Krieg in der Ukraine: Die Wahrheit stirbt zuerst
„Die Wahrheit stirbt zuerst“
Dass die „Wahrheit zuerst stirbt“, ist ein beliebter Kalauer im Rahmen der Kriegsberichterstattung. Gemeint ist wohl, dass alle Beteiligten die Lügen verbreiten, die ihnen dienlich sind, wie auch immer. (Es gibt sogar ein Buch über die Berichterstattung im Zweiten Golfkrieg – der Krieg gegen den Irak 1991 –, unter besonderer Berücksichtigung der Leistungen von CNN mit dem Titel „Die Wahrheit stirbt zuerst“.)
Die gute Nachricht: Das muss nicht sein! Man muss sich auch in Ansehung des russischen Kriegs gegen die Ukraine nicht verblöden lassen oder gleich an der eigenen Verblödung mitarbeiten. Es gibt eine Alternative. Ich werde mich also eventuell anhand dessen, was mir so bei Gelegenheit unterkommt, durch die Leistungen der Öffentlichkeit kommentieren.
Eine unerwünschte Wahrheit in der und über die Ukraine
Als Einstieg mal ein überraschender Beitrag des ORF-Korrespondenten in der Ukraine aus der „Krone“ vom 6. März 2022. Christian Wehrschütz gibt dort zu Protokoll, dass in der Ukraine eine wichtige „Wahrheit“, um es blumig auszudrücken, schon vor dem Krieg gestorben ist:
„Ich habe immer gesagt: Kein Soldat der NATO wird bereit sein, für die Ukraine zu fallen, arrangiert euch mit Russland! Deshalb war ich ja ein Staatsfeind.“
Gut, die Scherze zu Beginn, der Genauigkeit halber: Auch in der NATO entscheidet nicht der Soldat, ob er „bereit ist, für die Ukraine zu fallen“ –, der kriegt auch in der NATO Befehle und wird nicht nach seinen Bedürfnissen gefragt. Und wenn er fällt, dann fällt er sicher nicht für die Ukraine oder für Afghanistan oder für den Irak oder für den Kosovo oder für Syrien oder für Libyen – sondern er fällt für den Anspruch der NATO, ist gleich Anspruch der USA, über die politischen Verhältnisse in der Ukraine etc. usw. zu entscheiden. Noch einmal:
„Ich habe immer gesagt: Kein Soldat der NATO wird bereit sein, für die Ukraine zu fallen, arrangiert euch mit Russland! Deshalb war ich ja ein Staatsfeind.“
Bemerkenswert an dem Spruch ist die Einstellung des Publikums, das dem Berichterstatter quasi Wehrkraftzersetzung vorgeworfen hat, ihn als „Staatsfeind“ eingestuft hat! Es gab, zumindest in einigen der Kreise, mit denen ein Journalist Kontakt hat, offenbar das „Narrativ“, wie die offiziellen Lügen heutzutage genannt werden, sich mit Russland sicher nicht arrangieren zu müssen, etwa hinsichtlich des „Minsker Abkommens“, weil ohnehin beizeiten die NATO auf der Matte steht und zuschlägt. Gibt also es in der Ukraine eine „Lügenpresse“, die dergleichen über die NATO verzapft oder verzapft hat, und ein dementsprechend ahnungsloses, belogenes Publikum? [Zusatzinfo: Die Minsker Verhandlungen über eine Friedenslösung im Donbass waren da schon länger ohne jeglichen Fortschritt dahingedümpelt. Die Ukraine, sagt Mangott, habe vieles blockiert, der ukrainische Präsident Selenskyj habe selbst das Format in Frage gestellt. (profil 9/2022)] Wenn man sich den ukrainischen Präsidenten – erlernter Beruf: Komiker – so anhört, dann wiederholt der ziemlich unermüdlich die Vorstellung von der NATO als einer Art Hilfsorganisation, allerdings in Form der Enttäuschung darüber, dass daraus nichts wurde. Die NATO lässt sich jedenfalls nicht einfach von der Ukraine nach deren Bedürfnissen benutzen. Der ukrainische Präsident gibt in seinen verzweifelten Klageliedern allerdings doch ein gültiges „Narrativ“ zu Protokoll, nämlich die Militärdoktrin seines Landes: In dieser Doktrin beauftragt die Ukraine sich, einen Krieg mit Russland um die Krim und um die Separatistengebiete im Donbass anzuzetteln, und weil sie den nicht gewinnen kann, soll die „internationale Gemeinschaft“ – gemeint ist die NATO – für die Ukraine den Krieg führen und gewinnen. Diese Militärdoktrin wurde auch in Russland zur Kenntnis genommen. Kurz, die Doktrin basiert auf der Fiktion, die Ukraine wäre schon NATO-Mitglied oder würde spätestens mit dem Krieg quasi automatisch Mitglied werden; und diese Fiktion oder dieser Anspruch wurde von der NATO blamiert. Nun kann man sicher diskutieren, ob die Ukraine von allein auf diese Idee gekommen ist, oder ob sie durch die Weigerung der USA, gegenüber Russland einen offiziellen Verzicht auf die ukrainische NATO-Mitgliedschaft zu garantieren, geködert wurde. Von Seiten der USA wurde ja so getan, als ob die NATO ein weit offenes Haus sei, in das jeder Staat nach Belieben eintreten könnte, was nicht ganz der Wahrheit entspricht. [Zusatzinfo: Selenskyj wiederholte sein Vorhaben, sein Land in EU und NATO zu führen. Und auch die NATO bleibt dabei: Im Sommer und Herbst wurde noch einmal betont, dass die Ukraine Mitglied der Allianz werden sollte. Dabei war allen klar, dass das nicht geschehen wird. Die Ukraine wäre der NATO auf absehbare Zeit nicht beigetreten. … Die NATO habe ihre Politik der offenen Türe verteidigt, obwohl niemand die Ukraine aufnehmen wollte … (profil 9/2022)] Wer hat da jetzt wen belogen? Das Ergebnis ist jedenfalls eindeutig: Nicht die Ukraine benutzt die NATO, es ist umgekehrt. Im Moment (dritte Kriegswoche) wird die Ukraine verheizt und darf ausbluten, um Russland zum Nutzen der NATO in einen längeren Krieg zu verwickeln – dafür gibt es dann Unterstützung, dafür kämpft die NATO und die EU bis zum letzten Mann, bis zum letzten Ukrainer natürlich.
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Eine andere Variante von „die Wahrheit stirbt“, die kann man eventuell als selektive Amnesie beschreiben. Nicht wenige Kommentatoren gerieren sich ja als Alzheimer-Kandidaten, wenn sie etwa über den ersten Krieg in Europa seit ewig berichten. Jugoslawien, Serbien – alles vergessen?! Da wird jetzt eine ganz neue und anscheinend völlig ungewohnte niederschmetternde Entdeckung gemacht – dass im Krieg nämlich Menschen sterben, auch Zivilisten. Das hätten sich manche Journalisten offenbar nicht träumen lassen. Immerhin ist für die moralische Einordnung dieser überraschenden Eindrücke längst gesorgt: Tote Zivilisten sind manchmal Kriegsverbrechen, ein andermal hingegen „Kollateralschäden“. In besonderen Fällen, wenn die Guten, die gern unter dem Pseudonym „wir“ auftreten, nicht umhin können, Zivilisten umzubringen, ist natürlich die andere Seite schuld, indem Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht werden.
In die vielen Heldengeschichten mischen sich übrigens auch distanzierte Töne, ganz selten, aber doch: „Ein Mann trägt eine Mine mit bloßen Händen von der Straße weg. Unbewaffnete Männer halten einen Panzer auf. Ein Soldat sprengt sich mitsamt einer Brücke in die Luft.“ (Kurier 7. März 2022) Es kommt eben ganz darauf an; wenn sich unbewaffnete Palästinenser israelischen Panzern in den Weg stellen oder als Selbstmordattentäter in die Luft sprengen, dann sind sie verrückt oder abgrundtief böse, was denn sonst. Bei anderer Gelegenheit sind das Helden – es hängt eben davon an, wer sich wofür und wogegen opfert, auch wenn „kaum jemand daran zweifelt, dass die Ukraine gegen die russischen Streitkräfte keine Chance hat und durch diese Aktion vermutlich noch mehr Zivilisten sterben müssen.“ (ebd.) Und dann wird ein Historiker mit der Wahrheit zitiert: „Diese Taten zu feiern, ist völlig irrational.“ (ebd.) Respekt!
Eine unerwünschte Wahrheit über Putin
Jenseits der Niederungen der Kriegsberichterstattung und ebenfalls in der „Krone“ vom 6. März 2022 beantwortet Prof. Mangott aus Innsbruck die Frage „Wie tickt Putin?“ Dass er nicht richtig tickt, ist sowieso klar, und eines steht damit vor jeder näheren Befassung fest: Es handelt sich bei ihm nicht um einen Politiker, der als zuständiger Machthaber und also qua Amt die legitimen Interessen seiner Nation definiert und dementsprechende „rote Linien“ formuliert. Auf Basis dessen, dass der russische Angriff auf die Ukraine mit russischer Staatsräson nichts zu tun haben kann, wird man dann von Prof. Mangott über die problematischen Hintergründe einer der „Realität entrückten“ Persönlichkeit informiert. Aber wie das geschieht, das ist doch ein wenig überraschend! Putin wird da als völlig normaler Politiker präsentiert, als Patriot nämlich: „Patriotismus, Nationalstolz und Begeisterung für die machtvolle internationale Stellung des Landes prägten die Haltung Putins.“ Ja daschauher – Patriotismus, Nationalstolz und Begeisterung für die machtvolle internationale Stellung des Landes – dem ist Putin übrigens bis heute treu geblieben! Also soweit tickt der Mann offenbar sehr verständlich, zumindest wenn man für Patriotismus und Nationalstolz viel übrig hat.
In seinem erlernten Beruf konnte Putin dann seinen Horizont wesentlich erweitern, und zwar um kompakte Informationen bezüglich der Drangsale seines geliebten Vaterlandes: „Diese Überzeugungen (Patriotismus etc.) wurden gestärkt durch den Eintritt Putins in den sowjetischen Geheimdienst KGB im Jahr 1975. Dort erlernte Putin nicht nur die Techniken der Spionage, sondern übernahm das Weltbild der Mitarbeiter des KGB, wonach der Westen eine feindselige und aggressive Einstellung gegenüber der Sowjetunion eingenommen habe und alles daran setze, das Land zu schwächen.“ Tja, alles, was da als seltsames, verschrobenes „Weltbild“ referiert wird, entspricht den Tatsachen, dieser KGB war als Geheimdienst offenbar ziemlich gut informiert, über eine keineswegs geheime Feindschaft, dass nämlich „der Westen eine feindselige und aggressive Einstellung gegenüber der Sowjetunion eingenommen“ hat. Vielleicht müsste man ja dem Innsbrucker Professor eine kleine Literaturliste zugänglich machen; damals war die Sowjetunion aus Sicht der USA ganz offiziell und ohne jede Geheimniskrämerei das „Reich des Bösen“, gegen das unter Präsident Reagan das bis dahin gewaltigste Rüstungsprogramm in Stellung gebracht wurde, dessen Erfolg – ohne militärischen Einsatz der Waffen – dann als „Totrüsten“ gefeiert wurde. Die westliche Hassrhetorik und die Aufrüstungspraxis waren in jeder Hinsicht deckungsgleich. In Europa gab es damals, in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, sogar friedensbewegten Widerstand gegen die geplante „NATO-Nachrüstung“ mit Mittelstreckenraketen.
Den durchschlagende Erfolg der USA beim Totrüsten in Form der sowjetischen Selbstkritik unter Gorbatschow referiert Prof. Mangott wieder als Ereignis, durch das der Patriot Putin viel gelernt, und das ihn in seinem Patriotismus bestärkt hat: „Putin war nie Kommunist, aber ein patriotischer, stolzer Bürger des Landes. Das verheerende Elend des neuen Russland, der wirtschaftliche Zusammenbruch, die katastrophale soziale Lage, wurden als Schmach und Demütigung verstanden. Nicht nur in den Augen der Tschekisten, der Geheimdienstler, wurde der Westen, insbesondere die USA, als ein Akteur gesehen, der Russland marginalisiert, russische Interessen nicht berücksichtigt. In deren Augen hat der Westen die Schwäche Russlands ausgenützt, um seinen Einfluss auszuweiten und die Stellung Russlands zu untergraben. Diese Ressentiments“ – Wieso Ressentiments? Ist doch eine nüchterne Bestandsaufnahme; bei anderer Gelegenheit weis das sicher auch Prof. Mangott! – „haben sich nicht nur gehalten sondern sie haben sich sogar verstärkt.“ Alles ganz richtig, so ist das gelaufen, was wieder als seltsame russische Sicht daherkommt. Der Westen, besonders die USA, war doch tatsächlich als „Akteur“ unterwegs. Ein vergleichender Blick auf die Landkarte liefert hier einen ersten Eindruck von der Ausweitung des westlichen Einflusses.
Wie unglaublich verständlich Putin tickt, referiert Prof. Mangott in der weiteren Rückschau auf dessen Präsidentschaft: „Putin war am Beginn seiner Präsidentschaft daran interessiert, mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Zwar reklamierte Putin, dass diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe passieren müsse, und die Souveränität Russlands akzeptiert werden müsse.“ – Wieso denn „zwar“? Was heißt hier „zwar“? „Zwar“, weil eine Zusammenarbeit mit dem Westen unter Respekt vor russischer Souveränität nie zu haben war? „Zwar“, weil Putins Position von vornherein zurückgewiesen wurde? Jedenfalls, Patriot Putin wollte mit dem Westen zusammenarbeiten, und musste dabei wieder etwas lernen. – „Handlungen und Entscheidungen des Westens haben Putin und sein enger Kreis aus Militär-, Sicherheits- und Geheimdienst als Nachweis angesehen, dass der Westen zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit nicht bereit sei.“ – Stimmt wieder! Über welche „Handlungen und Entscheidungen“ des Westens die russische Führung zu eindeutigen Resultaten gekommen ist, darüber schweigt sich Mangott an dieser Stelle aus, über das Ergebnis nicht. – „Das hat das grundsätzliche Misstrauen Putins gegenüber dem Westen nachdrücklich verschärft. Spätestens seit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 hat Putin rote Linien definiert, die der Westen nicht überschreiten dürfe. Seit damals ist Putin auch bereit, militärische Gewalt einzusetzen, um russische Interessen durchzusetzen und den Westen in die Schranken zu verweisen.“
Spätestens seit der damaligen Münchner Sicherheitskonferenz konnte man also wissen, wie der überzeugte Patriot „Putin tickt“. Welche „roten Linien“ da von ihm definiert wurden, und welche „russischen Interessen“ da auch den Einsatz „militärischer Gewalt“ gebieten, darüber muss sich der Innsbrucker Gelehrte hier nicht auslassen. Dergleichen verdient im Grunde genommen zumindest im Moment keine nähere akademische Befassung, denn eines steht von Anfang an fest, zumindest für den Westen: „Rote Linien“ stehen Russland nicht zu, und legitime russische Interessen definiert nicht Russland, sondern der Westen. Die Anwendung militärischer Gewalt ist ohnehin ein Monopol des Westens, auf dem Balkan ebenso wie im Nahen und Mittleren Osten und überall sonst. Wer das nicht einsieht, tickt eben nicht richtig!
Fazit: Der Beitrag von Prof. Mangott ist eine etwas schräge, weil ganz leicht verfremdete Wahrheit: Seine Art, die Einkreisungs- und Einschnürungspolitik der USA als russischen Verfolgungswahn, als grundlose russische „Ressentiments“ darzustellen, die höchstens dem professionellen Blick eines Geheimdienstlers geschuldet sein können – die verfremdet nichts anderes als den frustrierten Patriotismus des Politikers Putin.
[Zusatzinfo als Erinnerungshilfe, „Handlungen und Entscheidungen“ des Westens betreffend; Prof. Mangott ist das natürlich alles bekannt: Moskau versucht seit Jahrzehnten, die Osterweiterung der NATO zu stoppen. … Moskau beruft sich auf mündliche Zusagen des Westens aus dem Jahr 1990, wonach es nach einem NATO-Beitritt des wiedervereinigten Deutschlands keine Osterweiterung des Militärbündnisses geben werde. Der angebliche Verrat musste auch jetzt wieder als Rechtfertigung für das aggressive Vorgehen Russlands herhalten. „Wir wurden getäuscht“, sagte Putin vergangene Woche, „oder, um es im Volksmund zu sagen, einfach veräppelt“. (Letzter Fall von Veräppelung: Die Hintertreibung des Minsker Abkommens.) In den Augen Moskaus verletzte der Beitritt von Ländern des Baltikums und Osteuropas den Geist der Abmachungen von 1990. Zuletzt widersprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: Es habe nie solche Versprechen gegeben, auch nicht im Hinterzimmer. Ganz so stimmt das zwar nicht, Belege für mündliche Zusagen der USA an die damalige Sowjetunion gibt es durchaus. Zentral war das Thema offenbar auch beim Treffen zwischen Vertretern Westdeutschlands, der Sowjetunion und den USA im Februar 1990. Damals versicherte der Außenminister der USA James Baker seinen Verhandlungspartnern aus Moskau, dass sich „die Zuständigkeit der NATO und ihrer Kräfte keinen Zentimeter nach Osten bewegen wird“. Wenig später bekräftigte BRD-Kanzler Helmut Kohl diese Zusage – und Außenminister Hans-Dietrich Genscher sagte sogar öffentlich, dass sich die NATO nicht auf Osteuropa ausdehnen würde. Allerdings wurden die Staaten des ehemaligen Ostblocks nicht zum NATO-Beitritt gedrängt, sondern strebten diesen, vor allem aus Angst vor russischen Aggressionen, im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts aktiv an. (profil 9/2022)]
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Wer im vorigen Jahrhundert, während der Zeit des Kalten Krieges in Europa aufgewachsen ist, konnte eine kriegsmäßig halbwegs unbeschwerte Jugend genießen. Damals gab es das „atomare Patt“, die wechselseitige „Abschreckung“ durch den vielfachen „Overkill“ der gegenseitigen Vernichtung, auch als „Wettrüsten“ bekannt. Von wohlmeinenden Interpreten der Disziplin der „Internationalen Politik“ wurde dieses Wettrüsten mit der Funktion der „Friedenssicherung“ betraut, weil die Atommächte damals die Position kommunizierten, der Atomkrieg sei – wg. garantierter wechselseitiger Vernichtung – nicht machbar. Das war nicht die vollständige Wahrheit, denn die USA waren nie bereit, sich mit diesem „Patt“ abzufinden, haben also ihr Wettrüsten betrieben, um dieses atomare Patt zu überwinden. In den 80er Jahren wurde dessen Erfolg als „Totrüsten“ bilanziert, und im Fortgang der Niedergang Russlands ausgenutzt. Von einer „Friedensdividende“ war damals viel die Rede, ebenso von einem „Ende der Geschichte“, weil sich nach dem damaligen „Narrativ“ durch den Abgang des bösen feindlichen sozialistischen Systems die Kriegsgefahr erledigt hätte. Denn nun, mit Marktwirtschaft und Demokratie endlich „global“, ist alles Friede, Freude, Eierkuchen! Aber Denkste! Denn die russischen Atomwaffen gab es immer noch, und einen entsprechenden russischen Anspruch auf gebührenden Respekt als nunmehr „normaler“ Staat auch! Grund genug für die USA, ihr Wettrüsten unter fantastisch verbesserten Bedingungen fortzusetzen, nicht zuletzt durch die Erweiterung der NATO nach Osten. Bildlich ausgedrückt: Die „Vorwarnzeiten“ bis zum Einschlag allfälliger Raketen in Moskau wurden immer kürzer, und die Waffen immer präziser, der Atomkrieg immer führbarer. Im Unterschied zu Gorbatschow seinerzeit will Putin nun nichts mehr hergeben, worauf der Mann bei Gelegenheit auch hingewiesen hat.
Literatur:
https://de.gegenstandpunkt.com/dossier/krieg-ukraine