Ruth Aspöck: Der Krieg nach dem Frieden
Im anschließenden Gespräch erzählt die Vielfältige Autorin über sich und ihr Leben.
Unterlegt wird dieser literarische Exkurs nach Salzburg von einer Musikauswahl, die sich der Musikgenres der damaligen Zeit bedient und einen zusätzlichen, manchmal fast paradoxen Kontrast zum realen Leben nach dem Krieg erzeugt.
Sendungsgestaltung & Musikauswahl: Wally Rettenbacher
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Ruth Aspöck stellt unter dem Titel „Der Krieg nach dem Frieden“ einen Roman vor, der eine Nachkriegszeit von 1945 bis 1955 in Salzburg und Linz reflektiert.
Anhand von präzise recherchierten Details liefert sie das Bild einer Zeit und das, was sich in ihr und nach ihr ereignet hat.
Das Werk gliedert sich in monologische Kapitel, die die makrokosmische Geschichte eines Nachkriegsalltags anhand fünf verschiedener Perspektiven spiegeln. In diesem dichten, in direkter Rede gehaltenen Worttreibgut geht es um Ansichten. Einsichten. Verdrängungen. Unterlassungen. Wut. Vorwürfen. Selbstvorwürfen. Vergebung.
Da ist Anatol, im zweiten Weltkrieg Soldat an der Ostfront, der nach dem Krieg neu beginnen wollte. Er wollte eine neue Welt aufbauen, mit Marie, seiner Frau. Er wollte alles hinter sich lassen. Alles wegschieben, was er an der Front erlebt hatte „ nicht um zu vergessen, so etwas ist nicht möglich. Aber ich tat alles, um nicht ständig daran denken zu müssen“. Da ist sie, die Ehefrau und Mutter Marie, die, zumindest gedanklich, versucht, dem engen Korsett, der Rolle, die sie als Frau zu erfüllen hatte, zu entfliehen. Es ist der Versuch beider, sich nach dem Krieg wieder in eine „anständige“ gesellschaftliche Rolle einzufügen.
Das Verdrängte wussten sie nicht anders zu kompensieren als in einer Art innerfamiliärer Vaterherrschaftsmodell, das den Familienalltag bestimmt:
die Mutter. Herbe, barsche Strenge. Schweigen. Missbrauch, psychisch. Strafe.
Der Vater. Strafe. Missbrauch, physisch. Alkohol.
Beide sind Zerrissene, die irgendwo zwischen Schuld und dem frei sein davon festhängen.
Die Töchter Ursula und Rosa sollten es einmal leichter haben. Möchte man meinen, wünscht man sich. Aber die erfolglosen Versuche der Eltern, der Belastung Vergangenheit zu entfliehen, diese „verschlungenen, oft verschwiegenen, falsch oder verdreht erzählten Wahrheiten der Kriegsgeneration“ hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Schwestern: Ursula, die eine, ist ständig verliebt und völlig beziehungsunfähig. Rosa, die andere, führt ein asketisches Leben, hat einen Sohn und wollte nie eigene Kinder. „Meine eigene Kindheit reicht mir“, sagt sie einmal im Buch. Rosa will lieber in die Welt hinaus, fremde Länder kennenlernen. Sie will lieber beruflich weiterkommen und Karriere machen.
Malwine, die Erzählerin, formuliert es im vorletzten Kapitel „der Druck“ treffend:
„Mir ist längst klargeworden, dass das ungesagte, dunkle, nicht völlig aufgehellt werden wird. Das ist die Bürde meiner Generation, das ist die Bürde der Kinder der Täter, der Kinder der Opfer. Die Gräuel des überstandenen Krieges machten diese Vätergeneration nicht sanfter, sondern grausamer. Sie handelten leider im Wissen, dass das, was sie ihren Kindern antun, eine geringe Qual ist gegen das Erlebte im Kriege.“
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Musikauswahl:
Lale Anderson – Lili Marleen
Zarah Leander – Der Wind hat mir ein Lied erzählt
Detlev Lais – Servus, Baby
Hans Albers – Auf der Reeperbahn
Caterina Valente – Ganz Paris träumt von der Liebe
Hans Albers/Extrabreit – Flieger grüß mir die sonne (collage)
Marlene Dietrich – Sag mir wo die Blumen sind
Maria Teresa Vera – Veinte Anos
Zur Autorin:
Ruth Aspöck, 1947 geboren in Salzburg. lebt in Wien als freie Schriftstellerin.
Sie studierte in Wien Theaterwissenschaft und Germanistik und absolvierte sie eine Schauspielausbildung in Linz. Im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit reiste sie in viele Länder u. a. nach Kuba. In Wien war Ruth Aspöck Mitbegründerin der feministischen Zeitschrift Auf. Sie betrieb auch die Edition „Die Donau hinunter“ (bis 2008), war Organisatorin zahlreicher Symposien und Veranstaltungen.
Sowie viele literarische Publikationen und Herausgabe zahlreicher Anthologien und Dokumentationen etwa über das von Rolf Schwendter mitbegründete „Erste Wiener Lesetheater“ oder das berühmte Wiener Galeriecafé, ein Ort künstlerischer Begegnungen.
Web: www.donauliteratur.at
www.loecker-verlag.at
wallyre 0116
11.01.2016 Artikel kommentieren Drucken