleichstellungsfragen beschäftigt, das muss nicht unbedingt „Frauenministerium“ heißen, sondern vielleicht wirklich „[Ministerium für] Gleichstellungsangelegenheiten“ oder was auch immer, vielleicht auch nicht nur für Geschlechter, sondern Gleichstellung verschiedenster Gruppierungen, dass wirklich da der Focus drauf ist und dass man da wirklich politisch sehr intensiv daran arbeitet und dass es nicht Maßnahmen gibt, die das Ganze wieder rückgängig machen oder schlechter machen – dass man zum Beispiel über Steuerleistungen oder Sozialzahlungen z.B. es fördert, wenn Frauen daheimbleiben, und dafür gibt’s dann irgend einen Bonus oder so, also das macht sicher alles eher wieder rückgängig.

Moderation Teil 2

 

Nach dem Song „Run the World (Girls)“ von Beyoncé sage ich:

Herzlich willkommen zurück, liebe Hörerinnen und Hörer!

 

Mein Name ist Melanie Turnwald.

Falls Sie jetzt erst eingeschaltet haben: im folgenden Beitrag geht es um die Gründung der 1. Republik in Österreich, um die wichtigsten Unterschiede zur Monarchie – und um die Schwierigkeiten, die bei diesem Systemwechsel zu überwinden waren.

Wir haben für Sie Frau Universitätsprofessorin Birgit Kirchmayr von der Johannes-Kepler-Uni interviewt.

Sie war am 12. November 2018 bei uns im Bundesschulzentrum Kirchdorf zu Gast. Zu Mittag hielt sie einen Vortrag über die Republiksgründung vor 400 Schülerinnen in der Aula. Vorher stand Frau Professorin Kirchmayr uns, der 3b HLW, Rede und Antwort.

Wir haben ihr einige spannende Fragen zur Geschichte der Republik gestellt:…

 

Interview Teil 2:

 

Wie lief die Ausrufung der 1. Republik genau ab? War das eine spontane Idee von Idealist*innen oder ein länger geplantes Ereignis?

Also, wenn man jetzt sagt: Wie lang war das geplant? Also: Ende Oktober ist diese Nationalversammlung das erste Mal zusammengekommen, am 30. Oktober hat sie schon so etwas wie eine Art Verfassung, also Grundregeln für den neuen Start, verabschiedet, und am 12. November ist sie dann halt offiziell ausgerufen worden. Also, wenn man sagt jetzt, ungefähr 3 Wochen Vorbereitungsphase, dann muss man sagen, dass das eigentlich unglaublich flott gegangen ist für das, dass ein totaler Wandel passiert ist!!! Von einer Monarchie mit einem Kaiser, die über Jahrhunderte sozusagen das System gewesen ist, und dann, plötzlich, kommt ganz was Neues, für das ist drei Wochen jetzt nicht so wahnsinnig viel Zeit.

 

Warum sind in vielen Staaten in Europa nach dem 1. Weltkrieg demokratische Staaten entstanden?

Es war eben der Zusammenbruch dieser alten Reiche. Es war ja nicht nur Österreich-Ungarn, das da irgendwie zerfallen ist, sondern auch die anderen großen Reiche, z.B. das Osmanische Reich, und es war der Trend sozusagen Richtung Nationalstaat. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson hat dann so eine Art Punkte-Programm verabschiedet, wo er seine Vorstellung geäußert hat, wie sich Europa nach dem 1. Weltkrieg wieder neu zusammenfinden könnte, und da war das auch schon sehr stark drin, das hat geheißen: „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ – dass die Völker, die Nationen ihre Staatsysteme dann aufbauen. Und das waren dann großteils Demokratien, aber man muss auch schauen, also, wenn man sich so eine Landkarte anschaut von Europa in der Zwischenkriegszeit: Die kippen alle relativ bald! Also die Demokratien haben sich in ganz wenigen Staaten sehr lang gehalten. Die Situation war irgendwie sehr, sehr, sehr schwierig, auch wirtschaftlich schwierig, und viele Länder sind dann so nach und nach zu Diktaturen geworden in der Zeit.

Wieso kam es ab 1920 zunehmend zur Bildung von faschistischen, autoritären, nationalistischen und diktatorialen Regierungen in Europa?

Das erste faschistische System, das sich da entwickelt hat in der Richtung, war in Italien unter Mussolini, der schön langsam den Staat in Richtung Diktatur umgestaltet hat. Diktatur heißt, dass man eben kein offenes Wahlrecht mehr hat, dass die Entscheidungen nicht in einem gewählten Parlament getroffen werden, sondern halt von meistens einer Partei. Es gibt dann halt meistens so eine „Einheitspartei“, weil die die einzige ist, die zugelassen ist, alle anderen werden verboten, es gibt keine Opposition mehr. Und das hat sich in Italien einmal aufgebaut unter Mussolini und hat für viele dann auch so ein bisschen eine Vorbildwirkung gehabt, und in vielen anderen Ländern hat man sich dem dann angenähert oder Ähnliches umgesetzt. Es hat sicher auch zu tun gehabt mit der wirtschaftlichen Situation, weil die wirtschaftliche Situation in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg einfach ganz, ganz furchtbar schlecht gewesen ist. Das sind einfach so Situationen, wo die Leute logischerweise unzufrieden sind und versuchen, irgendwelche anderen Lösungen zu finden und sich denken: „Ja, vielleicht wird’s besser, wenn einer uns jetzt immer erzählt, alles wird besser, wenn ICH das mache!“ Dann glaubt man dem vielleicht einmal. Und es ist natürlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten … ist es irgendwie schwieriger, Demokratie hochzuhalten!

Wann gab es in der 1. Republik in Österreich die ersten demokratischen Wahlen und wann in der 2. Republik? Was war der wesentliche Unterschied?

In der 1. Republik waren die ersten Wahlen 1919. Also, 1918 ist quasi schon das Wahlrecht verabschiedet worden, da war schon klar, dass es eben ein allgemeines Wahlrecht geben wird für alle Staatsbürger und Staatsbürgerinnen – mit manchen Ausnahmen! Es hat tatsächlich noch Ausnahmen gegeben für Menschen, denen man moralisch das untersagt hat, z.B. Prostituierten – tatsächlich, ja, die waren vom Wahlrecht ausgeschlossen bis… irgendwann Mitte der (19)20er-Jahre. Aber prinzipiell: allgemeines Wahlrecht für Frauen und Männer, die ersten Wahlen dann eben 1919. Was war die andere Frage? Wann das nach dem 2. [Weltkrieg war?] Wann waren die ersten Wahlen [nach dem 2. Weltkrieg]? 1945, ich glaube, im Herbst!
Der Unterschied…ja, der Unterschied 1945 – 1918: Also, 1918 war’s natürlich für die Frauen das erste Mal, dass sie wählen gehen haben können, 1945 hat man das schon gekannt, wobei man jetzt sagen muss, 1945 war es auch LANG aus, dass die Leute das letzte Mal wählen waren, weil es hat nur Wahlen bis 1933 gegeben, dann war ja die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur, da konnten die Leute auch nicht wählen, und im Nationalsozialismus konnten sie auch nicht wählen. Also, 1945 war’s auch nicht so, dass das jetzt so [selbstverständlich]… Es war auch schon eine lange Zeit her! Aber trotzdem: Man hat’s gekannt, das Wählen, auch die Frauen haben schon einmal gewählt.

Wie sah es in der 1. Republik mit Sozialleistungen und Arbeitslosenunterstützung usw. aus?

Ja, man hat ja lange gesagt: Die 1. Republik, da ist ja eigentlich alles schiefgegangen, das nach 1918, das war alles eine Katastrophe, die politischen Parteien waren alle zerstritten, es gab eigentlich nur Elend und es war eh logisch, dass dann alles bergab geht und dann halt, irgendwann, kommt der Anschluss. Heute sieht man’s schon ein bisserl positiver, auch dass die, gerade wie die Situation so schwierig war, auch nach dem Krieg – [das] muss man sich vorstellen: eigentlich nur Chaos und allen geht es schlecht! – haben die eigentlich schon auch sehr viel bewegt und sehr viel Positives auch geschafft. Zum Beispiel, das, was immer besonders hervorgehoben wird als Leistungen in der 1. Republik waren die Sozialgesetzgebungen. Gerade zwischen 1918 und 1920 sind ganz, ganz, ganz viele Sozialgesetze beschlossen worden, die zum Teil Basis von Sozialgesetzgebung bis heute sind – es gab zum Beispiel das erste Mal eine Arbeitslosenversicherung, dass man eben zumindest eine Zeit lang eine Unterstützung bekommen hat, wenn man arbeitslos war; es wurde der Acht-Stunden-Tag eingeführt; es wurden sehr viele Gesetze auch zum Schutz von Frauen an Arbeitsplätzen, vor allem Mutterschutz und gewisse Formen von Karenzleistungen, eingeführt. Also, das war eigentlich durchaus sehr positiv. Ich meine, dass das nicht ausgereicht hat in der extremen wirtschaftlichen Situation, das ist halt das andere…

Inwieweit unterscheidet sich die politische und gesellschaftliche Situation von 1918 von der heutigen?

Naja, 1918 hat man Demokratie gerade erst angefangen zu lernen und umzusetzen, jetzt sind wir 100 Jahre später…Man hat doch 100 Jahre Erfahrung damit in Österreich, das ist einmal sicher ein Unterschied. Sonst ist durchaus einiges gleich, also, die Verfassung, die wir heute haben, die im Wesentlichen unser Staatssystem organisiert, die ist gar nicht so unterschiedlich, die basiert immer noch auf der Verfassung von der 1. Republik, die Parteienlandschaft ist auch nicht so sehr verschieden, also, die Gruppen – die größeren – also Sozialdemokraten, Christlich-Soziale und Deutschnationale, da ist relativ viel ähnlich Aber, wie gesagt, der große Unterschied ist, dass man halt hoffentlich schon jetzt mehr Erfahrung in Demokratie hat, dass man sie nicht mehr hinterfragt – hoffentlich!!! 1918 war ja doch noch relativ offen: Sollen wir vielleicht doch Monarchie weiterführen oder halt eine Demokratie? Das steht jetzt nicht mehr zur Debatte! Zumindest JETZT nicht.

 

 

Glauben Sie, dass für einen Menschen wie Engelbert Dollfuß auch heute noch ein ähnlicher Aufstieg zum autoritären Herrscher möglich wäre?

 

Ja hoffentlich NICHT!!! Ich hoffe doch, dass unser System gefestigt genug ist, dass man es verhindern würde, dass jemand einen autoritären Weg geht. Aber wenn man schaut in Europa, passiert es halt gerade in relativ vielen Ländern, dass Systeme immer autoritärer werden und sich immer stärker von demokratischen Grundrechten entfernen. Ja, da hilft eigentlich nur, dass man sehr wachsam bleibt und versucht, da etwas dagegenzusetzen!

Warum ist es so wichtig, die Demokratie und den Sozialstaat aufrecht zu erhalten?

Ja, weil wir natürlich alle mit guten und gleichen Rechten ausgestattet sein wollen und hier gut und friedlich zusammenleben können! Ich denke, gerade soziale Sicherheit und sozialer Friede ist wahnsinnig wichtig! Für uns ist es so eine Selbstverständlichkeit, dass wir in einer halbwegs sicheren Umgebung leben. Also, soziale Sicherheit ist unglaublich wichtig! Das gibt uns Sicherheit und Frieden und von daher ist ALLES daranzusetzen, dass wir das erhalten.

Wie beurteilen Sie die politische Lage Österreichs während des 1. Weltkriegs und kurz danach, gleich nach der Ausrufung der 1. Republik?

Ja, die politische Lage Österreichs 1918, gegen Kriegsende und Anfang der Republik, war sicher sehr schwierig, also sehr gespannt, sehr „noch nicht klar, in welche Richtung das geht“. Da gibt’s halt verschiedene Vorstellungen, die Vorstellung von der Republik setzt sich durch, aber es hat sicher auch andere Vorstellungen gegeben. Es war klar: Das mit der Monarchie, das geht zu Ende, da braucht man jetzt irgendein neues System, aber es hat unterschiedliche Vorstellungen gegeben, wie das ausschauen kann, dieses System. Und von daher war das sicher nicht so, dass wir uns das vorstellen können, so: „OK, jetzt rufen wir die Republik aus!“, und ab dem Moment ist eigentlich alles klar, es gibt für alles die Strukturen, alles ist schon irgendwie geklärt. Es war unglaublich unklar noch alles! Zum Beispiel hat man überhaupt noch nicht gewusst, wo die Grenzen genau sind von Österreich. Das hat total lange gedauert, bis dass die Grenzlinien alle klar waren, gerade in Kärnten und im Burgenland, da haben die Leute oft wo gewohnt, wo es nicht klar war: Ist das jetzt Österreich oder ist es nicht Österreich? Und es war auch nicht ganz klar: Wie geht es politisch weiter? Österreich hat ja z.B. bei der Ausrufung gesagt, es ist Teil der deutschen Republik!!! Also, es war nicht einmal wirklich klar: Soll es sich jetzt mit Deutschland zusammenschließen oder ist es ein eigener Staat? Also, ich glaube: Unsicherheit wäre ein Schlagwort für die politische Lage in dieser Zeit.

Glauben Sie, dass Sie oder wir alle aus der Geschichte lernen oder dass wir aus vergangenen Ereignissen auf die Zukunft schließen können?

Das ist eine Frage, über die ich oft auch wirklich nachdenke, ob man aus der Geschichte lernen kann! Es wird ja oft gesagt, dass man aus der Geschichte lernt oder lernen kann. Dann wird oft gesagt, die Geschichte wäre eine gute Lehrerin, aber sie findet keine Schüler, keiner hört ihr zu. Ich glaube SCHON, dass man aus der Geschichte in gewissem Sinn lernen KANN. Vielleicht kann man’s am ehesten so sehen: Ich glaube, dass man einen Rat holen könnte oder einfach drauf schauen: Wie haben verschiedene Strukturen da ausgeschaut und wie haben die Leute DAMALS versucht, das zu lösen? Was war gut daran, was war vielleicht weniger gut daran? Und ich glaube, gerade in Österreich, mit der Geschichte der Republik, sieht man schon, dass z.B. 1945, also nach dem 2. Weltkrieg, glaube ich schon, versucht wurde hinzuschauen auf das, was in der 1. Republik nicht gut gegangen ist und welche Fehler dort gemacht wurden, und dass man schon versucht hat, die quasi zu vermeiden und dass das, dass die 2.Republik sich erfolgreicher dann entwickelt hat, schon auch mit dem zu tun hat, dass man aus den Fehlern der 1. [Republik] auch gelernt hat.

 

 

Was ist Ihre Meinung zum Umgang Österreichs mit der Nazi-Vergangenheit?

Ja, da hat sich sehr viel verändert seit 1945. Man spricht davon, dass in Österreich die sogenannte Opferthese sehr lange vorherrschend war. Diese Grundhaltung hat eigentlich gedauert bis in die (19)80er-Jahre, würde ich sagen, und seit den (19)80er-Jahren hat sich schon hier viel verändert. Und ich glaube, dass jetzt schon eine ganz andere Einstellung da ist, also gerade auch von der Politik her wird ganz klar das Bekenntnis zur Mitverantwortung Österreichs in der Zeit gesehen und ich glaube auch, so, wie das in den Schulen vermittelt wird oder dass es viele Gedenkprojekte gibt, also da hat sich sehr, sehr viel verändert. Es ist halt jetzt auch schon lang aus und für viele Betroffene kommt das leider zu spät!!! Das haben viele nicht mehr erlebt, die das eigentlich noch erleben hätten sollen.

Was sind Ihre Hoffnungen und Ängste für die Entwicklung Österreichs in den nächsten 20 Jahren?

Meine Ängste für die Entwicklung Österreichs, die hängen eng zusammen mit der Gesamtentwicklung – ich glaube, dass wir mittlerweile in einer Zeit leben, wo Staaten ja nicht mehr so ganz getrennt voneinander gesehen werden können. Wir sind ein Teil der Europäischen Union, und da gibt’s halt schon Entwicklungen, die im Moment sehr beängstigend sind, wenn man sieht, wie viele da jetzt einerseits eher den autoritären Weg gehen wollen oder auch den Weg wieder zurück zu „nur Nationalstaat“ und halt irgendwie sich ziemlich verabschieden von einer gemeinsamen Idee, in Europa solidarisch zu sein. Das ist ein Weg, den ich sehr besorgniserregend finde und wo ich mir auch wünschen würde, dass den Österreich NICHT mitgeht.
Und…ja, die Hoffnungen wären, dass sich das wieder verändert und eher wieder eine Stimmung entsteht, in der man wieder eher auf dieses Gemeinsame schaut und auch sieht, dass dieses gemeinsame Europa schon eine Chance ist, dass eben so Sachen, die Kriege des 20. Jahrhunderts NICHT MEHR stattfinden können

Danke für das Interview!

Ja, gern!

Moderation Teil 3

Ja, das war Pink mit „So What!“

Herzlich willkommen zurück bei unserer Sendung!

 

Mein Name ist Leonie Höllwirth. An all diejenigen, die neu zugeschaltet haben: Heute geht es bei uns um Frauenrechte, um die 1. Republik in Österreich und um eine Gedenkveranstaltung, die bei uns in der Aula der Schule am 12. November stattgefunden hat. Nach dem Interview mit Universitätsprofessorin Birgit Kirchmayr versammelten wir uns gemeinsam mit 380 anderen Schülerinnen und Schüler aus HAK, HLW und Gymnasium in der Aula. Dort gedachten wir der Ausrufung der 1. Republik am 12. November 1918.

Für mich persönlich auffällig war, dass wir beim Stummfilm, der die Ausrufung der Republik vor 100 Jahren zeigte, alle sehr aufmerksam und fast andächtig die bewegten Bilder verfolgten – und das mitten im Vortrag!

Aber natürlich war auch der Vortrag von Frau Kirchmayr sehr interessant und aufschlussreich. Daher wollen wir Ihnen die wichtigsten Passagen daraus gerne zu Gehör bringen: …

 

 

Ausschnitte aus dem Vortrag in der Aula des Bundesschulzentrums am Mo., 12.11.2018, 12:00 – 12:45 Uhr

 

 

Ich war wahrscheinlich in der ersten Generation von Schülerinnen und Schülern in Österreich, in deren Geschichtsunterricht auch der 2. Weltkrieg, der Nationalsozialismus, der Holocaust überhaupt Thema waren. Das wurde davor lange Zeit verdrängt und sicher auch in der Schule kaum thematisiert. Die meisten, die man fragt zu dieser Zeit, die sagen: „Naja, in der Schule, da sind wir maximal bis zum 1. Weltkrieg gekommen, aber weiter nicht!“ Das hat sich in den (19)80er-Jahren doch sehr verändert, würde ich sagen.

Ja, und auch heuer haben wir wieder ein Gedenkjahr – mittlerweile sind es jetzt 80 Jahre nach dem Anschluss Österreichs 1938 und es sind 100 Jahre nach 1918. Und damit 100 Jahre österreichische Republiksgründung. Und das ist ja der Anlass, an den heute speziell hier gedacht wird, gedacht werden soll, diese 100 Jahre Republiksgründung.

Was ist da genau passiert, im November 1918, also genau vor 100 Jahren?

Vielleicht schauen wir sogar noch ein wenig weiter zurück: Was war denn vorher? Was war vor 1918? Als Franz Joseph 1916 starb, im hohen Alter starb, er war viele Jahrzehnte lang Kaiser Österreich-Ungarns, als er 1916 starb, da war in Österreich und in Europa und in Teilen der ganzen Welt bereits Krieg. Der 1. Weltkrieg ist 1914 begonnen worden. Ich sage bewusst nicht „ausgebrochen“, denn ein Krieg „bricht“ nicht einfach „aus“ wie eine Naturkatastrophe, ein Krieg wird begonnen und ein Krieg wird gemacht und es sind Menschen, die diese Entscheidungen treffen! Und dieser Krieg, der 1. Weltkrieg, der im Übrigen damals natürlich noch nicht so hieß, weil man ja noch nicht wusste, dass ein zweiter folgen wird – also diese Bezeichnung „1.Weltkrieg“ kommt logischerweise dann erst später zustande – also dieser Krieg war einer der ersten Kriege, der nicht nur die Soldaten direkt an der Front betroffen hat, sondern der auch ganz großes Leid über die Zivilbevölkerung brachte, über die Menschen die in den Städten, am Land, überall wohnten.

In den Kriegsjahren 1914-18 haben die Menschen in Österreich – und natürlich nicht nur hier, sondern auch in den anderen betroffenen Ländern – haben die Menschen aufgrund der Kriegswirtschaft und aufgrund der mangelnden Versorgung immer mehr und immer stärker gelitten. Unter Hunger gelitten! Die Kindersterblichkeit war ganz immens hoch im Krieg, auch noch in den Jahren danach. 1918, 1919, 1920 wurden österreichische Kinder von internationalen Organisationen, von Hilfsorganisationen bei Ausspeisungen mit dem Nötigsten versorgt, damit sie nicht verhungern! Das sind Bilder, wie wir sie heute aus sogenannten Entwicklungsländern kennen. Österreichische Kinder wurden auch in andere Länder zur Erholung geschickt, z.B. nach Dänemark, nach Schweden, dort haben Familien die Kinder aufgenommen und versucht, sie quasi ein bisschen aufzupäppeln.

Ja, und mitten in diese Situation von sozialem Elend und Überlebenskampf der Menschen kommt es eben dann 1918 zum politischen Umbruch: Die Monarchie – sie wird von vielen als Verantwortliche gesehen für den Krieg und das Elend, das daraus entstand – die Monarchie stand nicht mehr sehr weit oben in der Beliebtheitsskala, schon gar nicht bei den vielen Völkern der Donaumonarchie, die sich zuvor schon benachteiligt sahen. Sie wollten die Unabhängigkeit und eigene Nationalstaaten.

Und in diesen letzten Kriegstagen im Oktober begannen eben auch hier schon verschiedene Nationen sich aus der Monarchie abzuspalten und eigene Regierungen, eigene Staaten zu gründen. Die Abgeordneten des ehemaligen „Reichsrats“ oder der „Reichsrats der Monarchie“ haben sich eben nach Nationen getrennt versammelt und eben teilweise auch schon eigene Staaten ausgerufen.

Die letzte Reichsratswahl vor dem 1. Weltkrieg, die fand 1911 statt. Und diese 1911 gewählten Abgeordneten des „Reichsrats“, die kamen nun in den letzten … also, in den Oktobertagen 1918, als man merkte, der Krieg geht zu Ende und es muss etwas Neues beginnen, die kamen zusammen – eben zunächst im Oktober und dann auch noch einmal im November.

An diesem 21. Oktober kamen also alle deutschsprachigen Abgeordneten dieses Reichsrats zusammen und gründeten eine provisorische Nationalversammlung mit dem Ziel, einen neuen, einen eigenen Staat zu gründen. Da war aber noch nicht ganz klar, wie der ausschauen soll, ob jetzt wirklich das Ende der Monarchie ist und man tatsächlich eine Republik gründet oder ob es nicht eine Form auch geben kann, auf Basis auch der Monarchie weiterzumachen, das war hier noch nicht ganz gefestigt. Aber schon eine Woche später, am 30. Oktober, kam diese provisorische Nationalversammlung wieder zusammen und beschloss dann eben so etwas wie eine erste provisorische Verfassung, Staatsgrundgesetz, und so etwas wie eine Regierung, den Staatsrat. Jetzt hat aber der Kaiser zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgedankt, also es war eigentlich alles noch sehr unklar, man hat so eine Parallelsituation: Es gibt noch einen Kaiser, es gibt noch die alte, von ihm bestellte Regierung und es gibt so etwas wie diese neue Regierung. Also, man muss sich schon vorstellen, dass hier das alles noch sehr unklar war und auch auf den Straßen die Menschen eigentlich noch sehr verwirrt waren über das, wie es denn weitergehen wird und wie’s in Zukunft ausschauen wird. Die Stimmung auf den Straßen war sehr unruhig, die Bevölkerungsgruppen hatten natürlich auch verschiedene Vorstellungen von der Zukunft, aber die, die die Monarchie weiter wollten, die waren zweifellos in der Minderheit.

Die Republik, die Idee der Republik sozusagen, hat sich durchgesetzt, und diese Republik wurde schließlich am 12. November, also eben genau heute vor 100 Jahren dann auch ausgerufen, also quasi auch dem Volk verkündet, und zwar hat man das gemacht vor dem Parlamentsgebäude in Wien; an der Ringstraße wurde die Republik ausgerufen, und die Republik hieß „Deutsch-Österreich“, darauf gehen wir dann vielleicht noch kurz ein. Also, der Name Österreich ist dann erst 1919, nach den Friedensverträgen eingeführt worden, da haben die anderen, die Siegermächte eben diesen Namen „Deutsch-Österreich“ verboten und die Republik wurde „Österreich“ genannt. Vorher eben: „Deutsch-Österreich“, weil’s eben aus diesem Zusammenschluss der deutschsprachigen Abgeordneten entstanden ist, also die anderen, die tschechischen, haben ihren tschechischen Staat gegründet, dann ist der jugoslawische Staat gegründet [worden] und so weiter, und die Deutschsprachigen, die haben eben dieses „Deutsch-Österreich“, ja, den deutschsprachigen Rest, wenn man so will, von der Monarchie hier in eine neue Staatsform gegossen. Und sie wollten auch zusammen mit der deutschen Republik zusammen einen Staat gründen! Also, anfangs war es tatsächlich [so] gedacht, dass die Republik „Deutsch-Österreich“ mit der deutschen Republik ZUSAMMEN einen Staat bildet. Zum guten Teil deswegen, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass dieser kleine Rest von dieser ehemals doch so großen Monarchie überhaupt allein existieren kann, auch wirtschaftlich existieren kann.

Von dem Tag der Ausrufung der Republik, vom 12. November, gibt’s auch ein Filmdokument. Schauen wir es vielleicht einfach kurz an, beobachten Sie einfach, und dann können wir kurz drüber reden!

[…] Vielleicht kurz noch ein paar Worte zu diesem Filmdokument: Film war damals kostbar, man hat nicht immer jederzeit alles mitfilmen können. Das heißt, allein, dass es einen Film gibt, zeigt schon eben die Bedeutung von dem Ereignis. Also, der Staatsrat hat extra sozusagen Kameraleute hingeschickt und das filmen lassen. Das Dokument ist auch so, finde ich, ganz interessant, es zeigt uns schon einiges über diesen Tag: Erstens wissen wir, dass es geregnet hat, man weiß, dass die Leute mehr Hut getragen haben als heute und – ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist – aber eigentlich eine große Euphorie kann man auch nicht erkennen auf diesen Bildern. Also, die Menschen wirken durchaus eigentlich ein bisschen skeptisch oder zumindest.. so ein bisschen… so, wie wenn sie nicht recht wissen, was da jetzt kommt und was da ist.

Man weiß, dass ungefähr 200.000 bis 300.000 Menschen dort waren am Nachmittag am 12. November bei der Ausrufung. Was man am Schluss gesehen hat, ist besonders interessant, denn man weiß auch, dass die Veranstaltung, die ja geplant war als eigentlich sehr feierlich und staatstragend, sie wurde gestört, und zwar von Menschen, die sich als „Rote Garde“ bezeichnet haben, also Kommunisten waren. Die haben die Fahne gestürmt und haben der rot-weiß-rote Fahne, die gehisst wurde, den weißen Streifen herausgerissen in der Mitte, dann so zusammengeknüpft, dass es nur mehr eine rote Fahne als Zeichen des Sozialismus und Kommunismus eben gewesen war, das ist das, was man am Schluss hier gesehen hat. Darum hat die Fahne auch so ein bisschen komisch ausgeschaut, das waren quasi nur mehr diese übriggebliebenen roten Fetzen, die eigentlich hier zu sehen waren. Das heißt, das ist durchaus auch überschattet gewesen von Gewalt, weil innerhalb dieses Tumults und des Aufstands, der sich daraus ergeben hat, sind mehrere Menschen verletzt und sogar zwei Menschen getötet worden.

Dieses Republikssystem mit der parlamentarischen Mehrheit hat sich dann aber eben durchgesetzt in Österreich, ist umgesetzt worden und schon eben am 12. November, als die Republik hier ausgerufen wurde, hatte sie so etwas wie eine provisorische Verfassung, ein Staatsgrundrecht, in dem die grundlegenden Regeln festgelegt waren, wie dieser Staat organisiert sein soll. Und erstmals gab es eben jetzt ein Wahlrecht, ein wirklich allgemeines Wahlrecht, das jetzt auch die Frauen in Österreich eingeschlossen hat. Also 1918 ist in Österreich das Frauenwahlrecht eingeführt worden – es ist damit eines von den europäischen Ländern, die sogar relativ „vorn“ sind unter Anführungszeichen, in diesem Bereich.

 

Ja, hier ist jetzt leider keine Zeit, dass wir die Geschichte der 1.Republik genau weiterverfolgen, es geht ja vor allem um 1918. Wir wissen alle, dass leider trotz der positiven Bemühungen der ersten Jahre und dieses Strebens sozusagen danach, eine demokratische Verfasstheit, eine Republik eben, hier aufzubauen, dass es nicht gelungen ist, diese gerade erst erlangte Demokratie sehr lange aufrecht zu erhalten. Ähnlich wie auch in anderen europäischen Ländern nach dem 1.Weltkrieg sind viele der zunächst eben Demokratien gekippt, einen autoritären Weg dann eingeschritten, in Diktaturen umgebaut worden, und auch in Österreich wurde eben im Jahr 1933 durch den christlich-sozialen Kanzler Engelbert Dollfuß das Parlament ausgeschaltet, die Parteien wurden sukzessive verboten, ja, und dann, 1938, wurde Österreich Teil des nationalsozialistischen Deutschlands.

 

Das heißt, wenn wir heute auf 100 Jahre Republik zurückblicken, dann sind es eigentlich nicht wirklich „100 Jahre Republik“ gewesen, in den Jahren von (19)33 bis (19)45 können wir eigentlich nicht davon sprechen, hier herrschte in Österreich keine Demokratie.

 

Einmal gewonnene Rechte sind keine Garantie für die Zukunft, Demokratie muss immer wieder diskutiert werden, auf politische Rechte muss man sehr sorgfältig Acht geben, das ist vielleicht etwas, was man auch aus dieser Zeit sehen kann.

 

Und dazu jetzt noch als Abschluss, ganz kurz und aktuell: am Samstag hat in Wien das „Haus der Geschichte Österreich“ eröffnet. Nach sehr langen Jahren [der] Diskussion hat Österreich damit ein Museum, in dem auch Zeitgeschichte ausgestellt ist. Das Leitmotiv dort ist auch die Demokratie, und es ist das Ziel des Museums, gerade Jugendliche mit vielen Fragen zu konfrontieren, also nicht nur mit Informationen und Belehrungen sozusagen aus der Geschichte, sondern eben auch Fragen zu stellen, genauso, wie das hier auch, glaube ich, passiert, was ich da in den Ausstellungen eben gesehen habe.

 

Geschichte ist nichts Totes, nichts, das uns heute nichts mehr angeht. Ob man aus der Geschichte wirklich lernen kann, bin ich auch vorher gefragt worden: Tja, das ist die Frage! Aber in jedem Fall kann sie uns beraten und zum Denken anregen!

 

Vielen Dank!

 

 

Moderation Teil 4

So, mit dem Song „Never Give Up“ von Sia sind wir am Ende der Sendung angelangt.

 

Für alle, die heute zu spät eingeschaltet haben oder diese Sendung einfach noch einmal hören möchten, hier unser Hinweis: Diese Sendung gibt es im Online-Archiv zum Nachhören.

Für Menschen mit Hörschwächen gibt es auch eine schriftliche Version zum Nachlesen.

Beide Versionen sind auf der Homepage www.radiob138.at zu finden.

Auf Wiederhören!

 

Ihre 3b HLW Kirchdorf an der Krems

 

Transkription des Interviews am 16. und 17.11.2018 durch Ambros Gruber.

Transkription der Ausschnitte des Vortrags am 20.11.2018 durch Ambros Gruber

 

 

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Thema:School radio Radiomacher_in:3 4 BH HLW Kirchdorf 2018-19
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