Polen: Auf dem Weg zum autoritären Staat?
Anfang 1991, gut ein Jahr nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Mitteleuropa, gründeten Polen, die damalige Tschechoslowakei und Ungarn die Visegrád-Gruppe. Sie wollten sich auf dem Weg zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der NATO sich gegenseitig unterstützen. Auch nach dem Erreichen dieser Ziele besteht die Gruppe fort und versucht, neue Aufgaben für sich zu definieren, wie beispielsweise das gebündelte Artikulieren gemeinsamer Interessen innerhalb der EU. Wie zuvor angekündigt sprechen wir über Polen und betrachten Themen, die in letzter Zeit für Schlagzeilen gesorgt haben.
Nach der mit Solidarnosc 1980 begonnenen und 1989 vollzogenen Wende hatten viele Polinnen und Polen Hoffnung auf ein liberales politisches System.
Seit dem die rechtskonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“, kurz PiS, die von Jarosław Kaczyński angeführt wird, die Parlamentswahlen im Oktober 2015 gewonnen hat, hat sich Polen nachhaltig verändert. Eine starke Polarisierung ist die Folge dieser Politik. Es wurde eine Reihe von administrativer und legislativer Rechtsakte verabschidet, wie z.B.: ein neues Mediengesetz, ein neues Gesetz über den öffentlichen Dienst, die Änderung des Polizeigesetzes, Gesetz über die Versammlungsfreiheit und vor allem die Justizreformen. Auch die Frauen- und Gleichstellung von Frauen und Männern scheint in den letzen zwei Jahren in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. EU-Parlament sieht in den vorgenommenen Gesetzänderungen „eindeutig ein schwerwiegender Verstoß gegen europäische Grundwerte“ und befürchtet den Aufbau einer illiberalen Demokratie in Polen (eine Art national-populistische Demokratie).
Das umstrittene Holocaust-Gesetz
Die Bezeichnung „polnische Konzentrationslager“ und „die polnische Nation sind für den Holocaust mitverantwortlich gewesen“ sind für polnische Regierung nicht akzeptabel. Aus diesem Grund hat die rechtskonservative Regierung in Warschau ein Gesetz erlassen, das am 1.März 2018 in Kraft getreten ist. Das Gesetz sieht bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand „öffentlich sagt und verbreitet. Warum sorgt das Gesetz für so viel Aufregung ? Wie schaut es mit der Auslegung des Gesetzes aus: Wer legt fest, ob etwas im Rahmen von Kunst oder doch außerhalb davon gesagt wurde? Und wer sind hier überhaupt „polnische Bürger“? Darüber spreche ich mit Beata Dzon-Ozimek, eine freie Journalistin aus Polen.
Frauenpolitik und ihre Folgen
Vor zwei Jahren wurde das Programm „500 Plus“ der polnischen Regierung für Familien ins Leben gerufen. Ab dem zweiten Kind bekommt jede Familie 500 zlotych (sind ca. 120 Euro) monatlich. Ziel des Programms war, die Geburtenzahl zu steigern. Mit dem Programm löst Recht und Gereichtigkeit (PiS) ihre wichtigste Wahlversprechens ein, doch für Frauen hat es unerwartete Folgen: es gibt mehr Arbeitslosigkeit unter den Frauen und gleichzeitig eine finanzielle Abhängigkeit. Außerdem will die polnische Regierung das Abtreibungsrecht weiter verschärfen. Selbst bei schwereren Behinderungen wäre ein Schwangerschaftsabbruch demnach verboten. Das polnische Abtreibungsrecht zählt bereits zu den strengsten in Europa. Frauen können Schwangerschaften nur abbrechen, wenn sie vergewaltigt wurden, das Leben der Mutter in Gefahr ist oder das Kind eine schwere Behinderung hat. Über die Frauenstitation in Polen spricht Katarzyna Iwaniuk mit Barbara Nowicka, eine polnische Politikerin und Feministin.
Klimakonferenz in Katowice
Internationale Klimapolitik gestalltet sich oft sehr zäh. Das Bemühen, etwas gegen die Erderwärmung zu tun, stößt oft auf heftigen Widerstand. Heuer 2018 findet die UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz statt. Polen war schon zweimal als Gastgeber der Klimakonferenz, nämlich im Jahr 2008 in Poznań (Posen) und im Jahr 2013 in Warszawa (Warschau). Mehr über die bevorstende Konferenz in Katowice erfahren wir im Beitrag von Radio Corax.
Ergänzend zu den vorhigen Beiträgen gibt es eine wichtige Information: Der Europäische Gerichtshof hat die Abholzungen im Białowieża-Urwald für rechtswidrig erklärt! Im Jahre 2016 erlaubte der damalige Umweltminister Jan Szyszko der regierenden PiS-Partei illegalerweise eine Verdreifachung der vorher mit Umweltverbänden vereinbarten Abholzungsrate. Die Regierung begründete dies mit dem großflächigen Borkenkäferbefall. Ende 2017 drohte der EU-Gerichtshof mit Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro am Tag, sollte Polen weiter in Naturschutzgebieten abholzen. Nun hat der Europäische Gerichtshof gesprochen: Die Rodungen in Białowieża sind rechtswidrig.
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