Kein Kommentar: Rückblick auf das letzte Jahr
Einen schönen Tag, es spricht Herbert alias „Kein Kommentar“; bin wieder mal auf Sendung, wobei der heutige Beitrag etwas aus dem üblichen Rahmen fällt. Es handelt sich um eine kleine Rückschau auf die Podcasts des letzten Jahres, seitdem die Beiträge nämlich auf cba.media zu verfolgen sind. In diesem letzten Jahr habe ich zum großen Teil über drei Themen etwas abweichende Meinungen verbreitet, daran will ich zusammenfassend erinnern bzw. darauf will ich aufmerksam machen.
Die Familie …
Der erste Schwerpunkt war das Thema mit dem plakativen Titel „Die Familie – Ort des Glücks, Ort der unbezahlten Arbeit, Ort des Psychoterrors, Ort des Amoklaufs“. Ausgangspunkt war einmal eine richtige Serie von teilweise spektakulären Frauenmorden im letzten Frühjahr, plus die damalige Ausschlachtung einiger dieser Taten durch die Politik, sofern die Täter als Ausländer oder Asylwerber für die einschlägige Hetze brauchbar waren. Dazu kam und kommt die Unzufriedenheit mit gängigen Kommentierungen und Kritiken, die dem m.E. ziemlich offenkundigen Zusammenhang von Familie oder „Beziehung“ – mit Mord und Totschlag aus dem Weg gehen wollen. Die Argumente für den Zusammenhang liegen hoffentlich in ausführlicher Form in den damaligen Beiträgen vor – nachzuhören und nachzulesen auf cba.media, Podcast „Kein Kommentar“; hier und heute will ich ein Beispiel herausgreifen, das mir damals aufgefallen war, weil es da um die adäquate oder eben inadäquate Berichterstattung geht. Der Kurier führte ein Interview mit einer Schauspielerin, anlässlich eines Filmes, und die Frage lautet:
„Was müsste sich auf gesellschaftlicher Ebene ändern? Antwort: Die Art und Weise, wie über Gewalt an Frauen be- und gerichtet wird … Es ist unfassbar, dass sich eine Zeitung traut, das Zitat eines Mannes abzudrucken: ‘Hätte sie mich die Kinder sehen lassen, hätte ich sie auch nicht umgebracht.’ Es rechtfertigt doch sonst nichts einen Mord, und so etwas schon? … Wenn in den Medien von einem ‘Eifersuchtsdrama’ oder einer ‘Familientragödie’ die Rede ist, wird damit der Frau zumindest die Mitschuld zugeschrieben. Meistens wird Gewalt an Frauen totgeschwiegen.“ (Kurier 25.11.2019, Interview Schauspielerin Franziska Weisz)
Nun, wenn von einer „Familientragödie“ oder einem „Eifersuchtsdrama“ berichtet wird, dann ist damit m.E. dem Opfer keineswegs automatisch eine Mitschuld angelastet; die betroffene Frau kommt da in der Regel schon als das Opfer vor. Allerdings, dass das Opfer an der Familie oder der Beziehung beteiligt war, das lässt sich wohl nicht wegdiskutieren. Von „Totschweigen“ kann außerdem keine Rede sein; das ist Teil der ständigen Berichterstattung. Zumindest die Fälle von Mord und Totschlag sind Dauerthema; es mag schon sein, dass die täglichen Prügel und die allfällige Wegweisung und die Flucht ins Frauenhaus nur mehr in der Statistik auftauchen, aber unbekannt sind sie nicht. Vielleicht besteht da die Vorstellung, mit einer angemessenen Berichterstattung wäre schon ein Ende dieser Gewalt eingeleitet. Aber wie soll denn eine sorgfältig ausgetüftelte Berichterstattung über ein Phänomen – in dem Fall: Mord und Totschlag im Zusammenhang von Familie und Beziehung – das Phänomen aus der Welt schaffen können?
Näher wird verlangt, das Geständnis des Täters totzuschweigen, und die Forderung ist m.E. richtiggehend kontraproduktiv. Diese Rechtfertigung – Hätte sie mich die Kinder sehen lassen – ist nämlich mit dem tatsächlichen Motiv identisch. Der Täter gibt sich als Fanatiker der heilen Familie zu erkennen, beruft sich auf den allgemein anerkannten Wert „Familie“, und auf die Zerstörung der Familie durch die Frau, und er hält das für eine Rechtfertigung. Sein Spruch ist eine Variante des allgemein anerkannten Standpunktes „die Familie ist das wichtigste!“ -, und wenn die Frau sich scheiden lässt und womöglich das Sorgerecht bekommt, dann macht sie damit gleich „alles kaputt“. Dieser Typ bringt sie nicht aus irgendwelchen anderen Gründen um, und saugt sich dann die Geschichte mit den Kindern aus den Fingern, um ihr die Schuld zu geben – sondern diese ihre „Schuld“ – aus seiner anspruchsvollen Sicht – das ist sein tatsächlicher Grund. Es kann schon sein, dass er das für eine allgemein akzeptable Rechtfertigung hält, und dass er damit sogar auf Verständnis stößt; „Verständnis“ im Sinn von Nachvollziehbarkeit und Billigung. Aber gerade wenn dem so ist, dann ist doch mit Verschweigen nichts gewonnen. Die Frage ist vielmehr – wofür um Gottes willen stehen da „Familie“ und „Kinder“? Mit welcher Bedeutung sind Kinder da aufgeladen? Ja, die kulturell bedingte und geschätzte Vergötzung der Familie ist unterstellt, und die Vorstellung, dass die Kinder die „seinen“ sind, und ihm der Zugang nicht verweigert werden darf, was ja im Zug von Trennungen vorkommt – diese Vorstellung kommt doch nicht aus der Berichterstattung, sondern aus der Familie. Einmal wird sich beschwert, dass Gewalt an Frauen angeblich totgeschwiegen wird, und dann soll über das vom Täter persönlich geäußerte Motiv gezielt geschwiegen werden? Statt das mal zur Kenntnis zu nehmen, und sich dem zu stellen? Da ist immerhin enthalten und auch ausgesprochen, zu welchen Brutalitäten der Standpunkt „die Familie ist das wichtigste“ führen kann?! Dass für den Täter die Frau die Schuldige ist, die „es“ verdient hat, das ist der Ausgangspunkt dieser Varianten von Selbstjustiz, und dass er mit dieser Schuldzuweisung womöglich auf Verständnis trifft, auch das wird schon oft so sein – nur wäre dann eben eine Kritik an diesen Ansprüchen und Geisteshaltungen fällig, und das ist etwas anderes als die Forderung nach Verschweigen. Beklemmend ist doch, dass die interviewte Frau ihrer eigenen Bekundung – Es rechtfertigt doch sonst nichts einen Mord – nicht so recht traut, und dann der Auseinandersetzung mit dieser Rechtfertigung durch Verschweigen ausweichen will. M.E. wäre so ein Geständnis nicht zu verschweigen, sondern breit zu publizieren – es handelt sich doch um eine wichtige Information für potentielle Opfer, in dem Sinn, dass solche Drohungen, die nicht selten in der Vorgeschichte so einer Tat geäußert werden, unbedingt ernst zu nehmen sind.
Soweit mal bis daher – wie gesagt, die Auseinandersetzung findet sich in aller Ausführlichkeit auf cba.media, Podcast „Kein Kommentar“. Einwände, Kritik und Vorwürfe können dort platziert werden.
Rassismus und Antirassismus
Der zweite Schwerpunkt des Podcast im letzten Jahr war eine Befassung mit „Rassismus und Antirassismus“, unter besonderer Berücksichtigung der sog. „Macht der Sprache“. Diesbezüglich hat sich seither etwas getan, nämlich der durchaus als rassistisch zu kennzeichnende Umgang mit den verschiedenen Sorten von Flüchtlingen – die „Vertriebenen“ aus der Ukraine bzw. ordinäre bisherige „Flüchtlinge“ aus Afghanistan oder Syrien. Was hat es damit auf sich?
Als einstieg: Die Antirassismus-Diskussion ist, wie sich das heutzutage gehört, pluralistisch. Was unter „Rassismus“ zu verstehen sei oder nicht, das sei eine Frage der Definition. Je nachdem, ob diese nun „enger“ oder „weiter“ gefasst sei, falle ein Phänomen darunter oder auch nicht. Und das stimmt definitiv nicht. Denn wenn mit „Rassismus“ etwas gemeint ist, wenn dieser Terminus einen eindeutigen Gehalt hat, dann die Vorstellung, es gäbe wertvolle und minderwertige Menschen, und zwar gleich im Kollektiv, also verschiedene Menschensorten, die berühmten Rassen. Das ist die eine Bedeutung von Rasse; die andere besteht in der totalen Negation des Individuums. Der Einzelne zählt nur als Exemplar „seiner“ Gattung, er gilt als vollständig determiniert, als festgelegt durch die ihm zugeschriebene Zugehörigkeit zu „seinem“ Kollektiv: „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, sozusagen; und alles, was du bist, bist du durch dein Volk! Diese quasi-Stammeszugehörigkeit ist die wesentlich Eigenschaft und daher auch die völlig hinreichende Information über alle individuellen Exemplare. Damit ist im völkischen Verständnis alles gesagt, über Freund und Feind, loyal und illoyal, gut und böse; und natürlich darüber, was jemandem zusteht, und was nicht.
Woher diese Vorstellung kommt, ist nicht übermäßig rätselhaft: Sie kommt aus dem praktischen staatlichen Umgang mit verschiedenen Menschengruppen, die – eben dadurch! – auch unterschiedlich moralisch punziert werden: So gibt es neben dem elementaren Unterschied von Inländern und Ausländern auch Varianten innerhalb der letzteren, also etwa EU-Bürger oder Angehörige sogenannter Drittstaaten, und nunmehr eben auch verschiedene Sorten von Flüchtlingen, bis hin zu sogenannten „Illegalen“. Was die wertvolleren von den minderwertigen Flüchtlingen unterscheidet, dazu hat sich der Innenminister folgendermaßen geäußert, um der Forderung nach Gleichbehandlung bei der sog „Zuverdienstgrenze“ – wie viel Flüchtlinge zur Grundversorgung noch „dazu“ verdienen dürfen – eine Absage zu erteilen:
„Für die größte Kritik sorgt allerdings seit Wochen, dass eine Erhöhung der Zuverdienstgrenze nur für diese Gruppe gelten soll. Karner rechtfertigt das mit einem Gutachten der Uni Linz und der WU Wien, … wonach eine Unterscheidung „sachlich gerechtfertigt“ sei. Durch die EU-Richtlinie für vorübergehenden Schutz für Vertriebene, die nach Kriegsbeginn in Kraft gesetzt wurde, erhalten Ukrainerinnen sofort Zugang zum Arbeitsmarkt. „Die Richtlinie an sich unterscheidet ja schon“, sagt Karner. Man solle nicht etwas vermischen, das nicht vermischt werden soll, sagt Karner mit Blick auf die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Flüchtlingen. Dabei erwähnt er im Kontrast zu Geflüchteten aus der Ukraine, denen man wegen dem „Krieg am europäischen Kontinent helfen müsse“, die „neuerlich stark steigende Wirtschaftsmigration“.“ (Standard 19.5.2022)
Den einen müsse Österreich helfen, die „Wirtschaftsmigranten“ – gemeint sind Vertriebene aus dem arabischen Raum – hingegen kann man nicht leiden. Also: Weil die Republik Österreich – und nicht nur diese – verschiedene Flüchtlingssorten unterscheiden will und unterscheidet, sind diese eben nicht gleich, deswegen „solle (man) nicht etwas vermischen, das nicht vermischt werden soll“, weil es der Staat doch unterscheiden will; und daher ist die Forderung nach Gleichbehandlung von Flüchtlingen unangebracht – weil der Staat es eben unterschiedlich handhaben will. Karner beruft sich auf Unterschiede, die von der Politik selbst hergestellt sind. Der Sache nach hat die europäische Politik unterschiedliche Interessen an den verschiedenen Flüchtlingssorten, „die Ukrainer“ sind nämlich „unser“ Beitrag zum Krieg gegen Russland, „wir“ betreuen quasi ein personelles Hinterland einer Front, die auch die „unsere“ ist, und das zeichnet sie aus und stellt sie besser. Das staatliche Interesse differenziert die Behandlung der Leute insofern nach der Herkunft. Rassismus als Ideologie dreht die Sache um, und macht die Behandelten für den Umgang mit ihnen verantwortlich – nicht das staatliche Interesse, sondern die Menschensorten selber unterscheiden sich, von sich aus, und kriegen deswegen unterschiedlich, was sie eben „verdienen“ oder auch nicht. Das jeweilige staatliche Interesse oder Desinteresse bis hin zur Feindschaft entscheidet, was Individuen, die dem jeweiligen Kollektiv zugerechnet werden, an Privilegierungen oder Diskriminierungen widerfährt; Rassismus als Sichtweise stellt die Lage auf den Kopf und macht die (Minder)Wertigkeit der Betroffenen für ihre Lage verantwortlich. Bzw. – und erst da beginnt der „Rassismus“ im rassismuskritischen Sprachgebrauch, nämlich der „Alltagsrassismus“ – machen sich welche, die sich selber zu den Wertvollen zählen, an die Überprüfung, ob denn die Politik mit ihren Distinktionen, mit ihren Diskriminierungen auch richtig liegt, indem sie der eigenen, der „selbstverständlichen“ Höherwertigkeit auch die gebührende Geltung verschafft. Im Fall des Falles werden dann unzufriedene Amateure dieser elementaren Staatstätigkeit selber aktiv, und beschimpfen Leute, die ihrer Ansicht nach nicht hierher gehören, sofern ihnen nicht noch schlimmere Übergriffe und Tätlichkeiten einfallen. Da täuschen sich diese Rassisten an der Basis allerdings auch öfter, weil das staatliche Interesse an Arbeitskräften oder auch Flüchtlingen eben verlangt, auch Leute ins Land zu lassen und zu dulden, die nicht zu den „eigenen“ gehören, zu denen Politik und Bevölkerung gern „wir“ sagt.
Antirassisten antworten dann öfter dagegen mit Berufung auf andere staatliche Prinzipien, wie etwa die menschliche Gleichheit oder die Menschenrechte – und da täuschen die sich auch öfter. So liest man im aktuellen „Rassismus-Report“ von ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), dass „immer mehr Menschen ihre Stimmen gegen strukturellen Rassismus in Österreich erheben. Von der Politik gibt es jedoch keine ausreichenden Maßnahmen in diesem Bereich“ bzw. dass „in vielen Lebensbereichen Menschen noch immer aufgrund von tatsächlichen oder zugeschriebenen Merkmalen wie z.B. Hautfarbe, Sprache, Herkunft oder Religionszugehörigkeit benachteiligt und ausgegrenzt werden“. Die Politik ist aber nicht durch das, was sie unterlässt, was sie nicht tut, am „strukturellen Rassismus“ beteiligt – sie stellt ihn her, und deswegen sind solche Diskriminierungen auch nicht „noch immer“ wirksam, als sei das ein ohnehin in Überwindung begriffener Zustand. Die Menschensortierung nach politischen Gesichtspunkten ist ein bleibendes Essential der Politik.
Auch dabei will ich es mal belassen, die ausführlichen Bemerkungen finden sich wieder auf cba.media – eine Frage stellt sich aber schon noch: Was hat das alles mit den bekannten Bestrebungen zu tun, durch ein Dringen auf sensiblen Sprachgebrauch antirassistisch zu wirken, also etwa in Kinderbüchern wie „Pippi Langstrumpf“ auf das N-Wort zu verzichten, oder – Achtung! Trigger-Warnung! Es könnte nun verstörend wirken! – oder die Mohren-Apotheke oder die Mohrengasse umzubenennen. Nun, insofern schon, als man sich damit an der Entpolitisierung des Rassismus beteiligt, durch die Übernahme des modernen demokratischen Selbstbildes, des verlogenen „Narratives“ der Politik, nach dem es Rassismus in der Demokratie eigentlich nicht gibt und dergleichen im Grunde längst verschwunden sein müsste, sich aber durch überholten Sprachgebrauch, etwa aus dem Kolonialismus oder dem Dritten Reich stammend, noch immer in Spurenelementen halten könne, obwohl jene politisch-gesellschaftliche Grundlagen längst obsolet sei. Dem ist halt nicht so. Eine letzte Behauptung noch: Dass die Wertvollen wertvoller sind als die nicht-ganz-so-Wertvollen, das ist nämlich kein aus der Zeit gefallenes Vorurteil, sondern das ist ein harter staatlicher Anspruch. Inwiefern? Auch dazu mehr in den erwähnten Beiträgen auf cba.media, Podcast „kein Kommentar“.
Die Lage in der Ukraine
Der letzte Schwerpunkt des Podcast war die Lage der Ukraine, schon kurz vor dem Krieg, und natürlich seither. Ich habe mir erlaubt, die Kalkulation der Ukraine zu thematisieren – ja, deren Kalkulation mit einem Krieg, der ihr aufgezwungen wurde. Einstieg war ein bemerkenswertes Interview mit dem ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz, der in der Kronenzeitung vom 6. März folgendes zu Protokoll gab:
„Ich habe immer gesagt: Kein Soldat der NATO wird bereit sein, für die Ukraine zu fallen, arrangiert euch mit Russland! Deshalb war ich ja ein Staatsfeind.“
Bemerkenswert an dem Spruch ist die Einstellung des Publikums, das dem Berichterstatter quasi Verrat vorgeworfen hat, ihn nach Eigenauskunft als „Staatsfeind“ eingestuft hat! Es gab, zumindest in einigen der Kreise, mit denen ein Journalist Kontakt hat, offenbar das „Narrativ“, wie die staatsoffiziellen Lügen heutzutage genannt werden, sich mit Russland sicher nicht arrangieren zu müssen, weil ohnehin beizeiten die NATO auf der Matte steht und zuschlägt. Gemeint war damit das „Minsker Abkommen“ nach der Annexion der Krim durch Russland und nach der von Russland unterstützten Abtrennung der Separatistengebiete im Osten der Ukraine. In dem Abkommen geht es um die Zukunft dieser Gebiete durchaus innerhalb der Ukraine, allerdings mit einem anerkannten Sonderstatus und unter Anerkennung Russlands als Schutzmacht der russischen Bevölkerungsgruppe und Mitspracherecht. Von der Ukraine wurde dieses Abkommen immer nur als Versuch gesehen, Zeit für die eigene Aufrüstung zu gewinnen, es wurde hintertrieben und blockiert; Anfang dieses Jahres hat man sich mehr oder weniger offiziell davon verabschiedet. [Zusatzinfo: Die Minsker Verhandlungen über eine Friedenslösung im Donbass waren da schon länger ohne jeglichen Fortschritt dahingedümpelt. Die Ukraine, sagt Mangott, habe vieles blockiert, der ukrainische Präsident Selenskyj habe selbst das Format in Frage gestellt. (profil 9/2022)] Wenn man sich den ukrainischen Präsidenten so anhört, dann wiederholt der ziemlich unermüdlich die Vorstellung von der NATO als einer Art Hilfsorganisation, allerdings in Form der Enttäuschung darüber, dass daraus nichts wurde. Die NATO lässt sich jedenfalls nicht einfach von der Ukraine nach deren Bedürfnissen benutzen, es ist schlicht umgekehrt. Der ukrainische Präsident referiert in seinen Klageliedern allerdings immerhin die aktuelle Militärdoktrin seines Landes: In dieser Doktrin beauftragt die Ukraine sich selber, einen Krieg mit Russland um die Krim und um die Separatistengebiete im Donbass anzuzetteln, und weil sie den nicht gewinnen kann, soll die „internationale Gemeinschaft“ – gemeint ist die NATO – einsteigen, und für die Ukraine den Krieg führen und gewinnen. Diese Militärdoktrin wurde übrigens auch in Russland zur Kenntnis genommen. Kurz, die Doktrin basiert auf der Fiktion, die Ukraine wäre schon NATO-Mitglied oder würde spätestens mit dem Krieg quasi automatisch Mitglied werden; und diese Fiktion oder dieser Anspruch wurde von der NATO doch anders interpretiert. Nun kann man sicher diskutieren, ob die Ukraine von allein auf diese Idee gekommen ist, oder ob sie durch die Weigerung der USA, gegenüber Russland einen offiziellen Verzicht auf die ukrainische NATO-Mitgliedschaft zu garantieren, geködert wurde. Von Seiten der USA wurde ja so getan, als ob die NATO ein weit offenes Haus sei, in das jeder Staat nach Belieben eintreten könne, was nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Soviel also zu den Kalkulationen der Ukraine, die es schließlich auch gibt. Nachzuhören und zu -lesen auf cba.media, Podcast „kein Kommentar“ – dort werden auch Einwände und Beschwerden und Anfragen entgegengenommen.
Literatur:
https://www.jungewelt.de/bibliothek/dossier/183
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/mythos-ukrainischen-volks