Hitler, Gott, Somuncu…
Endlich gibt es mal wieder ein Theater-Skandälchen, am Stadttheater zu Konstanz immerhin, wo justament zum “Gebortstag des Föhrers” die Farce/Groteske “Mein Kampf” von George Tabori Premiere hat, noch dazu in einer gegenwartsnahen Inszenierung des notorischen Kabarett-Rabauken Serdar Somuncu. Den kennen wir ja seit unserer Sendung “Urheber rechts” als todesmutig aus Hitlers schwindligem Original vortragenden Theaterdonnerer, der sich, vor allem durch seine kritischen Kommentare dazu, sechs Jahre lang mit Alt-, Neu- und Möchtegernnazis anlegte. Und nun sollen die Theaterbesucher in Konstanz auch noch Judensterne (wenn sie Eintritt zahlen) oder Hakenkreuz-Armbinden (wenn sie gratis reinkommen) tragen! Ein Skandal, oder?
In einer Talkshow des deutschen Fernsehens antwortet Somuncu auf die ewigdämliche Frage: “Was darf Satire?” dann auch folgerichtig mit: “Deine Mutter darf Satire!” Der Mann hat offenbar so seine Geschichte mit der deutschen Verbotskultur. In einem bemerkenswerten ZEIT-Artikel erfahren wir mehr über die Hintergründe: Als der kleine Serdar einst in die erste Volksschulklasse kommen sollte, da wurden sämtliche Kinder mit ausländischen Namen für die Sonderschule ausselektiert. Daraufhin brüllt sein Vater den Schuldirektor an: “Was heißt das? Wir Ausländer nix gut deutsch? Du Arschloch!” – So einen Vater hätten wir wohl alle gern gehabt, als wir mit 6, 7 Jahren zum ersten Mal der grausigen Menschenvernichtungsmaschine namens Abrichtung zur gesellschaftskonformen Anpassung ausgeliefert wurden. (Die “Menschenvernichtungsmaschine”, eine Art Fleischwolf mit Fließbändern zur industriellen Verwurstung von Kindern, zeichnete ich im Alter von etwa 5 Jahren, nachdem ich zum ersten und zum Glück letzten Mal in einem Kindergarten “betreut” worden war. Und ich erachte diesen Eindruck noch heute als absolut zutreffend.) Doch neben prägenden Erlebnissen aus der frühesten Kindheit beleuchtet das ZEIT-Portrait auch die weitere künstlerische Entwicklung:
Denn das Spiel mit dem Indifferenten, das einem das Lachen schon mal im Hals stecken bleiben lässt, diese Inszenierung der Mehrdeutigkeit, die einen unsicher macht, wo man denn eigentlich von vornherein “dazu gehört”, die hat System und Methode – und ist äußerst wirkungsvoll. Hören wir Serdar Somuncu also einmal im Original, bevor wir seine Version eines “immersiven Theaters” von uns weisen…
Nein, ich liebe euch,
und ich schieß nicht gleich,
warum habt denn ihr
so schrecklich Angst vor mir?
Ich bin Mensch und Christ,
und ein Revolver ist
kein Zeichen von Gewalt,
wenn ich ihn halt.
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