Hörstolperstein Topf & Söhne (Erfurt)
STETS GERN FÜR SIE BESCHÄFTIGT!
Dieser Schriftzug fällt als erstes auf, wenn man das Gelände des Sorbenwegs 7 betritt. Zum Eingang führt ein Weg aus schwarzem Kies. In der dritten Etage angekommen, befinde ich mich unmittelbar in einem ehemaligen Zeichensaal. Rechts von mir steht eine historische Zeichenmaschine, Isis nannte sich das Modell. Isis – wie die altägyptische Göttin die jeden unter ihren Schutz nahm, der gutes für die Menschen tat. Welch bösartige Ironie, denn was ein Mann an diesem Arbeitsplatz konstruierte, war alles andere als gut oder brauchbar für die Menschheit. Im Gegenteil, es war ein Werkzeug für die industrielle Massenvernichtung zur Zeit des Nationalsozialismus. Hier am Fenster mit Ausblick zum Ettersberg, wo sich ehemals das Konzentrationslager Buchenwald erstreckte, wurden die Öfen für dieses Lager sowie für das Vernichtungslager in Auschwitz entworfen.
Der Zeichensaal in dem ich mich gerade befinde gehört zum ehemaligen Verwaltungsgebäude des Familienunternehmens „Topf & Söhne“. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Firma in erster Linie für ihre Mälzerei- und Speicherbauanlagen bekannt. Den internationalen Erfolg verdanken sie ihrer Firmenideologie direkt auf die zugeschnittene Produkte herzustellen und die Aufbau und Wartungsarbeiten zu garantieren. Heute erinnert das Gebäude an die Beteiligung im Holocaust. Vergilbte Dokumente zeugen im Erinnerungsort vom Auftrag bis zur Fertigstellung der Verbrennungsöfen für Auschwitz und Buchenwald.
Man fragt sich: Wer hat von den Geschäften mit dem Tod anderer Menschen gewusst? Wer hat es unterstützt? Und vor allem: Warum hat man sich überhaupt erst auf Geschäfte mit der SS und dem damit verbundenem Regime eingelassen?
Nachdem die Brüder Ernst und Ludwig Topf 1935 die Geschäftsführung übernahmen, orderte die SS vier Jahre später im Zuge der Rüstungsbestimmungen Verbrennungsöfen für eigene Krematorien in den Konzentrationslagern. Hierbei spielte ein einfacher Mann mit dem Namen Kurt Prüfer eine besondere Rolle. Als einziger Ofenbauingenieur machte er das Entwerfen dieser Krematorien zu seinem Spezialgebiet.
Kurt Prüfer kam 1891 zur Welt und wuchs am Nonnenrein ganz in der Nähe seines späteren Arbeitsplatzes auf. Sein ehrgeiziges Streben nach Erfolg und Karriere zeigte sich bereits in den wiederholten Bewerbungen bei „Topf & Söhne“. Erst nach dem dritten Anlauf wurde Kurt Prüfer schließlich eine Stelle als Zeichner angeboten. Trotz des niedrigen Lohnes nahm er das Angebot in dem Unternehmen an. Ab da versuchte Prüfer immer und immer wieder Anerkennung für seine Leistungen als Ingenieur zu erlangen. Diese Sehnsucht erfüllte sich mit dem wachsenden Interesse der SS für immer bessere und schnellere Verbrennungsöfen. Zu Anfang seiner Laufbahn als Ofenbauingenieur konstruierte Kurt Prüfer Einäscherungsöfen für städtische Krematorien, welche dafür sorgten, dass die Särge nicht verbrannt, wurden sondern sich in der erhitzten Luft selbst entzündeten. Diese ehrenhafte Art der Einäscherung sollte sich von der massenhaften Verbrennung von Tierkadavern unterscheiden. Prüfer setzte sich entschieden in der Öffentlichkeit dafür ein, dass bald in jedem städtischen Krematorium die speziellen Öfen verwendet wurden. Umso erschreckender ist es das sein beruflicher Ehrgeiz dazu führte seine eigenen moralischen Grenzen zu überschreiten. Das Konzept der Muffelöfen die sie bis heute unter anderem in Buchenwald besichtigen können erlebte eine Metamorphose von Einäscherungs- zu menschenverachtenden Verbrennungsöfen.
„Nachdem die Einäscherungskammer gut rot warm ca. 800 ° ist, können die Leichen hintereinander in die beiden Kammern eingefahren werden. Sobald die Leichenteile vom Scharnottenrost nach der darunterliegenden Ascheschräge gefallen sind, müssen diese mittels der Kratze nach vorn zur Ascheentnahmetür gezogen werden. Hier können die Teile noch 20 Minuten nach dem Verbrennen lagern. Dann wird die Asche in den Aschebehälter gezogen und zur Abkühlung zur Seite gestellt. Zwischendurch werden neue Leichen in die Kammer nacheinander eingeführt.“
Betriebsvorschrift des „koksbeheizten Topf-Doppelmuffel-Einäscherungsofens“
Vergangen war das Ansehen der Totenruhe. Indem Prüfer nun die Toten nicht mehr vom Feuer trennte, lenkte er den Schwerpunkt seiner weiteren Arbeit weg von der ehrenvollen Totenbestattung und konzentrierte sich auf eine schnelle und leistungsstarke Verbrennung der anfallenden Leichenberge. Die SS war begeistert von seinen Produkten und Prüfer hatte seine Passion gefunden. Geschäftsmäßig und emotionslos spricht er in seinen Briefen über die Pläne noch leistungsstärkere Öfen zu entwerfen.
„Ich nahm, an das zurzeit drei Stück Zweimuffelöfen mit einer Leistung von 250 je Tag in Betrieb seien. Ferner wären jetzt im Bau fünf Stück Dreimuffelöfen mit einer täglichen Leistung von 800. Zum Versand kämen heute und in den nächsten Tagen die von Mogilew abgezweigten zwei Stück Achtmuffelöfen mit einer Leistung je 800 täglich.“
Brief Kurt Prüfers am zum Bau von vier Krematorien in Auschwitz Birkenau, 21. August 1942
250, 800? Das es sich bei diesen Zahlen um tote Menschen handelt scheint irrelevant. Hier zählt nur das Geschäft. Wie jeder andere Auftrag auch durchliefen diese speziellen und strengst geheimen Bestellungen den ganz normalen Produktionsvorgang. Von der Kalkulation des Angebotes in der Verwaltung, hin zu der Herstellung in den Werkstätten, über das Verpacken in der Versandabteilung und dem anschließenden Versenden mit der Bahn. Am Ende wird alles in der Buchhaltung in Rechnung gestellt. Wer glaubt, dass das Geschäft mit den Verbrennungsöfen auf Druck der SS abgewickelt wurde oder ein finanzieller Vorteil daraus hervorging, liegt falsch. Der Umsatz in diesem Firmenzweig betrug nicht einmal drei Prozent und Angst vor Konsequenzen musste die Geschäftsleitung ebenso wenig haben. Ein Konkurenzunternehmen in Stuttgart verweigerte die Zusammenarbeit mit der SS, ohne folgen produzierten diese noch bis in die siebziger Jahre hinein. Auch können die Direktion Kurt Prüfer sowie andere Mitarbeiter von Topf & Söhne sich nicht damit entschuldigen sie hätten nicht gewusst wofür die SS jene Sonderanfertigungen nutzte. In zahlreichen Briefen und Notizen werden die Nutzungen klar benannt. Es waren immer eigene Monteure vor Ort. Durch seinen engen Kontakt zur SS war Kurt Prüfer häufiger Besucher am Schauplatz des Verbrechens. Er beobachtete wie ausgezehrte Häftlinge seine Endlösung aufbauten. Berührt haben ihn diese Eindrücke kaum. Wieder am Arbeitsplatz angekommen machte Prüfer sich gleich eifrig daran neue Öfen zu konstruieren die noch mehr Menschen zur gleichen Zeit verbrennen konnten.
Kurt Prüfer, seine Motive sind nicht neu und auch in der heutigen Gesellschaft noch anzutreffen. Doch um seine Ziele Ruhm, Geld und Anerkennung zu erreichen, ging er über Leichen.
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