Endlich in Österreich angekommen: Der Krieg ist da! Der Wirtschaftskrieg nämlich.

21.09.2022

Endlich in Österreich angekommen: Der Krieg ist da!
Der Wirtschaftskrieg nämlich.

Die Europäische Union hat sich zum Kriegsbündnis und zum Kriegsteilnehmer weiterentwickelt, immerhin ist dieser Status schon in der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) seit dem Vertrag von Maastricht 1993 angelegt. Kriegsteilnehmer ist die EU in mehrfacher Hinsicht: Ihre Mitglieder liefern – in unterschiedlichem Ausmaß – Waffen an die Ukraine. Die EU als ganze finanziert den ukrainischen Staat und hält diesen überhaupt – in Kooperation mit den USA – zahlungsfähig; ohne diese formell als Kredit abgewickelte Liquidität wäre die Ukraine längst implodiert. Und schließlich führt die EU selbst erklärtermaßen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland mit dem ausdrücklichen Ziel, die russische Wirtschaft – als materielle Grundlage des Staates – zu ruinieren.

Das kontrastiert noch immer, allerdings immer weniger mit der Sprachregelung, „Europa“ selbst sei im Grunde genommen gar keine kriegführende Partei, sondern bloß ein besonders engagierter „Fan“ der Ukraine, der das „Unrecht“ eines – weil russischen – „Angriffskrieges“ einfach nicht aushält, und daher zu – bloß ökonomischen – „Sanktionen“ greifen „muss“. Übrigens: Der japanische Angriff auf Pearl Harbour seinerzeit war die Antwort auf ökonomische Sanktionen. Die USA verhängten am „25. Juli 1941 ein vollständiges Öl-Embargo gegen Japan und froren alle japanischen Guthaben ein. Da sich Großbritannien und Niederländisch-Indien diesem Schritt anschlossen, verlor Japan 75 % seines Außenhandels und 90 % seiner Öl-Importe.“ (Wikipedia) So viel zur unkriegerischen Qualität eines Wirtschaftskrieges. Die russischen Warnungen vor einer weiteren Eskalation, vor der „Internationalisierung“ des Krieges gegen die Ukraine, auch mit Hinweis auf die Gefahr eines offenen Krieges gegen die NATO und auf die russischen Atomwaffen, die werden zwar kleingeredet, sind aber genau so ständig präsent.

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Die Wirkungen dieses Wirtschaftskrieges, die gar nicht als Folgen der europäischen Beschlüsse, sondern als quasi sachlogische, naturwüchsige Folgen des russischen Krieges genommen werden sollen, die sind jedenfalls unübersehbar: Auf dem Feld der Energieversorgung ist nichts mehr, wie es war. Betroffen ist ein sogenanntes „strategisches Gut“ – Energie geht in jedes Produkt und jede Dienstleistung ein, jeder Betrieb, jede Behörde und jeder Haushalt braucht es. Energie muss erstens sicher zur Verfügung stehen, zweitens in ausreichender Menge für jede Lage der Konjunktur, und drittens billig. Der ganz grundlegende Widerspruch besteht darin, dass durch ein – eigentlich „marktwirtschaftlich“ obligatorisches – Bestehen auf Rentabilität auch dieser Branche u.U. der komplette Standort leidet, indem viel an Produktion und Geschäft abgewürgt wird oder gar nicht erst in die Gänge kommt, weil rentable Energieträger – rentabel für die Produzenten und Lieferanten – zu teuer wären, für die Abnehmer. Damit der Kapitalstandort prosperiert, je nach Lage der Nation und der Konjunktur, wird die Energieversorgung direkt oder indirekt von Staats wegen betrieben bzw. administriert und subventioniert, oder zumindest detailliert reglementiert. Der Name des Öl- und Gaskonzerns OMV war ursprünglich mal die Abkürzung für „Österreichische Mineralöl Verwaltung“; die Firma ist der Gesellschaftsform nach eine Aktiengesellschaft, an der der österreichische Staat nicht nur ca. ein Drittel hält, sondern sich zusätzlich durch eine institutionalisierte Kooperation („Syndikatsvertrag“) mit dem zweiten großen Eigentümer, einem Staatsfonds des Golf-Scheichtums Abu Dhabi, bestimmenden Einfluss sichert. Die neulich ins Gerede gekommene „Wien Energie“ ist eine GmbH, eine Tochterfirma der „Wiener Stadtwerke“, wie generell die Erzeugung und der Vertrieb von Strom von Gesellschaften der österreichischen Bundesländer betrieben wird, und von der „Verbund AG“, die zu 51% im Eigentum der Republik Österreich steht, und an der auch die Landesgesellschaften aus Wien, Niederösterreich und Tirol beteiligt sind.

Diese Sicherstellung einer ausreichenden, sicheren und billigen Energieversorgung impliziert in der Regel gewisse Kosten für den Staatshaushalt und bringt das komplementäre Ideal hervor, auch die Energieversorgung möge rentabel sein, dem Staat also (Steuer)Geld einspielen, statt solches zu kosten. Das hat einige Jahrzehnte auch so halbwegs geklappt, nicht unbedingt bei allen Energieträgern, aber bei den wichtigen, vor allem dank imperialistischer Erfolge: Staaten wurden zu „Ölstaaten“ ernannt bzw. gemacht bzw. vor allem von den USA in dieser Funktion beaufsichtigt, mit dem Auftrag, „unser Öl“ abzuliefern. Schon vor der Wende im Osten war die Sowjetunion und anschließend Russland einige Jahrzehnte ein zuverlässiger und preiswerter Lieferant, ursprünglich auch unter dem Gesichtspunkt der Diversifizierung, um die Abhängigkeit von den „Ölscheichs“ und dem amerikanisch-dominierten Weltölmarkt zu reduzieren. OMV und Wien-Energie schrieben dadurch satte Gewinne, die OMV wurde zum Schwergewicht der Wiener Aktienbörse. Damit ist es nun vorbei, ganz Europa bekennt sich zur Energieversorgung als einer genuin staatlichen Aufgabe und diskutiert bzw. treibt die planwirtschaftliche Administration dieses Sektors sowie die Subventionierung der Industrie und der Verbraucher voran. Deutschland verstaatlicht eine Gasimportfirma, und von der österreichischen Energieministerin wird erwartet, im Fall der weiteren Verknappung ein Konzept einer regelrechten Rationierung von Gaszuteilungen vorzulegen bzw. ein solches längst in der Schublade zu haben. Die Beteuerung, die Privathaushalte hätten diesbezüglich Priorität, die belegt immerhin den diesbezüglichen „Zielkonflikt“.

Nebenbei: Durch den akuten Liquiditätsbedarf der „Wien Energie“ vor ein paar Wochen wurde man daran erinnert, dass es „Börsen“ nicht nur für Aktien, sondern auch für Strom gibt, wo notorisch Terminkontrakte gehandelt werden, nachdem sich Strom ja nicht in der Lagerhalle aufbewahren lässt, bis er gebraucht wird. Diese Börse tritt dabei nicht nur als Organisator von Angebot und Nachfrage auf, sondern auch als Garant der Zahlungsfähigkeit der Beteiligten, wofür sie Liquiditätsgarantien verlangt. Nachdem dort standardmäßig Kontrakte mit einer Laufzeit von zwei Jahren gehandelt werden, und nachdem solche Kontrakte unter ganz anderen Umständen kalkuliert wurden, Preis und Menge betreffend, stellt sich nicht nur der „Wien Energie“ und der Börse die Frage, wie früher eingegangene Lieferverpflichtungen im Lichte der aktuellen Preisentwicklung zu bewerten sind – die verlangte garantierte Zahlungsfähigkeit konnte die Firma dann aus eigenen und den Reserven der Stadt Wien nicht mehr stemmen. Wobei der Witz an solchen Garantien darin besteht, dass der Verweis auf das staatlich garantierte Bezahlen-können das aktuelle Bezahlen-müssen normalerweise ersetzt, so dass also gerade durch die Garantie keine Verluste zu verbuchen sind. Außerdem gehört es zur guten kommerziellen Praxis, solche Probleme möglichst diskret mit der Hausbank in den Griff zu kriegen, denn schon der öffentlich gewordene Verdacht auf ein Liquiditätsproblem vergrößert dieses. Diese aktuelle Lage auf den Strommärkten hat übrigens mit der Frage, welche Partei wo regiert, nichts zu tun.

Teile der österreichischen Medien erfüllten sich anhand dieser Liquiditätsklemme ein etwas anderes Bedürfnis, das offenbar schon länger dermaßen frustriert war, dass es quasi zu einer regelrechten Eruption kommen musste. Gebeutelt davon, im Wochentakt über immer neue Sumpfblüten aus dem türkis-schwarzen Reich berichten zu müssen – aktuell im Gespräch sind freihändige vorschriftswidrige Auftragsvergaben in Vorarlberg und ein Gedächtnisschwund von ÖVP-Jungbauer-Funktionären in Tirol, die Zugehörigkeit zur ÖVP betreffend –, konnten sie endlich mal einen Skandal im Reich der SPÖ ausrufen. Exemplarisch: „Das rote Debakel. Wie Bürgermeister Ludwig das Milliarden-Risiko der Wien Energie verheimlichte.“ (profil 36/2022) Das ist ja ein Vorteil des journalistischen Handwerks: Ohne die geringste Sachkenntnis über Politik, Ökonomie und in dem Fall Energiepolitik gibt es immer was zu berichten – nicht über die Sache, sondern über Personen, mithin nicht über Politik, sondern über Politiker. Das entlang der zumindest für die Schreiber ungemein spannenden Frage, wer hat denn nun bella figura gemacht und verdient vorzügliche Haltungsnoten, bzw. wer hat in Sachen „Krisenkommunikation“, also beim Einseifen von Journalisten, gröblich versagt.

[Die Journaille teilt ja mit dem gemeinen Fußball-Fan eine Wahnvorstellung, und wird auf der Basis auch mal zum Wutschreiber: Wo der Rapid-Fanatiker in dem Wahn lebt, er hätte wegen seines Engagements für seinen Lieblingsverein ein persönliches Recht auf den Sieg der Mannschaft, und müsse daher im Fall der Erfolglosigkeit die Enttäuschung randalierend ausleben oder gleich „die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen“, da lebt die Schreiberzunft ihren Traum vom Recht auf Erfolg der Nation und ihrer Wirtschaft auf ihre Weise: Wenn der ausbleibt, „müssen“ – im Weltbild der Fans in den Medien – fragwürdige, womöglich kriminelle Figuren am Werk sein, weil ordentliche Geschäfte sind bekanntlich von Natur aus erfolgreich. Da wird dann auch über den himmelweiten Unterschied von privaten und von Firmen im öffentlichen Bereich gelästert, weil Privatunternehmen angeblich jedes Spekulationsrisiko immer selber ausbaden – als hätten die Redakteure den Spruch „too big to fail“ noch nie gehört. Und das, wo das vorauseilend und begeistert bequatschte Fiasko der „Wien Energie“ noch nicht einmal eingetreten ist! Der Unterschied zwischen einer fragwürdigen „Spekulation“ und dem seriösen Geschäft kürzt sich ohnehin auf den Erfolg zusammen. Wenn der gegeben ist, echauffiert sich keine Öffentlichkeit über „anrüchige“ Praktiken.]

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Der gewaltige Preisschub bei Energie führt nun nicht nur dazu, dass je nach der Position im Energiegeschäft sich die einen Firmen dumm und dämlich verdienen, und bei anderen staatlicher Handlungsbedarf besteht. Der Schub setzt eine richtiggehende Kaskade in Gang: Die Energiepreise sind ja nicht nur erstens direkt für Energie zu entrichten, da sie in so gut wie alle Produkte und Dienstleistungen eingehen, verteuert sich also zweitens flächendeckend alles andere auch. Drittens wird der verantwortungsbewusste Wirtschaftstreibende nicht warten, bis die höheren Preise seiner Lieferanten wirklich bei ihm aufschlagen, sondern er wird vorausschauend und präventiv seine Preise schon in Erwartung steigender erhöhen, sofern die Kundschaft das hergibt. Viertens kommen angesichts dessen findige Unternehmer auf die Idee, an den allseits steigenden Preisen als Zwischenhändler verdienen zu wollen, indem sie als zusätzliche Käufer auftreten – Holz und Baumaterial aller Art wird derzeit besonders nachgefragt –, um das Zeug dann später teurer zu verkaufen, wodurch ebenfalls die Nachfrage und damit die Preise steigen. Und fünftens und sicher nicht letztens kann man bekanntlich auf Terminbörsen auf steigende Preise wetten, ohne die Basisprodukte je erwerben zu wollen.

Das alles addiert sich inzwischen zu Raten der Geldentwertung im zweistelligen Prozentbereich, wie sie einige Jahrzehnte ziemlich unüblich waren. Wie so vieles ist auch die Inflation im Kapitalismus eine Klassenfrage: Während die einen die Geldentwertung machen, indem sie die Preise erhöhen, sind die anderen ihr ausgesetzt. Jeder Supermarkt und jede Tankstelle kann bekanntlich jeden Tag die Preise erhöhen, während der normale Arbeitnehmer mit dem haushalten muss, was der letzte Kollektivvertrag hergibt – auch jeden Tag lohnmäßig nachzuziehen, das ist für Arbeitnehmer nicht drinnen. Insofern ist die Redeweise, dass „alles teurer wird“, sehr unsachlich: Wenn wirklich alles teurer würde, also auch der Lohn, den die Arbeitskräfte bekommen, dann kürzt sich der Effekt wieder raus: Wenn sich alle Preise und Löhne verdoppeln, bleiben die Relationen schließlich unverändert, jeder hat nachher so viel oder so wenig, wie vorher. „Alles wird teurer“ heißt im normalen Sprachgebrauch also, dass alles teurer wird, nur die Löhne steigen nicht, bis zu den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen. Und das ist offenbar – verlautbart zumindest der akademische Sachverstand unisono mit den Verursachern der Inflation – schwer in Ordnung: Während unbestritten ist, dass aktuell eine Preis-Preis-Spirale die Teuerung antreibt, was sachgerecht ist, weil nun einmal die Unternehmen ihre Kosten nach Art eines Sachzwanges „weitergeben müssen“, wird zugleich vor der ganz schlechten „Lohn-Preis-Spirale“ gewarnt, wonach das analoge Nachziehen der Löhne die Kaufkraft bloß vordergründig und vergeblich steigern würde, weil diese sofort von den Unternehmen in Form weiter steigender Preise abgegriffen und damit egalisiert würde – so dass eigentlich sofort die nächste Lohnrunde fällig wäre, und das könne doch kein Arbeitnehmer wollen … Ja warum denn nicht?! Der Lebensstandard der Lohnempfänger durch spiralförmige Lohnerhöhungen ist im Kapitalismus jedenfalls kein ökonomischer Sachzwang. Die Wirtschaft könne die Teuerungen nicht „alleine schultern“, heißt es; also die Macher und die Opfer der Inflation müssten wieder mal „solidarisch“ an einem Strang ziehen – in welche Richtung denn?!

Bemerkenswert ist, die amtierende Regierung sieht das genau so; dass „die Wirtschaft“ also unmöglich die Schäden an den Einkommen normaler Leute kompensieren kann, die sie anrichtet – so eine klassenmäßig verteilte Geldentwertung hat volkswirtschaftlich betrachtet schließlich die erfreuliche Wirkung einer allgemeinen Lohnsenkung! Andererseits untergräbt das wieder mal die ohnehin permanent prekäre Existenz normaler Leute, das halbwegs geordnete Funktionieren dieser Klasse ist tangiert; Sozialmärkte, Schuldnerberatungen, die Caritas schlagen Alarm, die Gewerkschaft sowieso. Alle etablierten, für die normale Armut zuständigen und anerkannten Instanzen, die es immer schon gibt, weisen wieder einmal darauf hin, dass das verbreitete Leben von der Hand in den Mund durch steigende Preise für Energie und vieles andere bedroht ist, nämlich in eine verbreitete Zahlungsunfähigkeit zu entgleisen droht. Da sieht sich die politische Macht gefordert. Also wird eine gefühlsmäßig wöchentlich aktualisierte Liste von staatlichen Zuschlägen und Subventionen verlautbart, die, wenn sie schon nicht die steigende Armut verhindern, so doch die Umstellung auf diese ganz neue Armut durch finanzielle Abfederungen begleiten sollen. Sogar der Hinweis, dass die höheren Preise gekommen sind, um zu bleiben, womit „Einmalzahlungen“ bald verbraucht sein werden, der wird gehört: Neben der Milderung der „kalten Progression“ – wonach Lohnerhöhungen via Einstufung in eine andere Steuerklasse zum Teil beim Finanzamt landen – wird auch die „Valorisierung“ von allerlei Sozialleistungen zumindest angekündigt, also deren automatische jährliche Erhöhung. Auch so wird deutlich, dass die Politik die Geldentwertung als Dauereinrichtung betrachtet. In welcher Quantität auch immer, die politische Macht macht sich zuständig für den Lebensunterhalt der Bevölkerung, beim Hinunterschleifen des bisherigen „Wohlstandes“ auf ein für Kriegszeiten passendes Niveau.

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Aber nicht nur ihre Folgen werden von der Politik unter deren Fittiche genommen, auch die Bekämpfung des Phänomens der Inflation selbst wird angegangen. Zuständig dafür ist nach allgemeiner Überzeugung die Zentralbank, also in Euroland die EZB in Frankfurt. Die hat auch neulich – wenn auch nach allgemeiner Überzeugung viel zu spät – ihre Zinsen erhöht. Das soll den Banken – via Refinanzierung – die Kreditvergabe erschweren, und damit die Konjunktur millimetergenau einbremsen, um damit die allgemeine Nachfrage und damit die Preisentwicklung zu dämpfen, ohne in eine Rezession auszuarten. Komisch. Denn wenn etwa die Energiepreise steigen, dann steigt das Preisniveau generell, befördert die Inflation und beschwört die Gefahr der Rezession herauf. Wenn die Löhne allgemein steigen, dann befördert das via Lohn-Preis-Spirale schon wieder die Inflation und das ist schlecht – aber wenn die Zinsen steigen, also die Kosten aller Finanzierungen, dann soll das den genau gegenteiligen Effekt auslösen, und die Inflation mindern? Höhere Energiekosten, höhere Lohn- und höhere Zinskosten gehen direkt und indirekt in alle Rechnungen aller Wirtschaftssubjekte ein, je nach Branche und Kostenstruktur – aber nur die höheren Zinsen sollen einen wundersamen entgegengesetzten Effekt haben und einen allgemeinen Preisauftrieb dämpfen?! Voodoo-Ökonomie?

Dazu kommt, dass ein spezieller unproduktiver Typ von Wirtschaftssubjekt unbekümmert von theoretischen Schwurbeleien über Zinsen seine Kreditnachfrage geradezu monströs zu steigern ankündigt. Gemeint sind die europäischen Kriegskredite. Darunter fallen nicht nur die diversen Beschlüsse zur Aufrüstung quer durch Europa. Deutschland allein – Was wären denn deutsche Kriegskredite ohne deutsche Sozialdemokratie? – Deutschland also kündigt eine 100-Milliarden-Neuverschuldung für Waffen an und deklariert die neuen Schulden glatt als ein „(Sonder)Vermögen“! Das bringt zwar der Waffenindustrie satte Profite, aber nachdem deren Produkte ökonomisch weder produktiv noch konsumtiv verbraucht werden können, fallen sie aus allen ökonomischen Kreisläufen heraus, und tragen nichts zum weiteren Kapitalwachstum bei, während sie auf den Einsatz oder die Verschrottung warten. (Marx notiert seinerzeit salopp: „Krieg … unmittelbar ökonomisch dasselbe, als wenn die Nation einen Teil ihres Kapitals ins Wasser würfe“, „Grundrisse“ S. 47) Zu denen für Waffen kommen die „Kredite“ der EU an das ukrainische Fass ohne Boden, gerade wurden Selenskyj wieder fünf Milliarden zugesagt, für die die EU-Mitglieder garantieren. Zu diesen Kriegskrediten kommen die politischen Kosten des Wirtschaftskrieges, also die ökonomische Bewältigung der Verbote von Geschäften mit dem Feind – die Kosten der erwähnten Verwerfungen auf den Energiemärkten bis hin zu den sozialen Kosten durch die begleitende Subventionierung der armen Leute auf dem Weg in die wachsende Armut. Mit dieser Verschuldung finanzieren die Staaten allerdings nur die Verluste der energieintensiven und anderer Branchen, die durch den europäischen Wirtschaftskrieg mit eklatanten Konkurrenznachteilen gegenüber den USA und Asien konfrontiert sind – diese Kredite stoßen aber kein zusätzliches Wachstum an. Dass Kriegskredite kapitalistisch unproduktiv sind und die jeweilige Währung nicht gerade positiv affizieren, ist seit einigen Generationen übrigens auch ohne Marx-Lektüre bekannt – aber immerhin diesbezüglich hat die Zinserhöhung der EZB messbar etwas bewirkt: Der Kurs des Euro zum Dollar ist ein wenig gestiegen. [Nachtrag: Bis die FED ihrerseits die Zinsen wieder erhöht hat.]

Literatur:

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/drei-gruende-ukraine-kriegs
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/wirtschaftskrieg-gegen-russland-kommt-deutschland-an
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/ukraine-den-zeiten-corona

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Thema:Politics
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