Schallmooser Gespräche #98: Eisenbahn
Faszination Eisenbahn – wuhuuuu, wuhuuu, ratterratterratter! Hercule Poirot ermittelt im Orient-Express. Schüsse an der Bahnstation – nur der Mann mit der Mundharmonika steht wieder auf. Ein verhängnisvolles Zusammentreffen mit einem Fremden im Zug. Rick muß jetzt diesen letzten Zug aus Paris nehmen, bevor die Nazis kommen, aber Ilsa kommt nicht mit. Roger Thornhill ist in „North by Northwest“ auf der Flucht, weiß nicht, weswegen er verfolgt wird, doch die Frau, die er im Zug kennenlernt, ist eine Agentin und der Horror geht weiter. Aber Jalava lächelt, weil er seinen Heizer Vladimir Iljitsch unerkannt über die Grenze gebracht hat. Udo Lindenberg will hingegen den Sonderzug nach Berlin-Pankow nicht verpassen. Und dystopische Filme wie „Ghosts of Mars“ von 2001 oder „Snowpiecer“ von 2013 beweisen, daß der Mythos des Zuges in Literatur, Kino und Musik ungebrochen ist.
Flugzeuge eignen sich höchstens für Katastrophenfilme, aber die Eisenbahn, die hat was. Auch in der realen Welt. Schiene laufen rund um den Globus, gerade mal unterbrochen von den großen Ozeanen. Eine Freiheit, die aber gebunden an die Schiene ist, ein unheimlich verläßich erscheinender Weg in die Ferne. Ein Mittel der Kommunikation – um wo anders hinzugelangen, aber auch in entspannter Atmosphäre mit wildfremden Menschen ins Gespräch zu kommen. Und auch die beiden hinter dem Mikro, die Salzburgerin Rosi und der Wiener ‚Ce hätten ein echtes Problem zusammenzukommen, gäbe es die Eisenbahn nicht, die aus 300 km Distanz gerade mal zweieinhalb Stunden macht.
Und schließlich: Wie wäre unsere Welt heute ohne die Eisenbahn? Ganz anders! Sicher, die Optimierung der Landverbindung über weite Strecken hat nicht nur Gutes gebracht. Aber die Eisenbahn macht doch einen nicht unwichtigen Teil der kulturellen Entwicklung zwischen dem 18. und dem 20.Jahrhundert aus. Und auch im 21.Jahrhundert ist sie politisch-gesellschaftlich noch lange nicht bedeutungslos.
Es geht in dieser Sendung aber auch um Spielzeugeisenbahnen, Fernweh und die Bahnhöfe, diese Transitorte und Fluchtpunkte verlorener Seelen, die immer mehr kaputt gemacht werden durch polizeilich-konsumterroristisches Denken und eine traumfeindliche Architektur.
Trotzdem ist es eine ein wenig verträumte und sehr langsame Sendung geworden – die ausgerechnet mit einer Danksagung an die Privatwirtschaft endet: Nämlich mit einem Dank an die Westbahn, wo man statt eines aggressiven „Zeings ma die Vorteilscard!“ ein freundliches „Woins an Kaffee?“ hört und wo sich noch Hackler und Bankdirektor dem Rauch ihrer Zigaretten nachsehend auf einen Plausch treffen können …
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