Eine abweichende Meinung zu Auschwitz: Zwei Lügen und ein „Narrativ“
Erwünschte und andere Lehren aus der Geschichte (2)
Eine abweichende Meinung zu Auschwitz: Zwei Lügen und ein „Narrativ“
Das Hitler-Bild, das auch in der Stellungnahme von Tote-Hosen-Campino (dazu mehr im vorigen Podcast) unterstellt ist, lebt zum Großteil von „Auschwitz“. Aus diesem Anlass ein paar Bemerkungen zu den Auschwitz-Lügen.
Richtig gehört: Auschwitz-Lügen – davon gibt es mehrere. Die erste, die bekannteste Auschwitz-Lüge ist die geächtete: Die Behauptung nämlich, die Gaskammern seinen eine Erfindung, um den NS-Staat und Deutschland überhaupt zu diskreditieren. Welches Bedürfnis sich da ausdrückt, ist kein Rätsel. Um einen bekannten Spruch zu zitieren: Wer behaupten will – „So sind wir nicht!“ –, der endet eben öfter mal bei der Realitätsverweigerung oder gleich bei der Lüge. Bemerkenswert dabei ist auch, dass diese Auschwitz-Lüge in Österreich unter das „Verbot Nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ fällt; insofern eigenartig, als ein Ansinnen auf Wiederbetätigung – wörtlich genommen –, Auschwitz nicht leugnen, sondern sich dazu bekenne würde.
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Die zweite – meines Erachtens zumindest – Auschwitz-Lüge ist die von der Entpolitisierung, das ist nämlich ein zentraler Gehalt des Diktums von der „Einzigartigkeit“ und „Singularität“ des Völkermordes. Vielleicht ist „Lüge“ etwas zu drastisch, weil eine Lüge setzt ja die Kenntnis der Wahrheit voraus – und das ist möglicherweise wirklich nicht der Fall; kann ja sein, dass die Geschichte ehrlich geglaubt wird, nennen wir sie daher modern ein „Narrativ“. Es geht also um das Narrativ von der Entpolitisierung, von der eklatanten, von der eigentlich unmöglichen Ausnahme von der Regel, die der Völkermord sein soll.
Das Dogma hat sich ursprünglich als abwehrendes Moment gegen Verharmlosung etabliert, es hat allerdings seine Tücken. Es wird so getan oder zumindest unterstellt, als würde man eine staatliche Vernichtungsaktion nur dann kompromisslos ablehnen können, wenn sie erwiesenermaßen „singulär“ ist. Exemplarisch:
„Es ist fester Bestandteil des Nachkriegsantisemitismus, die Einmaligkeit des Holocaust nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Zahl der Opfer wird durch Aufrechnung mit anderen Verbrechen der Weltgeschichte relativiert.“ (Hans-Henning Scharsach, Haiders Kampf. Wien 1992, S. 57) „ … die nationalsozialistischen Verbrechen werden … verharmlost, verglichen oder aufgerechnet.“ (S. 97)
Die Absicht der „Aufrechnung“ ist klar, es geht um Verharmlosung. Dadurch, dass der Völkermord des damaligen Deutschen Reiches als gar nicht so einmalig und außergewöhnlich behauptet wird. Das stimmt übrigens, Völkermorde – Plural – gehören durchaus zur modernen Zivilisation. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen bizarren Standpunkt. Wieso wird denn ein Völkermord harmlos, wenn er nicht der einzige in „der Weltgeschichte“ ist? Wer geistig halbwegs beieinander ist, wird die Judenvernichtung doch nicht weniger ablehnen, falls es doch nicht der einzige Genozid aus Gründen der Rassenhygiene war! Die Gleichsetzung von „nicht einzigartig“ mit „normal“ und darüber dann mit „gewöhnlich“, die ist perfid, und es ist bezeichnend, wie dem in der „antifaschistischen“ Öffentlichkeit entgegnet wird. Da wird nämlich nicht diese Gleichsetzung kritisiert und zurückgewiesen, sondern umgekehrt versucht, den ganz einmaligen, den „singulären“ Charakter der Judenvernichtung nachzuweisen. Das wird ziemlich unglaubwürdig und bekräftigt außerdem den Standpunkt von der Harmlosigkeit oder zumindest geringeren Verabscheuungswürdigkeit von Völkermorden, wenn sie denn mehrmals vorkämen. Falls jemand allen Ernstes versucht, mit dem Hinweis auf sonstige Opfer (Wessen? Der „Weltgeschichte“?) die Judenvernichtung durch aufrechnende Relativierung als dann wohl nicht so schlimm zu interpretieren, gibt bekannt, wes’ Geistes Kind er ist. Also dann Schluss der Debatte. Es fällt schließlich auch niemandem ein, Kindesmissbrauch oder sog. Beziehungstaten oder Femizide daran „relativieren“ zu wollen, dass die öfter vorkommen. Die traurigen Versuche, dieser NS-„Relativierung“ durch den Nachweis der garantierten „Einmaligkeit“ von KZ und Gaskammer zu begegnen, die belegen also vor allem, dass der anderen Seite dagegen nichts einfällt: Wäre dergleichen öfter passiert, könnte man sich dem Urteil alter und neuer Nazis – relativ harmlos, weil vergleichsweise genauso schlimm wie anderswo(!) – offenbar nicht verschließen. Wirklich? Der Vollständigkeit halber: Die KZs sind nicht einmalig, die Gaskammern schon, aber die sind eben das Instrument, und nicht der Grund.
Wie kommt man da drauf? Solche Diskussionen werden i.d.R von National-Kollektivisten geführt, für die es selbstverständlich ist, die Weltgeschichte und die Politik als Anwälte der je eigenen Nation zu begutachten. Es wird dann nicht nur über die Sache selbst gestritten, sondern es wird auch die Frage aufgeworfen, wer eigentlich das Recht habe, sich über andere Völker (ver)urteilend zu äußern. Wenn, sagen wir, „die Amerikaner“ sich völkermordend an den früher als „Indianer“ bekannten Leuten betätigt haben, dann darf ein Amerikaner sich eben nicht über andere Völkermörder verurteilend das Maul zerreißen, wo er doch selber zu einem solchen Kollektiv gehören will … Einer, den das sein Lebtag schwer beschäftigt hat, war natürlich Jörg Haider: „Gerade die USA hätten kein Recht, als Richter aufzutreten: ‘Als Gralshüter der Moralität kann sich nur ein Staat aufspielen, der selbst eine reine Weste hat, nicht aber, der zugeschaut hat, wie Hunderttausende Sudetendeutsche aus ihrer Heimat ausgetrieben wurden, und der als erster eine Atombombe geworfen hat.’“ (Haider, Kleine Zeitung 17.5.87) Wohlgemerkt, Haider hat damals gar nicht den Völkermord-Sachverhalt bestritten! Bloß fallen ihm und Konsorten dann die Leistungen der Kolonialmächte bei der Verbreitung der Zivilisation ein, die auch nicht ohne völkische Vernichtungsaktionen großen Stiles zu haben war. Dann weisen sie darauf hin, dass eine der deutschen Büßerhaltung vergleichbare stilisierte Selbstanklage in England oder Frankreich nicht üblich ist – logisch, die haben die Weltkriege schließlich gewonnen! Insofern trifft die Kategorie „Einzigartig“ schon etwas, aber eben die unübliche – aufgenötigte – deutsche Selbstbezichtigung und Selbstanklage nach dem Krieg, die dadurch ein gutes deutsches Nationalgewissen und Nationalbewusstsein etabliert hat.
[Wer den Rechten derart grandios auf den Leim geht, wer Vergleichen mit Relativieren verwechselt, und dennoch auf dem einzigartigen Sonderweg zu einem guten deutschen Nationalgewissen beharren will, muss sich also etwas einfallen lassen.
„Der Autor nennt zum Beleg für die Einzigartigkeit der Judenvernichtung nicht nur die Zahl, sondern führt darüber hinaus an: Ein sogenannter Kulturstaat hatte den Massenmord befohlen, ohne Provokation, ohne politische oder ökonomische Interessen; durchgeführt wurde die Vernichtung ohne Prüfung des Einzelfalles, ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, soziale Stellung, persönliches Verhalten.“ (Scharsach ebd. S. 57, Fußnote)
Die genannten Faktoren stammen aus einem Buch über die Novemberpogrome – und dessen Autor gibt erstens bekannt, dass er von seinem leicht rassistisch gefärbten Urteil über sogenannte Kulturstaaten, die eigentlich nicht völkermorden sollten, auch nach der Enttäuschung durch die Judenvernichtung nicht lassen will. Der türkischen Unkultur würde er das Armenierliquidieren anscheinend gerade noch zutrauen – aber der Nation von Goethe und Karl May? Zweitens ist ihm klar: Staaten, die behaupten, „provoziert“ zu werden, sind verständlicherweise zu allem fähig, auch zum Völkermord; aber wenn er nirgends eine freche jüdische Provokation entdecken kann, fällt dieser mildernde Umstand aus dem Reich der überhaupt nicht einzigartigen politischen „Normalität“ weg. Drittens gibt ein Freund echter Kulturstaaten seine Unkenntnis der politischen Interessen, die eine „ethnische Säuberung“ gebieten, bekannt. Dafür plaudert er seine Kenntnis der Tatsache aus, dass Staaten für ihre Interessen im Normalfall jederzeit über Leichenberge gehen – also weltfremd ist er nicht. Aber Millionen Leichen zu produzieren, ohne einen ordentlichen Nutzen daraus zu ziehen, ohne handfeste nationale Interessen, die davon profitieren, also für nichts und wieder nichts – da packt uns doch das blanke Entsetzen. Und viertens meint der Einzigartigkeitsspezialist anscheinend, von einem wirklichen Kulturstaat eine differenzierte Selektion des Einzelfalles samt Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Religion, Sozialstatus und Verhalten – ausgerechnet beim Völkermord! – erwarten zu dürfen!]
Die Weiterentwicklung dieser Prämisse von der Singularität des NS-Staates hat sich mit den Jahren elaboriert, in die Entpolitisierung der NS-Herrschaft als einer Realität gewordenen negativen Utopie des Bösen, jenseits von Nation, Staat, Politik, Patriotismus, Militär und sogar Krieg. Einschlägige Vokabeln wie „Zivilisationsbruch“ wollen ja verdeutlichen, dass man das faschistische Deutschland gern aus der „Zivilisation“ ausschließen möchte, als eine Art „alien“ unter den Staaten, bzw. dass es sich eben nicht einmal um eine Variante von „Staat“ gehandelt haben könne. Dasselbe versucht auch die Kategorie „einzigartig“ auf ihre Weise, nämlich als die Verweigerung jeder Einordnung in bekannte, vertraute – und womöglich zustimmungsfähige? – Versionen von Macht und Herrschaft! Auch so kommt der Freispruch von Nation, Staat, Politik, Militär und Krieg zum Tragen – gegenüber der nationalsozialistischen, einer im Grunde genommen unerklärlichen „Entgleisung“ oder „Entartung“, um es mal im nationalsozialistischen Jargon auszudrücken. Diese Ausgrenzung des NS-Staates aus der deutschen Geschichte hat es im Verlauf der jahrzehntelangen Vertiefung zu einem folgerichtigen Resultat gebracht, nämlich zu einer anderen Variante der „Auschwitz-Lüge“. Mit der geächteten „Auschwitz-Lüge“ – die Vernichtungslager hätten nicht existiert – hat dieses geachtete „Auschwitz-Narrativ“ ein Ergebnis gemein: Es geht um das nationalistische „So sind wir nicht“, und „so waren wir auch nicht“ – diesmal wird die Botschaft allerdings nicht durch die Leugnung transportiert, sondern durch die Entrückung von „Auschwitz“ in ein jenseitiges Nirwana des Bösen ganz weit weg von „uns“, von Politik und Staat und Nation und Geschichte. Insofern bereitet dieses geachtete Auschwitz-Narrativ – sicher ohne Absicht – u.U. den Boden für die geächtete Lesart auf: Von „eigentlich unmöglich – unvorstellbar – unfassbar – unerklärlich – unverständlich – unbegreiflich … usw.“, da ist der Weg zu „unrealistisch – irreal – unglaubwürdig – vielleicht fake news“ nicht besonders weit. Und von „unglaubwürdig“ ist es nicht weit zu „vielleicht erfunden“ …
Die durchgesetzte demokratische Fassungslosigkeit der „Endlösung“ gegenüber, der moralische Rigorismus, der eine Verurteilung ohne jedes Verständnis verlangt, die lebt vom bis zum Erbrechen betonten Ausnahmecharakter der Judenvernichtung, und rechtfertigt damit jede Normalität, gleichgültig wie mörderisch sie beschaffen ist. „Ohne politische oder ökonomische Interessen“ Millionen umgebracht, oh Gott wie entsetzlich. Das ist die Entpolitisierung des Völkermordes, oder anders formuliert: Das ist der Freispruch von Politik, Staat, Nation, Gewaltmonopol – obwohl nur diese Instanzen so anspruchsvolle Vorhaben wie einen Völkermord auf der Agenda haben können.
Zur Sache selbst die Bemerkung: Der Völkermord an den Juden war ein Teil des Zweiten Weltkrieges, so wie der Völkermord an den Armeniern ein Teil des Ersten Weltkrieges war. Es ist Krieg, das Volk steht zusammen und säubert sich von volksfremden / verdächtigen / feindlichen Elementen. Aber das wäre wieder ein anderes Thema.
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Die nächste Auschwitz-Lüge ist wieder eine echte Lüge: Bereits vor gut 40 Jahren, im Sommer 1981 hat ein auf politische Skandale spezialisiertes deutsches Massenblatt wieder einmal etwas „enthüllt“, was ohnehin jeder wusste, der Berichte über den Zweiten Weltkrieg zur Kenntnis genommen hat. Der SPIEGEL (Nr. 35-37/1981) hat dem Historiker und Politologen Walter Laqueur etliche Seiten für den Vorabdruck eines Buches („Was niemand wissen wollte. Die Unterdrückung der Nachrichten über Hitlers Endlösung.“ Berlin 1984) zur Verfügung gestellt. (Walter Laqueur, geboren 1921 in Breslau, gestorben 2018 in Washington, D.C., hatte es seinerzeit geschafft, aus Europa rauszukommen, als „Fluchtrouten“ noch offen waren; er publizierte später u.a. über europäische Geschichte einschließlich Nationalsozialismus, auch über Russland und Palästina.) Laqueur kommt in seinem Buch um ein Faktum nicht herum: Die vom Dritten Reich in Osteuropa errichteten Vernichtungslager konnten ihr Werk unbehelligt von der alliierten Kriegführung verrichten. Die Vernichtungslager waren so ziemlich die einzige Abteilung im Dritten Reich, die nicht durch die totale Luftüberlegenheit der West-Alliierten beschädigt wurde. Das widerspricht natürlich der Legende, wonach es sich beim Zweiten Weltkrieg irgendwie schon um ein großangelegtes Judenrettungsunternehmen gehandelt haben soll, und Laqueurs Betroffenheit über seine Forschungsergebnisse speist sich aus dem Vergleich der nachträglichen Kriegslüge – Hitler böse wg. Judenvernichtung – mit dem tatsächlichen Kriegsverlauf, der für diese Ideologie einfach keine Anhaltspunkte bietet. Dabei ist Laqueur durchaus imstande, die Ereignisse auf „politisch korrekte“ Art und Weise darzustellen. Laqueur bereitet die unerfreuliche Materie als Informationsproblem auf, nach dem Motto: Wenn die Führer (der Alliierten) das gewusst hätten … – und dabei kommen ihm seine Ergebnisse in die Quere. Seine Recherchen haben ergeben, dass der Informationsfluss über die Vernichtungslager am Desinteresse der maßgeblichen US-amerikanischen Stellen „gescheitert“ ist, und an sonst nichts. Dafür macht Laqueur dann wieder etliche Faktoren verantwortlich, von angeblichen alliierten Befürchtungen, durch übertriebene Gräuelpropaganda unglaubwürdig zu werden, bis zum auch dort verbreiteten Antisemitismus, etc. usw. So vermeidet er die zwingende, aber politisch unkorrekte Schlussfolgerung: Das Retten der Juden war schlicht und einfach kein alliiertes Kriegsziel; die Informationen über die „Endlösung“ waren für den tatsächlichen Kriegszweck – „unconditional surrender“ – unbrauchbar und wurden deswegen ignoriert.
Dass auch dieser Krieg natürlich nicht in humanitärer Absicht geführt wurde, ist übrigens schon daran kenntlich, dass Staaten der Anti-Hitler-Koalition sich geweigert hatten, Juden aufzunehmen, als manche „Fluchtrouten“ noch offen waren und manche die Gelegenheit zum Verlassen Deutschlands gehabt hatten – Staaten, die sich seit 1945 selbstverständlich wegen ihres Beitrags zur Befreiung der Überlebenden selbst bewundern. So hat die US-Einwanderungspolitik etliche Juden das Leben gekostet, indem Leute keine Visa bekamen oder sogar mit Visum abgewiesen wurden. Diese Juden waren das damalige Flüchtlingsproblem, waren „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Scheinasylanten“, also „illegale Migranten“, die eben andere Länder „belasten“, und so wurden sie auch behandelt. Zuerst die Leute nach Deutschland bzw. Europa zurückschicken, und dann wegen denen einen Weltkrieg führen – eine ziemlich absurde Vorstellung, nicht? Im Unterschied zur üblichen Hetze gegen den jeweiligen aktuellen Feind wurden die Gräueltaten des Dritten Reiches während des Krieges nicht einmal für die alliierte Propaganda benutzt; die Alliierten waren bezüglich der Gaskammern genau so diskret wie die Nazis. Die Ausschlachtung der Judenvernichtung nahm erst nach Kriegsende so richtig Fahrt auf, vor allem bei der Umerziehung („Re-Education“) des deutschen Volkes, das bald wieder im westdeutschen Frontstaat gegen den Ostblock gebraucht wurde.
Diese ihre praktizierte „Unterlassung“ hat die Alliierten nach der Befreiung der überlebenden Insassen der Vernichtungslager durch die Rote Armee natürlich nicht daran gehindert, aus dem gewonnenen Weltkrieg ein hochsittliches Drama zu deichseln, eine Auseinandersetzung mindestens zwischen dem Guten und dem Bösen, und dabei durften auch die Opfer der Vernichtungslager ihre nachträglichen Dienste leisten. Die moralische Einkleidung von Politik und Krieg in eine Fabel von Recht und Unrecht, von gut und Böse, von Schuld und natürlich Sühne, die ändert zwar nichts an den tatsächlich durchgekämpften Zwecken und macht auch keinen wieder lebendig – aber so setzt sich nun einmal das siegreiche politische Subjekt ausdrücklich ins Recht als selbsternannter Hüter des Guten, und mit sich selbst auch alle seine vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Kriege. So geht nationalistische Indoktrination, und wenn dann ein Ami-Politiker nach Auschwitz fährt, und dort ein „Selfie“ macht, um sich und seine großartige Nation zu feiern, dann ist wieder mal der Punkt erreicht, an dem man nicht so viel fressen kann, wie man kotzen müsste. Ein makabrer Verdacht: Bis zum Eintreffen der Bodentruppen, also während der Kriegsjahre, hat womöglich das NSDAP-Mitglied Oskar Schindler mehr Juden vor „Auschwitz“ gerettet, als die alliierte Kriegsmaschinerie.
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Warum diese Story nie zum Skandal werden konnte, das beleuchtet eine überaus gelungene Ausschlachtung im Nachhinein, vor mittlerweile auch schon über zwanzig Jahren. Auschwitz im Kosovo, gewissermaßen, oder: Die nächste Lüge.
„Warum haben die Westalliierten nicht die Eisenbahngeleise nach Auschwitz bombardiert, obwohl sie über den Holocaust ziemlich genau unterrichtet waren? Die Frage ist bis heute nicht völlig gelöst. Eine Antwort lautet, es hätte nicht viel bewirkt. Roosevelt und Churchill dachten damals, die beste Methode, das Morden zu stoppen, wäre die möglichst rasche Niederringung Hitler-Deutschlands. (…) Die Nato, die USA und Europa, der amerikanische Präsident und die wichtigsten europäischen Politiker … stehen vor der Entscheidung: Lassen wir in einem Europa der Demokratie und Marktwirtschaft, das bis zur polnischen Ostgrenze reicht, einem mörderischen Außenseiter, der seit zehn Jahren einen Krieg nach dem anderen anzettelt, freie Hand? Gerade weil Auschwitz nicht bombardiert wurde, fühlt sich eine Generation der Fünfzigjährigen verpflichtet, die Unterlassungen der Großväter nicht noch einmal zu begehen.“ (Hans Rauscher, Format 14/99)
Der damalige „Außenseiter“ war der serbische Präsident Milosevic, der hat die europäisch-amerikanischen Diktate zur Auflösung Jugoslawiens nicht ohne Widerstand akzeptiert, war damit natürlich ein politischer Verbrecher und Hitler-Wiedergänger. Die Frage – Warum wurden die Geleise nach Auschwitz nicht bombardiert? – die ist natürlich längst beantwortet, Roosevelt und Churchill wussten eben, dass der Sieg im Krieg etwas anderes ist als die Rettung von Menschenleben. Aber die durchschaute Lüge, der damalige Westen hätte Kriege im Interesse der Menschenrettung geführt, die darf kein bezeichnendes Licht auf aktuelle Kriege der USA werfen. Daher die folgenden Verrenkungen von Hans Rauscher, er war damals offenbar der selbsternannte Dolmetscher der wichtigsten westlichen „Fünfzigjährigen“. Die wollten eine „Unterlassung“ ihrer „Großväter“, die viele Juden das Leben gekostet hat, ausgerechnet an den Bewohnern des damaligen Jugoslawien wiedergutmachen!? Ausgerechnet an Leuten, deren „Großväter“ von Hitler bombardiert wurden? Bomben auf die Brücken von Novi Sad, als Kompensation für die damaligen ungestörten Transporte nach Auschwitz? Gerade weil der Zweite Weltkrieg keine Judenrettungsaktion war, ist für Rauscher um so zwingender, dass die heutigen Kriege des Westens Rettungsaktionen sein müssen?! Respekt; darauf muss man erst einmal kommen.