Rassismus und Antirassismus: Macht der Sprache und Reden über Diskriminierung

14.12.2021

Thema ist die weitere Diskussion zu Einwänden zum Beitrag vom 28. September, begonnen schon Ende November; im Zweifelsfall bitte die früheren Beiträge nachlesen.

Sir Sonnleitner:

„Damit entspricht die ganze Sprachkosmetik den Interessen der herrschenden Klasse, weil der pseudo-emanzipatorische Gestus mit seiner Fixierung auf Scheingegensätze (Frauen-Männer, Weiße-Bunte, Inländer-Ausländer, „Queere“, „Binäre“ etc.) eben just dazu dient, vom entscheidenden Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit abzulenken, ja ihn zu verschleiern und quasi aus dem Bewußtsein zu tilgen. So ist es nur folgerichtig, daß da, wo Zigeunersoße das Problem ist, Ausbeutung kein Problem mehr ist. Insofern scheint mir Frau Wagenknecht sehr genau ein Strategem im Klassenkampf von oben decouvriert zu haben.“

Zum „Scheingegensatz Frauen – Männer“ und zum Klassenkampf bei Wagenknecht

„Gegensatz“ ist kein Ehrentitel, den sich Konflikte oder Antagonismen erst verdienen müssten, womöglich durch ihre „Systemrelevanz“. Wenn in schöner Regelmäßigkeit Männer nicht irgendwelche Frauen umbringen oder verletzen, sondern „ihre“ Frauen oder ihre sog. „Ex“; wenn der gefährlichste Ort in der Gesellschaft – für Frauen – die (gemeinsame) Wohnung der Familie ist; und wenn die Situation häufig mit ihrer Ankündigung, sich trennen zu wollen, eskaliert – was ist da los im Verhältnis der Geschlechter?! Diese Frage kann man sich doch stellen, erst recht, wenn man merkt, wie sich die Politik auf das Thema setzt und es ausschlachtet, sobald ein Ausländer oder Asylwerber der Täter mit der Unschuldsvermutung ist. Sobald aber ein einheimischer Polizist seine Frau oder Verlobte umbringt oder sobald ein hiesiger Jugendlicher eine schwangere Freundin absticht, sind dieselben Figuren still wie die Mucksmäuschen. Und mit dem Hinweis, dass die Täter in der Regel Männer sind, ist auch noch nichts geklärt, da gehört schon noch mehr dazu. Klar, da stehen sich in der Regel je ein Mann und eine Frau gegenüber, und nicht zwei Kollektive wie beim Klassengegensatz, sobald sich die Proletarier mal zusammengeschlossen haben. Sich auch mal darüber den Kopf zu zerbrechen, das ist weder eine Ablenkung vom Klassengegensatz noch eine „Verschleierung“ desselben. Erst recht nicht, wenn einem die üblichen Berichte gar nicht gefallen, und man deswegen dem üblichen Berichtswesen was entgegensetzen möchte. Übrigens, Wagenknecht lässt sich genau wie Sir Sonnleitner dadurch auch nicht „ablenken“. Ich übrigens auch nicht. Und wenn man schon der Meinung ist, der Klassengegensatz sei der „entscheidende“, und andere Streitgegenstände im Vergleich dazu gleich ein ziemlicher „Schein“, dann scheint mir doch angebracht, das auch zu argumentieren, und nicht nur zu behaupten. Verweise hiermit auf die Serie „Die Familie etc.“

Dass die „Eigentumsverhältnisse“ der springende Punkt des bürgerlichen Ladens sind, da stimme ich natürlich zu, und das ist in meinem Koordinatensystem das, was den Marxismus kennzeichnet, das ist dessen Alleinstellungsmerkmal. Demgegenüber sind „rechts“ und „links“ Varianten bürgerlicher Politik, wobei „rechts“ für Recht und Ordnung steht und Eigentum, das Niederhalten und Niedermachen von Opposition ab und an inbegriffen – und „links“ steht für das Bedürfnis, der Staat müsse sich wegen der Wirkungen des Eigentums auf die, die nicht viel davon haben, um ebendiese Armen kümmern, damit die trotz ihrer Armut ihre notwendigen Dienste im Staat, in der Wirtschaft und in der Familie verrichten können. Und dieses Kümmern von Staats wegen ist in den letzten Jahren ausgedehnt worden, auf andere Gruppen Benachteiligter, alles auf Basis der Vorstellung, die Behandlung der sozialen Frage sei hinreichend eingetütet, indem sie schon längst in den „Regelbetrieb“ der Staaten übernommen wurde. Da wird, wie schon mal erwähnt, nichts verschleiert oder aus dem Bewusstsein getilgt, sondern da ist die „soziale Frage“ ständig präsent – im letzten deutschen Wahlkampf als Frage nach dem „Respekt“, der auch armen Leuten gebührt, die deswegen wenigstens einen Mindestlohn verdienen sollten. Darüber kann man bei Gelegenheit gern mal diskutieren, aber verschwiegen wird im modernen Staat nichts, die Gemeinheiten sind in all den Fürsorgemaßnahmen enthalten, mit denen das Proletariat beglückt wird. Und in die Frage, wer oder was sich denn nun mit Fug und Recht „links“ nennen darf, die Frau Wagenknecht oder die „selbstgerechten“ Linken, will ich mich lieber nicht einmischen.

Wenn Wagenknecht „ein Strategem – eine (Kriegs)List – im Klassenkampf von oben decouvriert“ hat, so folgt daraus m.E. mitnichten, Wagenknecht wäre deshalb eine Proponentin des Klassenkampfs von unten. Meines Wissens ist einer ihrer wesentlichen Vorwürfe an die „selbstgerechten“ Linken, diesen mangle es an Empathie (deutsch: Einfühlungsvermögen, Mitgefühl), die würden sich also aus Mangel an Mitleid oder so nicht genügend um die Armen kümmern, die da selbstverständlich als Ansammlung von Betreuungsfällen unterstellt sind – das ihr Vorwurf. Nun, wenn es wirklich so weit gekommen ist, dass sich das frühere Proletariat inzwischen zu den sog. „kleinen Leuten“ weiterentwickelt hat, die auf das Mitgefühl der „großen Leute“ in Politik und Wirtschaft angewiesen sind, und dazu gehören wohl auch gewählte Linke in Machtpositionen – dann ist ohnehin Hopfen und Malz verloren …

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Exkurs: Zum Leistungsidealismus des Antirassismus

Es gibt in dieser besten aller möglichen Welten eine so flächendeckende wie eklatante Benachteiligung, die nicht als solche gilt, die zumindest nicht als Diskriminierung gilt, weil sie die dieser Gesellschaft eingeschriebene, ihr immanente, quasi die natürliche und „angeborene“ Benachteiligung ist: Das ist der Mangel an Geld. Wer sich Güter, die es reichlich gibt, nicht leisten kann, weil die Dinger halt verkauft werden wollen, der ist ohne Zweifel benachteiligt gegenüber anderen, aber eben nicht diskriminiert, oder zumindest nicht rechtlich gesehen diskriminiert. Weil diese seine Benachteiligung völlig ohne Ansehen der Person allein auf Basis des Geldbeutels vollstreckt wird. Diese Welt des Geldverdienens und des Geldausgebens ist obendrein eine voll von Ungerechtigkeiten – auch das ist politmoralisch durchaus anerkannt und registriert, indem es die zuständigen Institutionen und Verfahren gibt, wie Lokführerstreiks, Gewerkschaften, linke Parteien, Sozialstaat und Arbeitsamt und Sozialhilfe und Sozialmärkte und „Tafeln“ für zertifizierte Bedürftige. (Wenn „Ausbeutung“ heute kein Problem mehr ist, dann liegt das nicht daran, dass der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit durch das Zigeunersaucenproblem aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt worden wäre, sondern daran, wie dieser Gegensatz ständig präsent ist, in der gesellschaftlichen Praxis und in der Öffentlichkeit: Nämlich als seine Verwaltung durch die erwähnten Instanzen, die sich um Gerechtigkeit wenigstens bemühen. Für die ebenfalls als bescheiden öffentlich anerkannten Resultate kann die Umbenennungsfraktion wirklich nichts.)

Die „political correctness“ will ihre Schutzbefohlenen erst noch so richtig in genau diese Sorte Gerechtigkeit hineinmanövrieren, weil sie glaubt, die würden durch vorgelagerte und zusätzliche Hindernisse beim Geldverdienen und Geldausgeben öfter ihrer Chancengleichheit beraubt – Hindernisse, die dem Geldwesen eigentlich fremd seien. Stimmt denn das? Ganz bestimmt sogar! Die Frage ist bloß, ob das diesem System wirklich wesensfremd ist! Denn wenn zehn Leute eine bestimmte Wohnung oder einen bestimmten Job wollen, dann schauen neun davon nun einmal durch die Finger. Nun kann man sich ohne Zweifel den Kopf darüber zerbrechen, wer das begehrte Gut noch nötiger braucht als die anderen Bewerber, oder wie das begehrte Gut ganz gerecht den überzähligen Bewerbern vorenthalten werden könnte. Diese Überlegungen sollte man aber lassen, denn die Frage ist geklärt: Es gehört allemal zur Freiheit des jeweiligen Eigentümers, da seine Kriterien, vielleicht auch seine Spinnereien oder „Vorbehalte“ geltend zu machen. Die Vorstellung, es gäbe im ordentlichen Kapitalismus ein unbestechliches und sozusagen „farbenblindes“ und sachlich eindeutiges Kriterium für wirklich und ganz ehrlich verdiente Chancen, nämlich die abverlangte Leistung, die täuscht sich. Der entwickelte Arbeitskräftemarkt hat es längst dazu gebracht, dass jeder ersetzbar ist und auch bei der nächsten Fluktuation ersetzt wird, falls er es nicht bringt, und zwar nach der maßgeblichen Meinung des Anwenders der Arbeitskraft oder des sonst wie berechtigten Vertreters des Eigentümers. Die ist das gültige Regulativ.

Ein drastisches Beispiel zur Verdeutlichung der „gerechten“ farbenblinden Chancenverweigerung: In Österreich müssen angehende Medizinstudenten seit einigen Jahren ein Auswahlverfahren in Form eines ausführlichen Tests überstehen, um zugelassen zu werden; von ca. 20000 Aspiranten wird ungefähr ein Zehntel genommen, der Rest schaut durch die Finger. Die Ansicht, man könne vor dem Studium und vor der praktischen Ausbildung feststellen, wer nachher ein besserer Arzt geworden sein wäre, und so könnten die wirklich „Besten“ ausgewählt und zugelassen werden, die ist absurd. Bin sicher, vom ärztlichen Wirken nach ca. 10 Jahren Ausbildung her gesehen, könnte diese Auswahl auch ein Zufallsgenerator erledigen, oder alle stellen sich in einer Reihe auf, und jeder zehnte darf studieren oder, oder … Das wesentliche Ergebnis des momentan gültigen Verfahrens ist die schöne Schuldzuweisung an die „Versager“ und der Stolz derer, die es geschafft haben. Auf ihre „Leistung“. Der wirkliche Test auf Tauglichkeit ist dann ohnehin das Studium.

Oder: Früher mussten Bewerber für eine Stelle öfter einen handschriftlichen Lebenslauf einreichen, worauf nicht Eingeweideschauer, sondern Handschriftenexperten ihre „Schlüsse“ auf Charakter und Leistungsfähigkeit der Kandidaten zogen. Astrologen ermitteln ebenfalls aus dem Stand der Gestirne zum Zeitpunkt der Geburt solche Sachen, auch wenn das heutzutage kein Personalchef oder Manager zugibt; Psychologen hingegen sind anerkannt. Der eklatante Widersinn ist immer die Vorstellung, man könnte die relative Leistungsfähigkeit verschiedener Aspiranten messen, bevor diese die jeweilige Tätigkeit ausüben, und zwar durchaus jenseits dessen, was an fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verlangt ist. Die sind sowieso selbstverständlich unterstellt. Dass ein übergewichtiger Kettenraucher ein schlechter oder schlechterer Manager ist, ist Humbug – aber wenn die moderne Menschheit nun mal fest daran glaubt, so einer habe eben seine „Schwächen“ und damit sich nicht im Griff, was den Headhunter an seiner „Energie“ und Leistungsfähigkeit zweifeln lässt? Soll er ev. wegen „Diskriminierung“ klagen? Kurz und bündig: Die Macht des Eigentums in Gestalt seiner ausübenden Organe und Funktionäre kann da alle ihre Kriterien frei zur Geltung bringen; die Vorstellung, es sein im Kapitalismus unbedingt nötig und sogar möglich, dass gnadenlos immer der oder die „Beste“ ausgewählt werde, ohne einen Blick auf die sonstigen Eigenheiten der Person zu werfen, ist sach- und weltfremd. Die üblichen Diskriminierungsverbote belegen wieder mal, was da täglich läuft, und ein Machthaber über Jobs oder Wohnungen oder Sozialleistungen kann seine Abneigungen im Rahmen seiner Spielräume halt zum Ausdruck bringen, solange er keine Beweise hinterlässt. Es hängt eben sehr davon ab: Sobald Personalmangel gegeben ist, nehmen Tourismusbetriebe auch Asylwerber als Lehrlinge, und beschweren sich über die Gefahr der Abschiebung. In einer anderen Situation, bei Überangebot, sind sie dann u.U. auch wählerischer, und verlangen Deutschkenntnisse. Habe das ungarische Beispiel erwähnt, wo die Roma-Bevölkerung nach dem Systemwechsel zu Demokratie und Marktwirtschaft ziemlich geschlossen aus dem Wirtschaftsleben hinausgedrängt wurde, ohne dass dafür explizite Rassengesetze zuständig waren. Die Marktwirtschaft ist in diesem Sinn kein fairer Wettbewerb, wo allein die gemessene Leistung zählt, sondern die Nutznießer und maßgeblichen Moderatoren dieses „Wettbewerbs“, die modifizieren die „Regeln“ ständig nach ihren Bedürfnissen.

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In Bezug auf diese Sendung haben mich indirekt auch andere Einwände erreicht, zu denen ich noch Stellung nehmen möchte. Ich muss diese Einwände notgedrungen referieren, weil mir die Stellungnahmen im Original nicht bekannt sind:

Ein Vorwurf lautet, dass andere „Positionen“, „schnell als ‘Unsinn’ abgetan würden“. Nun ja, dazu zitiere ich mich einfach im Wortlaut selber: „Möchte einleitend gleich klar Stellung beziehen, und das dann erläutern: Ich halte die These von der ‘Macht der Sprache’ für Unsinn“ – da ist ausdrücklich von einer Einleitung die Rede, und Erläuterungen werden angekündigt, die auch gekommen sind. Es wäre im Sinn einer gedeihlichen Diskussion hilfreich, wenn sich die Beschwerdeführer auf die Argumente beziehen würden, statt nur das Wort „Unsinn“ abzulehnen. Ein kleiner ironischer Schlenker am Rande: Dieser Einwand entspricht übrigens genau meinen Behauptungen über die nicht vorhandene „Macht der Sprache“: Offenbar hat sich da niemand von der „Macht“ des Wortes „Unsinn“ beeindrucken lassen, sondern die Charakterisierung wird – leider argumentlos – abgelehnt. Das Wort als solches hat eben keine „Macht“, weder über den, der es verwendet, noch über diejenigen, die es lesen oder hören – man kann sich dem Befund anschließen, oder ihn ablehnen.

Zudem wurde moniert, dass in der Sendung „Urteile in Bezug auf gesellschaftliche Diskriminierungen formuliert würden, z.B. es sei für die jeweils ‘Betroffenen’ egal, wie sie bezeichnet werden, gleichzeitig jedoch bliebe die Perspektive, aus der solche Argumente formuliert werden, komplett unsichtbar.“ Nun, nachdem Rassismus das Thema ist, gehören gesellschaftliche Diskriminierungen und die einschlägigen Urteile eben zum Kern des Themas. Dass es für „die Betroffenen egal ist, wie sie bezeichnet werden“, bezieht sich vmtl. auf die Bemerkung, dass solche Umbenennungen, ich zitiere mich, „den Betroffenen nichts nützen, auch wenn sie erfolgreich sind; es werden eben nun nicht mehr Zigeuner, sondern Roma diskriminiert, woran man etwa erinnert wird, wenn der Papst in der Slowakei vorbeikommt und das dortige große Ghetto besichtigt, oder wenn der frühere italienische Innenminister nicht mehr Zigeuner, sondern Roma registrieren möchte, und und und …“ Was ist daran falsch? Es sind noch andere Ausführungen zur Lage der Roma im Kosovo und in Ungarn nach den bekannten „historischen“ Umwälzungen im Osten enthalten, mir ging es darum, dass gerade der „Fortschritt der westlichen Freiheiten“ nach Osten dort neue Diskriminierungen hervorgebracht bzw. vorhandene Gleichstellungen abgewürgt hat, weil solche Diskriminierungen der besten aller Welten von Freiheit, Demokratie und Kapitalismus überhaupt nicht fremd sind. – (Insofern ist mir die Beschwerde über eine „unsichtbare Perspektive“ auch nicht recht klar. Bei diesen missbilligten Ausführungen handelt es sich in erster Linie um die Erwähnung von Tatsachen, die gar keiner Perspektive geschuldet sind, sondern nur einem halbwegs intakten Gedächtnis.)

Eine abgewandelte Variante des Vorwurfs lautet, dass schon das „‘Sprechen über’ bestimmte Menschengruppen und sie betreffende Zuschreibungen“ insgesamt problematisch sei und womöglich gar nicht zu einem „emanzipatorischen Medium“ passe. Das hat mir doch einigermaßen zu denken gegeben, diese nicht sehr ausführlich untermauerten Vorbehalte in Richtung auf „Urteile in Bezug auf gesellschaftliche Diskriminierungen“ bzw. bezüglich des „Sprechens über bestimmte Menschengruppen und sie betreffende Zuschreibungen“. Denn bisher bin ich davon ausgegangen, dass es darauf ankommt, WELCHE URTEILE über gesellschaftliche Diskriminierungen formuliert werden, bzw. WAS denn nun über bestimmte Menschengruppen gesagt wird – und nicht DASS überhaupt Urteile vorkommen bzw. DASS überhaupt darüber gesprochen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob meine folgenden Überlegungen diese Einwände treffen oder völlig vorbei gehen, aber ich mach’ mal einen Anlauf; falls etwas ganz anderes gemeint ist, bitte um die Information, bzw. um Korrektur.

Also: Der folgende Satz ist eine Tatsachenbehauptung: In Osteuropa hausen viele Roma im Dreck, also unter elenden Bedingungen. Wie gesagt, m. E. eine Tatsache, da gibt es nichts zu beschönigen. Ein etwas abgewandelter Satz lautet: In Osteuropa hausen viel Roma im Dreck, weil die halt so sind, weil das ihnen entspricht und sie das auch verdienen. Der zweite Satz ist die rassistische Verdrehung, die rassistische Interpretation des ersten Satzes. Rassismus als Ideologie, eben als Zuschreibung von Eigenschaften zu Menschengruppen besteht genau darin, dass das, was an verschiedenen Kollektiven hergestellt wird, als deren Eigenschaft und Eigenart, als deren vielleicht sogar angeborene und im Blut liegende „Art“ auszugeben. Eine historische Reminiszenz: Während der Sklaverei nicht nur in Nordamerika wurde die gewaltsame Behandlung und Benutzung der Sklaven als die entsprechende Eigenart, als die Natur schwarzer Menschen behauptet. Nun kann und will jede rassistische Weltanschauung den einen Satz – die Tatsachenfeststellung – nicht vom zweiten Satz – der rassistischen Rechtfertigung – unterscheiden. Mein Eindruck ist nun, dass sich da auch kritisch gestimmte Menschen damit schwer tun; mir kommt vor, dass die rassistische Hetze dadurch verhindert oder gebremst werden soll, dass überhaupt nicht über „bestimmte Menschengruppen“ gesprochen werden soll – egal wie – weil dann auch das verächtliche, das entwürdigende Sprechen unterbunden sein soll.

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Thema:Society
Sprache: German
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