Rassismus und Antirassismus – Wertvolle und Minderwertige

12.10.2021

Die „Political Correctness“,
die „Macht der Sprache“,
und was das mit Rassismus bzw. Antirassismus (nicht) zu tun hat

Es soll weitergehen entlang dieser Stichworte – habe mich in den letzten Sendungen zu den Fragen der „Macht der Sprache“ geäußert, ob die Sprache etwa „Wirklichkeit“ schafft – die Antwort ist ein klares, kompromissloses „Nein“. Die Argumente sind nachzuhören bzw. nachzulesen auf cba.media, Podcast „Kein Kommentar“.

Die allgemeine Auskunft war, dass die Sprache das Mittel ist, mit dem die Menschheit ihre Bedürfnisse, Interessen, Wahrnehmungen mitteilt, ganz allgemein ihre Befunde über die Wirklichkeit äußert, oder auch sich Sachen erfindet, die es als existierende Tatbestände nicht gibt, als Literatur zur Unterhaltung oder Erbauung – aber die Sprache hat weder Macht über den Sprecher noch über die allfälligen Hörer. In der negativen Utopie „1984“ versucht bekanntlich die Regierung, beschönigende Sprachregelungen für unschöne Phänomene durchzusetzen, sie den Bürgern aufzuzwingen – diese sollen die Verhältnisse schöner reden müssen, als sie sind. Derartiges gilt gemeinhin als Zeichen von politischem Totalitarismus – aber wenn dasselbe Bedürfnis nach schönen Sprachregelungen, nach „korrekten“ Sprachregelungen nicht von oben, sondern von unten oder aus der sog. „Zivilgesellschaft“ kommt, dann soll die Welt nicht nur schöner geredet werden, sondern dann soll dadurch ein erster kleiner Schritt zur Weltverbesserung gemacht sein – warum und wie denn? Wenn Kriege als Friedenssicherungs- oder Friedensschaffungsmaßnahmen bezeichnet werden, werden sie dadurch weniger oder angenehmer für die Opfer? Soll man gleich das Wort „Rassismus“ auf den Index setzen, weil man dadurch das Phänomen selbst ev. aus der Welt schaffen könnte? Oder das Wort „Rasse“ aus dem deutschen Grundgesetz entfernen, weil doch die Naturwissenschaft die Vorstellungen von „menschlichen Rassen“ widerlegt habe?! Und wenn es im Grundgesetz-Text keine „Rassen“ mehr gäbe, dann täte sich jeder Alltags-Rassismus gleich viel schwerer?! Wirklich? Warum denn? Richtet sich der „Rassismus“ denn nach dem Grundgesetz – aber gerade im Grundgesetz steht doch ohnehin ein Diskriminierungsverbot, das offenbar auch nicht sehr durchschlagskräftig ist?! Nochmal: Das Diskriminierungsverbot als solches richtet offenbar nicht allzu viel aus, aber das Eliminieren des Wortes „Rasse“ soll den gleichnamigen „Ismus“ eliminieren? Was aber, wenn „Rassismus“ gar kein Ergebnis missverstandener Naturwissenschaft ist, sondern ein Phänomen aus Politik und Gesellschaft?! Der Einstieg in die Debatte in der vorletzten Sendung war ein empirischer Fall, nämlich die Behandlung der Roma in Osteuropa.

Erwähnt wurde, wie sich durch Staatsgründungen nach der Auflösung des Ostblocks bzw. nach der Zerstörung Jugoslawiens Leute, die vorher anerkannte normale Staatsbürger waren, als staatenlos – ein Teil der Roma im Kosovo –, oder als nationale Minderheit im Unterschied zum Staatsvolk – etwa in Ungarn – wiedergefunden haben. Ein Antiziganismusforscher, der die Zigeunerfeindlichkeit erforscht, hat das charakterisiert als die Schaffung von Zigeunern durch die „Mehrheitsgesellschaft“. Zuerst werden sie, das war das Beispiel im Kosovo, staatenlos gemacht – und dann entsprechen sie dem Bild vom „vaterlandslosen Gesellen“, das es offenbar längst gibt. Was also diese Schaffung des Zigeuners durch Politik und Gesellschaft betrifft, verweise ich nochmal auf die Sendung vom 27. September, nachzulesen und zu hören auf cba.media – möchte das alles nicht wiederholen, sondern weitermachen mit der Frage, welches Bild haben denn nun die Zigeunerhasser, und woher kommt es. Sehr instruktiv ist dabei ein Lied von Andre Heller, ebenfalls vor zwei Wochen erwähnt. Die wichtige Strophe, ich zitiere – für den mangelnden künstlerischen Ausdruck kann ich nichts, kann nicht singen:

A Zigeina – a Zigeina mecht i sein –
Ja, so a Zustand kennt mi razn
Weus mi so, a so wia’s jetzt is, nimma gfreit –
A so wahnsinnig stiat! (ärgert mich, ist mir zuwider)
I wüü fuat, ganz weit fuat
Lassts mi ongland in mein Lebn!
A Zigeina, a Zigeina mecht i sein!

Das ist die Idealisierung des sog. Zigeunerlebens: Es freut ihn nicht mehr, er mag nicht mehr, er will fort, und man möge ihn in Ruhe lassen, er würde gern einfach abhauen: A Zigeina, a Zigeina mecht i sein! Der Zigeuner ist in dem Bild einer, der das als Lebensform praktiziert: Er ist frei, er ist ungebunden, er geht fort, wenn es ihm nicht mehr gefällt, er hat keine Verpflichtungen, keine Belastungen, kein „Hamsterrad“ und keine Tretmühle, die ihn fertig macht. Keine Anstrengungen, die sich so oft nicht wirklich lohnen, immer nur derselbe Frust. Dieses Bild ist unschwer als bürgerliche Wunschvorstellung kenntlich, im normalen Sprachgebrauch heißt diese Figur nämlich der „Aussteiger“ – das ist einer, der nicht mehr mitmachen will, weil das Verhältnis von Anstrengung und Ertrag so hoffnungslos zu seinen Ungunsten ausfällt, und der es deswegen ganz bleiben lassen will. Es gibt ja – ganz vereinzelt – diese Leute. Etwa in der Form, dass ein Segelboot angeschafft wird, sofern leistbar, und dann wird um die Welt gesegelt – und sobald die Gegend oder das Wetter nicht gefällt, geht es halt weiter … Andere versuchen es mit dem Campingbus, und wenn sie Glück haben, finden sie einige „Follower“, die ihnen durch Anklicken bei der Finanzierung helfen – weil eines ist auch klar, diese Lebensweise verträgt sich nicht mit marktüblicher Arbeit und einem daraus erzielten Einkommen. Bei Andre Heller ist daher eine gewisse Armut die Folge:

A Zigeina – a Zigeina mecht i sein
Ohne Haus, ohne Stod und ohne Gegend –
Nur a Sprungduach in des was dea Himmel fallt
Und du, und du warst mei Oide – olle Tog!
A Zigeina – a Zigeina mecht i sein
Und da Regn und da Gatsch warn mei Pullowa
Und de Stern da obn, des kannst ma glaubn
De warn mei Huat – mei leiwanda Huat!

Ohne Haus, ohne Stadt, der Regen und der „Gatsch“ (der Morast) ist sein Pullover, aber ein Weibchen sollte schon dabei sein: Und du, und du warst mei Oide – olle Tog! Er gehört nirgends richtig dazu – „ohne Gegend“ –, weil er ja ganz weit fort will, sobald es ihn nicht mehr freut.

Das wäre also die Idealisierung, die als Wunsch nach Freiheit ohne Verpflichtungen jedem anständigen Bürger wohlbekannt ist, was der normale Mensch aber bald als unrealistisch abschreibt – und wenn man reich genug ist, sich das leisten zu können, dann kann man ja auch bleiben, wo man ist, weil das Leben ohnehin angenehm ist. Die moralisch gegenläufige Interpretation dieser, derselben Figur, das ist dann der Drückeberger – und das ist noch wohlwollend formuliert, früher war mal die Bezeichnung „asozial“ verbreitet; eben weil dieser Drückeberger jeder anständigen anstrengenden Arbeit aus dem Weg geht und abhaut, sobald es ungemütlich wird, was im bürgerlichen Getriebe bald der Fall ist. (Kleine Zwischenbemerkung: Abhauen, sobald es frustrierend wird, wäre ja kein unbedingt schlechter Einfall – man wüsste halt nicht, wohin. Bgl. Wertehimmel hat beides auf Lager: Die Freiheit und das Streben nach Glück – und da gehört wohl das Abhauen dazu, sobald es einen nicht mehr freut. Das gegenläufige Verdikt ebenso: Das wäre der Vorwurf des Egoismus und der mangelnden Solidarität. Beides sind ziemlich beliebig verwendbare moralische Figuren. Und dass dieses Bild von der Zigeuner-Lebensweise mit der realen Existenz der Roma nichts zu tun hat, ist mir bekannt; die Information braucht mir niemand mitzuteilen. Ansonsten wäre halt endlich mal die Frage zu stellen, warum sich ihre Anstrengungen für viele Leute nicht lohnen und der Frust einfach nicht weniger wird – aber das fällt in die Politische Ökonomie des Kapitalismus.)

Rassismus: So alltäglich, wie seine „Verdrängung“ obligatorisch

Möchte an dieser Stelle endlich mit einer expliziten Rassismus-Definition weitermachen. Die übliche Antirassismus-Diskussion ist, wie sich das heutzutage gehört, pluralistisch. Was denn unter „Rassismus“ zu verstehen sei oder nicht, das sei eine Frage der Definition. Je nachdem, ob diese nun „enger“ oder „weiter“ gefasst sei, falle ein Phänomen darunter oder auch nicht. Und das stimmt definitiv nicht. Denn wenn mit „Rassismus“ etwas gemeint ist, wenn dieser Terminus einen eindeutigen Gehalt hat, dann der Standpunkt, es gäbe wertvolle und minderwertige Menschen, und zwar gleich im Kollektiv, also verschiedene Menschensorten, also die berühmten Rassen. Das ist die Bedeutung von Rasse; und die schließt die totale Negation des Individuums ein. Der Einzelne zählt nur als Exemplar „seiner“ Gattung, er gilt als vollständig determiniert, als festgelegt durch die ihm zugeschriebene Zugehörigkeit zu „seinem“ Kollektiv. Diese quasi-Stammeszugehörigkeit ist die wesentliche Eigenschaft und daher auch die völlig hinreichende Information über alle individuellen Exemplare. Damit ist – im völkischen Verständnis zumindest – alles gesagt, über Freund und Feind, loyal und illoyal, gut und böse, nützlich oder unbrauchbar; und darüber, was jemandem zusteht, und was nicht.

Alle bemühten Versuche, dem durch Umbenennen zu begegnen – „Roma“ statt „Zigeuner“ etc. –, gehen an der Sache vorbei. Im Erfolgsfall werden heute eben Roma diskriminiert: Der italienische Innenminister will sie registrieren, zählen und wenn möglich loswerden. Diese „antirassistische“ Sprachkritik ist eher ignorant, nicht kritisch. Sie nimmt das Offenkundige nicht gebührend zur Kenntnis und verharmlost den politisch praktizierten Rassismus zur Respektlosigkeit in Folge leichtfertigen oder auch absichtlich diffamierenden Sprachgebrauchs – so als würde durch die Verwendung „bösartiger“ Bezeichnungen quasi ein Aberglaube erzeugt, mit leider negativen praktischen Folgen. Das Dogma, das dieser political correctness zugrunde liegt, ist das von der substantiellen Grundlosigkeit des Rassismus, und das stimmt nicht. Darauf werde ich noch zurückkommen. Möchte nun ein paar Beispiele dafür anführen – für Rassismus und den Erfolg des Dogmas, so etwas gäbe es gar nicht. (Bin übrigens noch nicht beim sog. Alltags-Rassismus angekommen, wo also Leute auf der Straße beschimpft werden etc.)

Denn es gibt sie, im richtigen Leben, die Wertvollen und die Minderwertigen – fragt sich nur, für wen und warum. Eine Variante aus dem Fundus der vorherigen Regierung: Die türkis-blaue Regierung Kurz-Strache wollte damals den Südtirolern freihändig – ohne dass es große Nachfrage gegeben hätte –, eine Doppelstaatsbürgerschaft ermöglichen, also auch den österreichischen Pass zukommen lassen. Ungefähr gleichzeitig hat vor allem die FPÖ, aber nicht nur diese, darauf gedrungen, dass Austro-Türken so ein Doppelpass auf keinen Fall zusteht, dass allfälligen Betroffenen also die österreichische Staatsbürgschaft entzogen gehört, sofern sie die türkische nicht beweisbar zurückgelegt hätten. Die Frage, inwiefern Südtiroler für die ÖVP-FPÖ-Koalition offensichtlich wertvoller sind als Türken, die wurde von niemandem gestellt. Ein öfter übliches Kriterium des damaligen österreichischen Kanzlers für die Wertvollen – die, „die ins System einzahlen“ – gibt die Unterscheidung in dem Fall sicher nicht her: Die Türken in Österreich zahlen ja, die Südtiroler in Italien nicht. Nicht einmal als Rassismus-Variante wurde diese Sachlage erkannt. Durch die gern von Antirassisten verlangte Problematisierung oder gar Ächtung von Bezeichnungen wie „wertvoll“ und „minderwertig“ ändert sich der Sachverhalt – Doppelpass oder nicht? – jedenfalls in keiner Weise. Die Geschichte hat sich übrigens durch den massiven Protest der italienischen Regierung derzeit zumindest erledigt, das Projekt „Doppelpass“ wurde nicht weiterverfolgt, es findet sich auch nicht in der türkis-grünen Fortschreibung des früheren Programms. Zumindest in Italien wurde der Vorstoß sofort als imperialistisches Projekt identifiziert, mit dem Österreich der Republik Italien einen Teil der Bürger abspenstig machen will, so wie das Ungarn in seiner Umgebung betreibt, wenn ungarische Pässe an Rumänen oder Ukrainer oder Slowaken ausgegeben werden – wenn man schon nicht räumlich expandieren kann, möchte man wenigstens personell das Volk verbreitern.

Apropos Italien! Gerade der damalige italienische Innenminister hat mit seiner Ansicht über die Wertvollen bzw. Minderwertigen nicht hinter dem Berg gehalten und sich vor Begeisterung über seine Landsleute zu aufschlussreichen Komplimenten hinreißen lassen. Anlass war die Frage, ob nicht durch Migration die Bevölkerungsentwicklung zu korrigieren sei, die sich durch sinkende Geburtenraten auszeichnet:

„Es könne nicht darum gehen, die Besten aus der afrikanischen Jugend herzuholen, um Europäer zu ersetzen, die keine Kinder bekämen. ‘In Italien gibt es die Notwendigkeit, unseren Kindern zu helfen, Kinder zu bekommen – und nicht, neue Sklaven zu haben, um die Kinder zu ersetzen, die wir nicht haben.’“ (www.tagesschau.de)

Salvini braucht keine afrikanischen „Sklaven“ – er hat ja Italiener! Aber die müssten dafür allerdings ausreichend gezüchtet werden. Der „Sklave“ steht natürlich für Benutzung, für Ausbeutung; ein Soziologe nennt so etwas ein „funktionales Äquivalent“ – beide Sorten von Werktätigen, die afrikanischen und die italienischen, erbringen dieselbe Leistung. Aber was spricht in Salvinis Augen dann gegen „Sklaven“, auch wenn sie die Schufterei genauso hinkriegen würden wie Eingeborene? Hat er Vorurteile? Nur weil es sich nicht um Italiener handelt? Klar, die „Sklaven“ müssen erstens immer noch aus freien Stücken nach Norden kommen und könnten auch wieder gehen, sobald es ihnen stinkt; bei den so geschätzten „Autochthonen“ halten Rassisten das Mitmachen und Aushalten aller nationalen Ansprüche hingegen gewissermaßen für angeboren, für im Blut liegend. Das ist ja das tolle an vielen „eigenen“ Kindern und zugleich das, was etwa den people formerly known as „Zigeuner“ so abgeht, die praktizieren nämlich das „Abhauen“ als Lebensform – zumindest in der rassistischen Völkerkunde. Warum Salvini „seine“ wertvollen Südtiroler einfach nicht mehr hergibt, ist damit auch klar. Auch diese Bemerkung war übrigens kein Skandal, und wurde auch nicht mit Rassismus in Verbindung gebracht. Dasselbe gilt für einen österreichischen Altmeister in allen diesen Fragen, und auch seine mittlerweile 30 Jahre alten Komplimente an die Wertvollen galten und gelten nicht als rassistischer Skandal. Jörg Haider vor ca. 30 Jahren:

„Und man muss ja auch ganz ehrlich sagen, es hat sich ja auch als richtig herausgestellt, dass es nicht immer die Besten sind, die zuerst von zu Hause weglaufen. Dadurch haben wir eine riesige Kriminalität in diesen Einwanderungsbereichen bekommen. … Es gilt letztlich das sicherzustellen, was man auch unseren Eltern und Großeltern im Jahre 1945 nach dem Krieg gesagt hat. Als die vor dem Trümmerhaufen dieser Republik gestanden sind, hat man ihnen auch gesagt: Nicht abhauen von Österreich heißt die Devise, sondern die Ärmel aufkrempeln, fleißig arbeiten und dieses Land aufbauen. Und sie haben dieses Österreich hervorragend aufgebaut, aber das gilt auch für die Osteuropäer: Nicht abhauen von daheim, sondern selbst fest arbeiten und das Land aufbauen, und die reichen Länder werden euch ein bisschen behilflich sein. (Jörg Haider, Wahlkampfrede, 24.9.1990)

So hat sich Haider anlässlich der ersten Migrationswelle nach der Auflösung des Ostblocks verbreitet. Die damaligen Minderwertigen stammten übrigens aus dem christlichen Abendland, damals war der Islam noch kein Thema. Die Wertvollen wieder zeichnen sich jedenfalls dadurch aus, dass sie alles mitmachen, sich alles gefallen lassen, im Krieg wie im Frieden, in Faschismus und Demokratie. Sie sind die bedingungslos Zuverlässigen, die fraglos für alles zu Verfügung stehen, was das Land – das ihnen als „ihr“ Land gilt – gerade verlangt. Unverwüstlich jedenfalls, sogar wenn das Land, dem sie ergeben sind, eine kriegsbedingte Transsubstantiation durchmacht, vom faschistischen Dritten deutschen Reich zur demokratischen Zweiten österreichischen Republik. Die Wertvollen fragen nicht, was sie denn davon haben, fragen nicht, was ihr Land für sie tut, sie sind umgekehrt unverbrüchlich dabei und bis zum Exzess dafür. Sie sind treu – in schlechten Tagen, in Armut und Krankheit, bis dass der Tod usw. Darauf dürfen sie dann richtig stolz sein, nach Meinung genau der Machthaber, die ihnen wie schon seinerzeit den „Eltern und Großeltern“ sagen, was sie in Krieg und Frieden alles zu erledigen haben.

Von zu Hause wegzugehen und im Ausland kriminell zu werden, das ist umgekehrt eine schlüssige, naheliegende Laufbahn; aus völkischer Sicht – weil schon das Fortgehen den Charakter offenlegt. Wer an sich denkt, wem seine Interessen wichtiger sind als das Vaterland, der hat sich als Deserteur oder Drückeberger betätigt. (Auch dann, wenn es seiner Heimat in Polen oder Ungarn durchaus gelegen kommt, unbenutztes Proletariat zu exportieren, um wenigstens Überweisungen in die Heimat zu lukrieren.) Ein wirklich anständiger Mensch geht mit und für die Heimat durch dick und dünn, macht unbeirrbar alle guten und schlechten Zeiten mit, wie die Politik sie ihm auferlegt. Wer hingegen berechnend für den persönlichen Vorteil unterwegs ist, wer die Frage nach seinem Nutzen oder Schaden stellt, der wird vermutlich in Österreich zum Verbrecher, denn alle ökonomischen Mechanismen und Momente der Lohnarbeit für Kapital, so wie Haider sie geschätzt hat, zeitigen sachzwanghaft das Ergebnis, nicht für sich zu schuften, sondern für Kapital und Staat. Wer keine praktische Selbstlosigkeit gegenüber der Heimat aufbringt, wird im Ausland mit dieser Form der Arbeit Probleme kriegen, weil er damit garantiert nicht reich und glücklich wird, er ist daher ein potentieller Krimineller. Eine interessante Auskunft über Lohnarbeit. (Das mit der „Hilfe“ der reichen Länder gehört in die Abteilung „fake news“, das waren Erschließungsmaßnahmen für das westeuropäische Kapital.)

Die bisherigen Beispiele kreisen alle um das Staatsvolk – wer dazu gehört oder gehören soll, und wer nicht, und vor allem um die politischen Ansprüche an ein solches, wie von Haider ebenso entlarvend wie un-skandalös dargestellt.

Letztes Beispiel, für eine Art Flüchtlingsrassismus: Gibt offenbar wertvolle und minderwertige Flüchtlinge. Während der olympischen Spiele in Tokio hat sich eine Leichtathletin aus Weißrussland vom Team abgesetzt, und der Frau ist etwas angeboten worden, was sonst als Zumutung und Skandal gilt: Der Frau ist Asyl-Shopping angeboten worden, die konnte es sich aussuchen, ob sie nach Österreich will oder nicht, sie hat sich dann für Polen entschieden – obwohl es zwischen Tokio und Wien eine ganze Reihe von sog. sicheren Drittländern gibt, wo die Frau in Sicherheit gewesen wäre. Zumindest ist das die Sprachregelung und der Vorwurf gegenüber anderen – offenbar weniger wertvollen – Asylwerbern. Zur gleichen Zeit hat die öst. Regierung ihre kategorische Ablehnung der offenbar in ihren Augen minderwertigen afghanischen Flüchtlinge bekräftigt …

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