Schallmooser Gespräche #255: Trump und das Elend der Sozialdemokratie
Die Wahl Donald Trumps ist ein Spiegelbild für das Wählerverhalten wie für das Politikerverhalten in Europa.
In der Sendung unterhalten sich Rosi & Če darüber, was da wohl schiefläuft hüben wie drüben. Aber es ist auch wiedermal ein „Making Of“ für einen akin-Artikel, der ein paar Tage später erschien. Nachstehend ein Auszug aus diesem Artikel, der ein wenig diese Debatte zusammenfaßt:
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„Ernsthaft?“ steht auf einem schwarzen Balken über dem Gesicht von Donald Trump. Das war das Cover des „profil“ 45/2024. Es ist paradigmatisch für das Unverständnis oder besser: das Nicht-Verstehen-wollen des Ausgangs der US-Wahl. Denn natürlich kann man da nur den Kopf schütteln, sollte damit aber wohl aufhören, wenn man sich vor Augen führt, daß es in den USA halt immer nur zwei Auswahlmöglichkeiten gibt. Trump konnte seine Anhänger und diejenigen mobilisieren, die einen „Change“ wollten. Harris mußte diejenigen mobilisieren, die nur einfach nicht Trump wollten, mit der Argumentation, dort weitermachen zu wollen, wo Biden jetzt aufhören mußte. Begeisterung ist damit schwer zu erzeugen und Begeisterung ist halt in US-Wahlkämpfen die härteste Währung. Biden konnte 2020 nach Trumps erster Amtszeit wenigstens ebenfalls mit „Change“ punkten, das fiel für Harris weg.
Es ist aber auch das Elend der Sozialdemokratie an sich. Denn wenn die US-Demokraten auch eine ganz andere Geschichte haben (unter anderem als Sklavenhalter-Partei), so erfüllen sie inhaltlich heute doch sehr die Rolle, die die europäische Sozialdemokratie ausfüllt. Sie tun so, als wären sie für einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz. Nur funktioniert das in den USA noch weniger als auf unserem Kontinent. Harris wurde als „working class hero“ präsentiert, eine dunkelhäutige Frau mit Rassismus- und Sexismus-Erfahrung gegen einen sexistischen und rassistischen Milliardär. Und genau da hakt es: Das Magazin „Forbes“ listete — ohne böse Absicht, denn in den USA wird in der veröffentlichten Meinung sowas eher als positiv angesehen — die Milliardäre auf, die Harris unterstützen. Da zeigte sich, daß es mehr sind als diejenigen, die Trump Wahlspenden gaben. Wenn man das zusammennimmt mit den Unsummen aus Steuergeldern, die in den Ukraine-Krieg gepulvert wurden, dann muß man sich schon sehr verarscht vorkommen, wenn man selbst Angst davor hat, seinen McJob zu verlieren oder gar auf der Straße zu landen. Wenn man dann schon nicht Trump wählt, will man wenigstens seine Würde retten und bleibt der Urne fern — Trump hatte beim letzten Mal nur geringfügig weniger Stimmen als heuer, Harris aber siebeneinhalb Millionen weniger als Biden 2020.
Nebenbei hatten aber wohl auch progressive Wähler von den Demokraten und ihren Versprechungen genug. Man erinnere sich an Obama, der sich als schwarze Identifikationsfigur darstellte, aber keine Vorfahren in der Sklaverei hatte, und der großmundig versprach, Guantanamo zu schließen — das Gefängnis auf dem besetzten kubanischen Territorium gibt es bis heute. Auch Obamacare ist nur sehr unvollständig umgesetzt worden. Biden versprach, auf Bundesebene die Todesstrafe abzuschaffen — schaffte es aber gerademal, die Hinrichtungen auszusetzen. Jene 40 Insassen, die jetzt nach Bundesrecht in den Todeszellen sitzen werden wohl unter Trump hingerichtet werden — Biden könnte diese 40 noch wenigstens begnadigen, zu erwarten ist das aber nicht. Die Administration Biden hätte auch mit einer Bundesgesetzesvorlage gegen die Entscheidung des Supreme Courts vorgehen können, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu verneinen, wie das Bernie Sanders gefordert hatte (der jetzt übrigens mit einem Kantersieg als Senator wiedergewählt wurde). Das wäre vielleicht nicht durch den Congress gegangen und hätte auch den Richterspruch nicht overruled — aber es wäre wenigstens ein Zeichen gewesen. Es ist diese Ängstlichkeit der heutigen Demokraten, irgendetwas ernsthaft anzugehen, wo man ihnen vorwerfen könnte „liberal“ (also eigentlich „Commies“) zu sein. Kein Vergleich beispielsweise zu F.D.Roosevelt — der hatte bei seiner ersten Wahl das Versprechen des „New Deals“ in seinem Gepäck und paukte das ab Tag 1 seiner Amtszeit durch den Kongress. Die nächsten zwei Jahrzehnte brachten die Republikaner kaum mehr einen Fuß auf den Boden. Gelernt haben die heutigen Demokraten nichts daraus, sie machen weiter auf Rücksichtl und Vorsichtl, und verlieren damit immer mehr Glaubwürdigkeit.
Trump hingegen wirkt ehrlicher und ist auch eine brauchbare Identifikationsfigur. Obwohl nun Angehöriger der absoluten Oberschicht, spricht er nicht wie ein solcher. Seine Sprache ist so einfach, daß sogar ich ihn verstehe und natürlich auch jeder, dessen Muttersprache amerikanisches Englisch ist. Seine Botschaften sind ebenfalls so simpel, daß man keinen Bachelor in Politikwissenschaften und Juristerei braucht. Sein MAGA-Versprechen ist vor allem das „AGAIN“ am Schluß — die Gedemütigten und Abgehängten wollen sich mit dem Trumpschen Wieder-Groß-Amerika identifizieren. Trump verspricht ihnen damit nicht weniger als ihnen ihre Würde wiederzugeben — selbst wenn sie sich ausrechnen können, daß sie von einem wieder starken Amerika wahrscheinlich nichts haben werden. Wenn sie jemanden wählen, der verspricht, die Nation wieder groß zu machen, und der dann auch noch auf der Siegerstraße unterwegs ist, werden sie selbst zu Siegern. Man lese nach in Willhelm Reichs „Rede an den kleinen Mann“!
Trump tut auch nicht so, als wäre eine arme Kirchenmaus. Oder kein Kindskopf, siehe seine Begeisterung für Elon Musks Raketen. Er tut nicht mal so, als wäre er kein Arschloch. Aber genau deswegen ist das Bild stimmig — einfach ehrlich, einfach Donald!
Womit wir bei einer anderen Parallele zu hiesigen „Rechtspopulisten“ wären. Denn die große Verwunderung, daß US-Amerikaner jemanden wählen können, der ein verurteilter Rechtsbrecher ist und noch eine ganze Reihe an Anklagen zu gewärtigen gehabt hätte, ist ziemlich naiv. Er brauchte nur behaupten, er sei ein politisch Verfolgter — „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist!“ Klingelt da was? Man könnte auch anführen: „Unser Geld für unsere Leut‘!“ Denn Trump geht weg von der Rolle des Weltpolizisten, sondern greift zurück auf eine in der Geschichte unter US-Politikern gar nicht so seltene Position, die des Neutralismus, einer sehr engen Deutung der Monroe-Doktrin. So mag er vielleicht wirklich ein „Faschist“ sein, wie so manche hohe Militärs und demokratische Politiker meinen, aber er ist kein Imperialist. Und es gibt sicher in den USA eine Menge Wähler, die es goutieren, wenn kein Geld mehr für die Erhaltung von Einflußzonen ausgegeben wird und auch keine US-Soldaten dafür mehr krepieren müssen.
Zuletzt aber hatte wohl der penetrante Woke-Aktivismus von Harris den Ausschlag gegeben. Sie wollte die Frauen ansprechen, sie wollte die Schwarzen ansprechen. Und natürlich für alle anderen Geschlechter da sein, bis hin dazu, daß sie Gesprächsrunden damit anfing, zu erklären, daß sie sich als Frau identifiziere und ihre Pronomen „she and her“ wären. Das Feindbild Trump paßte da wunderbar auf das Feindbild weißer, alter Mann. Blöd nur, daß Harris damit weiße Frauen als Angehörige der Sklavenhalterrasse genauso vergrätzte wie schwarze Männer als Angehörige des Patriarchen- und Vergewaltigergeschlechts — also genau ihre Wählergruppen. Die Menschen ohne College-Abschluß sowieso.