Gerald Fiebig – New Enamel
Vor einiger Zeit erreichte uns das freundliche Angebot des Augsburger Autors und Klangkünstlers Gerald Fiebig, sein Radiostück “New Enamel – Vom Karl-Marx-Hof zum Utopiaweg” in unserem etwas anderen Kunnst-Biotop auszustrahlen. Es handelt sich dabei um den finalen Teil einer für das Ö1 Kunstradio produzierten Trilogie rund um die Februarkämpfe 1934. Das zentrale Element der Komposition sind die Lebenserinnerungen seiner Großmutter, deren Vater Hermann Wurmbrand im Republikanischen Schutzbund gegen den Austrofaschismus kämpfte. Die damaligen Ereignisse sind inzwischen auch als Österreichischer Bürgerkrieg bekannt. Weshalb jedoch bringen wir diese gespenstische Zeitreise ausgerechnet jetzt im November – und nicht im Februar?
Und warum hat der ORF, der den ersten Teil dieser Trilogie heute noch feiert, deren Schlussstück nicht gesendet? Das hat wohl mit einem “ersten Eindruck” zu tun, den die radiophone Komposition zunächst beim Zuhören bewirkt: Weil viel erzählt und zitiert wird, kommt einem das Stück wie ein klassisches Feature entgegen. So erlebte ich das beim ersten Mal. Zumindest die erste halbe Stunde lang. Doch dann springt mich die Hörwelt plötzlich lauthals an und wiederholt monoton das Geplärr der Kristallnacht. Von dem Punkt an war klar: Die Dramaturgie des “Hörspiels” ist viel hintergründiger als eingangs vermutet – und: Das müssen wir zum Gedenken an die Novemberpogrome des 10. November 1938 öffentlich machen. Gerade jetzt, wo unser ältester KZ-Überlebender und Zeitzeuge Marko Feingold gestorben ist – und das grölpöbelnde Dumpftum der neurechten Rattenfänger schon wieder grausige Urständ feiert, ist emotional berührende Zeitgeschichte fast schon lebensrettend. Gerald Fiebig verdichtet hier die Erinnerungen seiner Großmutter mit thematisch passenden Geräuschen und literarischen Einschüben zu einem Erlebnisraum mit starker Anziehungskraft. Genau das macht das Gelingen der erwähnten Zeitreise erst aus, die Begegnung mit den Gespenstern, leben sie denn – oder bin ich dort?
Welch ausgefeilte Arbeit hinter dieser Produktion steckt, könnt ihr im Konzept & Manuskript dazu nachlesen – und weiterführend auf seiner Homepage erforschen…
Der Bezug zum Projekt Hörstolpersteine (in unserer Signation) ist bestimmt KEIN Zufall. Genauso wie die Reverenz an den großen Georg Danzer: Der alte Wessely
PS. Im Anhang der Utopiaweg (in Wien) nebst den Daten der zwei Ursendungen dieses Stücks.
Geralb Fiebig hat (mit Genehmigung von Autor und Verlag) Zitate aus folgendem Werk verarbeitet:
Thomas Stangl: Freiheit und Langeweile. Essays. (c) Literaturverlag Droschl Graz – Wien 2016.
Ähnliche Beiträge
- Gedenkkultur ohne Antifaschismus ist zu wenig aus der Sendereihe „Werkspost. Der politische Salzburg-Kommentar....“ 21.08.2024 | Radiofabrik
- Folge 21: Niemals vergessen! aus der Sendereihe „Richtig & Falsch“ 27.05.2024 | Orange 94.0
- 31/03/2024 – Feministische Perspektiven auf Antisemitismus aus der Sendereihe „Anarchistisches Radio“ 31.03.2024 | Orange 94.0
- 17/03/2024 – Antifaschismus im Comeback?! (A-Radio Berlin) aus der Sendereihe „Anarchistisches Radio“ 17.03.2024 | Orange 94.0
- WiderstandsChronologie 4. bis 16. Feber 2024 aus der Sendereihe „WiderstandsChronologie“ 17.02.2024 | Orange 94.0
- WiderstandsChronologie 21. Jänner bis 3. Feber 2024 aus der Sendereihe „WiderstandsChronologie“ 03.02.2024 | Orange 94.0
- #stimmlagen: Kunstkollektiv EXTASIER I Interview KZ-Verband Salzburg I Gehen... aus der Sendereihe „#Stimmlagen – Das Infomagazin der Freien...“ 31.01.2024 | Gemeinschaftsprogramme
- unerhört! Basics der Psychotherapie 1.0 I Kunstkollektiv EXTASIER I Interview... aus der Sendereihe „unerhört! Das Magazin — offen & vielschichtig“ 27.01.2024 | Radiofabrik
- Protest gegen rechtsextremen Burschenbundball aus der Sendereihe „FROzine“ 25.01.2024 | Radio FRO 105,0
- Protest Bündnis Linz gegen Rechts | Online-Streetwork | Diskriminierung am Arbeitsplatz aus der Sendereihe „#Stimmlagen – Das Infomagazin der Freien...“ 25.01.2024 | Gemeinschaftsprogramme