In Between Days (Perlentaucher CLXV)
Das Dazwischen fasziniert und beschäftigt uns eigentlich schon immer, von der Zwischeninsel Poesie über das Inzwischen Unterwegs bis zu unserer Betrachtung Zwischen Leben und Überleben. Was läge also näher in diesen dazwischenen Tagen – in der Mitte des Sommers, der Ferien und der Festspielsaison – als eine weitere Forschungsfahrt in die Untiefen jener Zustände zu wagen, die zwischen “sich auf den Weg machen” und “endlich angekommen sein” in uns allen stattfinden. Dabei liegt der Verdacht nahe, dass es sich dabei um einen einzigen Dauerzustand handelt, der das Wesen des Lebens an sich beschreibt: Wir sind aufgebrochen und wir sind noch nicht angekommen – wir sind immer unterwegs in diesen unseren “In Between Days”
Ein paar äußerst erhellende und weiterführende Gedanken (und Gedichte!) zum Thema “Auf der Reise im Dazwischen” hat uns der syrisch-österreichische Autor Omar Khir Alanam zugänglich gemacht. Und die werden sich wie von selbst in die Gestaltung unseres Musik- und Gesprächsteppichs verweben oder, was noch besser gesagt wäre, mit den Schichten der sich nach und nach wie von Zauberhand aus den Untiefen unseres Grenzbewusstseins entfaltenden Assoziationen verschmelzen. Hören sie genau hin! Denn die Fragestellungen und Zwischentöne, die er etwa in dem genialen Dokumentarfilm “Jedermann auf Reisen – Die Weltvermessung eines Heimatlosen” aufleuchten lässt, sind wie ein Kompass auf einer naturgemäß dunklen Nachtfahrt durch die unendlichen Weiten der menschlichen Seelenlandschaft. In der Begegnung mit Philipp Hochmair wird zunehmend deutlich, dass “Heimat” etwas ist, das wir in uns selbst erschaffen können – und zwar indem wir unterwegs sind.
Spinnen wir diesen Gedanken weiter, dann ist “Heimat” sogar etwas, das wir eigentlich nur in uns selbst erschaffen können. Alles andere ist im wahrsten Sinn des Wortes flüchtig. Wie eine sich fortwährend verwandelnde Erinnerung an etwas, von dem wir glauben, dass es einmal gut und schön und wahr gewesen sein muss. Irgendwo zwischen dem verlorenen Paradies und “Zauberland ist abgebrannt”. Der Weg zurück in den Mutterbauch ist für uns in der Außenwelt nicht mehr zu beschreiten und das Ziel allen irdischen Lebens ist der Tod. Wo also wollen wir unsere Heimat verorten, wenn nicht in uns selbst, in der unendlichen Welt, die schon immer in uns ist und die nur darauf wartet, dass wir uns nach unseren eigenen Regeln und Gesetzen in ihr wohlfühlen. Dass wir sie nach unseren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen gestalten, so wie sie uns und nur uns und niemandem sonst entspricht. Alle anderen, äußeren Heimaten sind ein verzweifelter Versuch, so zu tun, als wären wir nicht sterblich, als gäbe es kein Erschrecken, keinen Abschied, keine Trauer und keinen Schmerz. Die totale Diktatur der guten Laune in einer für immer heilen Eiapopeiawelt. Ein trügerisches Idyll, das dauerhaft gegen jedwede Störung verteidigt werden muss – und auch wird.
Doch das funktioniert genauso nicht wie der Versuch, sich durch einen selbstgezimmerten Bretterverschlag vor dem unendlichen Universum zu schützen, das uns ja nicht nur “da draußen” umgibt, sondern das uns ebenso im Inneren durchströmt und aus dem wir ohnehin bestehen. Im Gegesatz zu so einem mühsam selbst hergestellten Büdchen oder eben Identitätchen, windschiefen, gefährdeten und zerbrechlichen “Heimaterl”, der selbstbeschränkten Selbstversion derer, die Angst vor allem und vor allem vor sich selbst haben, ist die selbstentdeckte Heimat im Unterwegssein das, was uns allen zusteht, weil wir Menschen und weil wir am Leben sind. Nicht da, nicht dort, nicht dann vielleicht, sondern jetzt und hier. Diese Erkenntnis ist das große Geschenk der Geflüchteten – und ich meine damit wirklich alle, auch uns, die wir aus den Kriegen unserer Familien und ihren psychischen Folterkellern fliehen mussten – es ist also unser großes Geschenk, unsere Heimat in uns selbst zu begründen …
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