Hörstolperstein Talmud Tora Schule (Hamburg)
Das Grindelviertel entwickelte sich mit dem Anwachsen Hamburgs im 19. Jahrhundert zu einem Zentrum jüdischen Lebens, 1933 lebten dort ca. 25 000 Angehörige jüdischer Gemeinden. Ausdruck hierfür war unter anderem der Bau mehrerer neuer Synagogen, am bekanntesten waren die Neue-Dammtor-Synagoge (1895) und die Bornplatzsynagoge (1906). Daneben entstanden Einrichtungen wie das Deutsch-Israelitische Waiseninstitut am Papendamm und die Talmud-Tora-Schule am Grindelhof. Die meisten Synagogen und Gemeindeeinrichtungen wurden während der Reichspogromnacht im Jahr 1938 zerstört. Die Deportationen nach Osteuropa in die Vernichtungslager begannen 1941/42 von der Moorweide im Grindelviertel, heute bekannt unter dem Namen „Platz der Jüdischen Deportierten“.
Die Talmud-Tora-Schule wurde 1805 gegründet. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl der Schülerinnen, so dass ein neues Gebäude von Nöten war, welches 1911 eingeweiht wurde. Am 30. Juni 1942 wurde die Schule geschlossen, von 28 Lehrern überlebten drei die Shoah.
Heute erinnern an diesem Ort 18 Stolpersteine an die ermordeten Lehrer_innen und Angestellten und ein weiterer Stolperstein an die mehr als 300 ermordeten Schülerinnen und Schüler aller jüdischen Schulen in Hamburg.
Einer von Ihnen war Walter Bacher, geb. 30.6.1893 in Halle / Saale. Er wurde zunächst mit seiner Frau Clara geb. Haurwitz, am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 29.9.1944 weiter nach Auschwitz deportiert. Walter und seine Frau Clara Bacher wurden in Auschwitz ermordet.
Walter Bacher fand 1927 eine feste Anstellung an der Klosterschule in Hamburg, einer Oberschule für Mädchen. Dort unterrichtete er Latein, Griechisch, Deutsch und Geschichte. Auf seine Anregung wurde ein altsprachlicher Gymnasialzweig eingerichtet. Nach der Wahlsieg der Nationalsozialisten wurde er 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. 1935 war er zunächst aushilfsweise an der Talmud Tora Schule beschäftigt, trat im gleichen Jahr in die jüdische Gemeinde ein und erhielt 1938 eine volle Anstellung. Vermutlich hatte er in jenen Jahren Kontakt zu einer Widerstandsgruppe, die antifaschistische Flugblätter verfasste und Menschen zur Flucht nach Dänemark verhalf. In den letzten Jahren der jüdischen Schule in Hamburg gehörte Bacher zu den wenigen Lehrern mit akademischer Ausbildung, die nicht emigriert waren. Er nahm bis zuletzt unter bedrückendsten Verhältnissen eine außerordentliche Arbeitslast auf sich, um einen qualifizierten wissenschaftlichen Unterricht in der Oberstufe zu ermöglichen. Er war Lehrer an der Talmud Tora Schule von 1935 bis 30.6.1942.
Das Gebäude überstand den Krieg und war nach kurzer Nutzung durch die Briten jahrzehntelang im Besitz der Stadt Hamburg. Erst 2004 wurde es von der Stadt an die Stiftung „Jüdisches Leben“ übergeben, die die jüdische Gemeinde unter anderem zum Zweck der Wiedererrichtung der Talmud-Tora-Schule gegründet hat. Das Gebäude wurde im Juni 2007 als jüdisches Gemeindezentrum eröffnet.
In der ehemaligen Talmud-Tora-Schule befindet sich seit dem 28. August 2007 die Josef Carlebach-Schule, benannt nach dem ehemaligen Direktor der Schule. Diese ist eine jüdische Grundschule bis Klassenstufe 5. 2008 wurden an der Schule 40 Kinder unterrichtet.
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