Meinungsäußerung als schwere Nötigung – Berufung der Staatsanwaltschaft bei fünf Tierrechts- und Tierbefreiungsaktivist_innen stellt Grundrechte infrage.
Viereinhalb Jahre nach Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von Tierrechts- und Tierbefreiungsaktivist_innen in ganz Österreich und eineinhalb Jahre nachdem im Landesgericht Wiener Neustadt zum Abschluss eines 14 Monate dauernden Prozesses alle Angeklagten von allen Vorwürfen freigesprochen wurden, hat das Oberlandesgericht Wien nun über die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung auf Schuld und Nichtigkeit zu entscheiden. Betroffen davon sind vordergründig fünf der ursprünglich dreizehn Angeklagten, bei genauerem Hinsehen aber geht es um mehr.
Das zentrale Argument der Staatsanwaltschaft sei, dass die bloße Ankündigung legaler, verfassungsrechtlich geschützter Protestkampagnen und Demonstrationen bereits den Straftatbestand der schweren Nötigung erfüllen würden, dessen Strafrahmen sechs Monate bis fünf Jahre beträgt, erklärten Anfang Oktober zwei betroffene Aktivist_innen.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft und die mit Spannung erwartete Entscheidung des OLG ist somit nicht nur für die Tierrechts- und Tierbefreiungsszene von Bedeutung, sondern betrifft jeden politischen Aktivismus in Österreich, der nach dieser Argumentation der Staatsanwaltschaft als Nötigung kriminalisiert werden könnte.
Die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit seien in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben und von der Verfassung garantiert, betont unter anderem der Rechtsanwalt Josef Phillip Bischof. Die Ankündigung oder Abhaltung von angemeldeten und nicht untersagten Demonstrationen teilweise Jahre später als gefährliche Drohung und somit als strafbare Handlungen zu interpretieren, wie es in der Berufung der Staatsanwaltschaft geschehe, sei daher grob verfassungswidrig.
Nach Einlangen der Gegenschrift der Angeklagten kann das Oberlandesgericht Wien nun die Berufung der Staatsanwaltschaft abweisen, der Berufung wegen Nichtigkeit stattgeben, was eine neuerliche Verhandlung in erster Instanz erfordern würde, oder der Berufung stattgeben und das Verfahren mit einer Verhandlung in zweiter Instanz fortsetzen. Rechtsanwalt Josef Phillip Bischof rechnet dabei nicht damit, dass das Verfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann.
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