Land und Freiheit – Texte zum Grundeigentum, Teil 1
Land und Freiheit: historische und aktuelle Texte zum Grundeigentum
Eine Buchpräsentation des PROMEDIA-Verlags
Das Buch, um das es geht: http://www.mediashop.at/typolight/index.php/buecher/items/gerhard-senft-40hg41—land-und-freiheit
TEILNEHMER DES PODIUMS
Moderation: Hannes Hofbauer, Leiter des Promedia-Verlags, sowie
Gerhard Senft, Herausgeber, und
Amelie Lanier, Autorin
Gerhard Senft: Die Einhegungsbewegung (Enclosures) in Großbritannien war eine großflächige Enteignung der Bauern im Zuge der Frühindistrialisierung, die das Land von den Bewohnern „befreite“ und sie zu Lohnarbeiter-Material für die entstehende Textilindustrie bereitstellte.
Dagegen der neue Begriff „Aushegung“ für Bestrebungen, Grund und Boden dem Privateigentum zu entziehen und in irgendeine Form des Gemeineigentum zu überführen. Hausbesetzer, Landbesetzungen usw. Ein wichtiger Vorkämpfer solcher Bestrebungen war Leo Tolstoi, der die Gründung von egalitären Landkommunen propagierte.
Ansteigen der Wohnungspreise, sobald Zuzug in die Städte stattfindet. Wohnungsnot. Österreichische Siedlerbewegung der 20-er Jahre.
H. Hofbauer: Wie war es eigentlich mit der Revolution von 1848? Was hatte die für Auswirkungen auf das Grundeigentum?
A. Lanier: Wieso wird die Frage nach dem Grundeigentum eigentlich heute nicht gestellt?
Wohnungsfrage und Hypothekarverschuldung in Ungarn
Art und Weise der Privatisierung in Osteuropa
Problem der Privatisierung überhaupt: Wie wird Gemeineigentum wieder in privates Eigentum verwandelt?
H. Hofbauer: Ist das heute fortschreitende „Land Grabbing“ eine Art Fortsetzung des „Einhegens“?
G. Senft: Sicher, und man soll nicht nur die Agrikultur im Auge haben. Auch im Bergbau wurden ja die unabhängigen Knappenvereinigungen schrittweise aufgelöst und die Minen in kapitalistische Betriebe umgewandelt.
Es ist kein Wunder, daß in Krisenzeiten wieder die Sehnsucht nach wertbeständigen und wertsteigernden Anlagemöglichkeiten aufkommt, und eine solche ist das Grundeigentum nun einmal. So hat Soros bereits Ende der 90-er Jahre Unmengen von Boden in Argentinien aufgekauft.
A. Lanier: „Land Grabbing“ hat als Hintergrund auch Verknappung des nutzbaren Bodens wegen 1. Auslaugung durch intensive chemische Behandlung, wie es Monsanto betreibt, und 2. Umwidmung von Nahrungsmittelanbau zu Treibstoffproduktion.
G. Senft: Auch die Klimazertifikate tragen zur Landverknappung bei. Da werden Landstriche aufgekauft und brachgelegt oder -liegen gelassen, um auf sie die Ausstellung von und den Handel mit Klimazertifikaten, einer neuen Art von Wertpapier, zu ermöglichen.
H. Hofbauer: Was sind das jetzt für Theorien über das Grundeigentum und wer sind die Denker, von denen sie stammen?
G. Senft: Die frühen Theoretiker des Grundeigentums, wiewohl ansonsten Verfechter des Privateigentums, stoßen sich am Monopolcharakter des Grundeigentums. Es stellt für sie eine Schranke der Ausweitung der Produktion dar.
Es folgt eine kurze Darstellung der Positionen von:
Thomas Paine
Adam Smith
John Stuart Mill
Außerdem stellt es durch die Pacht und die Spekulationsgewinne ein arbeitsfreies Einkommen dar. Das störte die Vertreter der Grenznutzentheorie:
Heinrich Gossen
Leon Walras
Der nächste Theorieschub fand statt, als durch die zunehmende Industrialisierung und Proletarisierung die Wohnungsnot in den Ballungszentren wuchs.
Aus den sozialistischen Forderungen nach Vergesellschaftung des urbanen Raums entstand die Siedlerbewegung, deren wichtigster Theoretiker Gustav Landauer war.
Schließlich folgen die Theoretiker der sehr kritiklosen „neoklassischen Schule“, die das Grundeigentum als eine Eigentumsform unter anderen sehen. Auch die Knappheit des Bodens stellt für sie kein Problem dar: man kann ja Wolkenkratzer bauen.
Bei der „österreichischen Schule“ forderte Friedrich von Wieser mehr Engagement der Gemeinden zur Bewältigung der Wohnungsnot.
Im Gefolge dessen kam es zu einer Kontroverse zwischen den Ökonomen Oppenheimer, der eine spezielle Behandlung des Grundeigentums fprderte, und Schumpeter, der eine solche ablehnte.
Nach der russischen Rvolution und noch mehr im Kalten Krieg hört die Kritik an und Diskussion um das Grundeigentum in der bürgerlichen Wissenschaft auf. Es war offenbar ein zu heißes Eisen.
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