Die Krücke als Zepter
Frucade oder Eierlikör? Zwanzig Jahre nach Ausstrahlung der letzten Folge im Rahmen der ORF-Reihe kunst.stücke besuchen wir Phettbergs Nette Leit Show abermals – in Gestalt einer für uns nicht untypischen “etwas anderen” Themencollage. Zugegeben, in den letzten Monaten hat der hauseigene Recyclingsender des Medienmarktführers sämtliche Folgen der Show wiederholt, dazu noch den 2007 erschienene Dokumentarfilm “Hermes Phettberg, Elender” von Kurt Palm gesendet. Ein feuchtfrohes Fest für Sentimentalisten und alternativkulturelle Rundumraunzer aus dem vorigen Jahrhundert, so fest steht viel! Doch hat Hermes Phettberg, dieses Schwergewicht unter den Evangelisten der freieren Möglichkeitsform, nicht darüber hinaus bleibende Spuren hinterlassen?
Ich erinnere mich noch gut an meine Begegnung mit ihm, anlässlich der Präsentation seiner Biographie von Klaus Kamolz am 5. März 1996 im Café Berg zu Wien (übrigens das einzige Phettbergbuch, das ich damals nicht als verwertwurstend oder voyeuristisch empfand). Während ich jene spezielle Ermutigung beschrieb, die für mich und viele andere aus den Reihen der Gegenkultur von seiner Arbeit ausging, verleibte er sich feuchten Auges eine Cremeschnitte nach der anderen ein. Zum Schluss bedachte er mich, auch in Form einer Widmung, mit den Worten: “Vielen herzlichen Dank für diese Überfülle an Zuwendung!” Und nicht ohne diesem Ausdruck seiner Rührung noch ein subtiles “Ergebenst, Hermes” hinzu zu fügen. Was für ein riesengroßes und überaus feinfühliges Kind sich mir da doch offenbarte! Der Palm war auch anwesend und schurlte gschaftlhuberisch von Pressekontakt zu Pressekontakt. Dergestalt dargestellt fand ich seinen sprichwörtlichen Geschäftssinn beanstrengend, noch dazu machte er dauernd seichtschlüpfrige Sadomasowitzchen, die mir im Kontext dieser Veranstaltung schlichtweg scheißpeinlich erschienen. “Bad Fucking” halt, neurolinguistisch portioniert. Nichtsdestotrotz waren die beiden eine Zeit lang ein kongeniales Produzentenpaar, das uns mehr als nur eine Inspiration für ein Dauerthema bescherte. So wie eben den Titel der Show vom 17. Juni 1995, des Buchs von Klaus Kamolz sowie dieser Sendung. Oder, wie es Judith Holofernes im Text von The Geek (Shall Inherit) ausdrückt, “Die Verletzten sollen die Ärzte sein…”
PS. Im Anhang als PDF die erwähnte Widmung nebst Buchcover zum Download
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