Die Bewältigung der Vergangenheit: Eine Auschwitzlüge 2.0 – und eine Art „Zombie-Theorie“

06.03.2024

Die Bewältigung der Vergangenheit des deutschen Volkes:
Eine Auschwitzlüge 2.0 – und eine Art „Zombie-Theorie“

Im Jahr 1996 hat der amerikanische Politologe Daniel Goldhagen die deutsche Fassung seines Buchs „Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ veröffentlicht und dadurch die nach ihm benannte Kontroverse ausgelöst. Steige wieder einmal mit einem Hinweis auf wikipedia ein, so wie die Debatte dort zusammengefasst wird:

„‘Warum fand Hitler für sein Ziel – die Vernichtung der Juden – so viele Unterstützer und warum traf er auf so wenig Widerstand? Wie konnten die Deutschen so beispiellose Verbrechen verüben bzw. zulassen?’ So lautete die Frage, und die bisherigen Antworten sind für Goldhagen nicht überzeugend: Der angebliche Befehlszwang war eine bloße Schutzbehauptung der Täter; von der angeblichen Staatshörigkeit der Deutschen war in den chaotischen Jahren zwischen 1918 und 1933 wenig zu spüren; der angebliche Gruppenzwang erklärt das Verhalten einzelner, aber nicht das der Gruppe als ganzer, die diesen Druck ja selbst erst erzeugt; der angebliche Karrierismus der Täter konnte nur in Ausnahmefällen durch eine besonders eifrige Teilnahme am Massenmord befriedigt werden; das angebliche Unwissen über die mörderischen Folgen seiner Taten konnte niemanden befallen, der seine Opfer von Angesicht zu Angesicht quälte und erschoss. Goldhagen vertritt die These, dass die Taten der Deutschen nicht von solchen äußeren Zwängen oder Anreizen herrührten, sondern von inneren Überzeugungen. Die Deutschen wurden nicht gezwungen, Juden zu töten; sie taten es freiwillig, sie waren willige Vollstrecker. Die Ansichten, Hitlers negative Meinung über die Juden könne von den Deutschen unmöglich geteilt worden sein, und die Verfolgung und Vernichtung der Juden könne von den Deutschen unmöglich gutgeheißen worden sein, sieht Goldhagen als Irrtum an. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das scheinbar Undenkbare in Wahrheit das einzig Naheliegende ist …“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Goldhagen#cite_note-4)

Die naheliegende Wahrheit besteht also darin, dass die damaligen Deutschen überwiegend dabei waren, weil sie Hitlers Ziele teilten. Will allerdings gleich einen wesentlichen Einwand loswerden und eine – m.E. unbedingt notwendige korrigierende Ergänzung – anbringen, die für die Sache des Nationalsozialismus und auch für die Frage nach den Gründen der Deutschen für das Mitmachen entscheidend ist: Hitlers primäres Ziel war nicht die „Vernichtung der Juden“. Hitlers und seiner Anhänger primäres Ziel war schon Deutschland, Deutschlands Größe, Deutschlands Wiederaufstieg, zusammengefasst in kraftvollen Losungen wie „Deutschland, erwache!“ oder „Make Deutschland great again“ oder „Deutschland über alles“ oder „Deutschland first“ – mithin lauter Botschaften, die für Patrioten auch international unwiderstehlich zu sein scheinen. Aus diesem nationalen Drang heraus, aus diesem „pro“, aus diesem eindeutig gefassten „dafür“ sind Juden schlussendlich als Hindernis ins Visier geraten, wieder plakativ: „Die Juden sind unser“ – der Deutschen – „Unglück!“ Gefolgt von der Therapie „Juda, verrecke!“ Möchte wiederholen, was ich beim Stichwort „Antisemitismus“ schon mal behauptet habe: Konstitutiv ist das „pro“ – wofür sind denn normale Leute, Völker, Politiker, sodass ihnen deswegen Juden störend auffallen? Das ließe sich einer vernünftigen Befassung mit den politischen Zielen des Nationalsozialismus schon entnehmen.

Mein zweiter Einwand: Goldhagen kommt bei der Bestimmung des Völkermords über die anerkannte, durchgesetzte und gültige Tautologie des „Antisemitismus“ nicht hinaus: Antisemiten haben etwas gegen Juden, weil sie judenfeindlich eingestellt sind … Er ergänzt diese Tautologie um die Beifügung „eliminatorisch“, um den Völkermord analytisch einzufangen, und ist damit im Grunde genommen fertig. Aber da fehlt was, siehe oben; das wofür.

Goldhagens Verdienst und Leistung

Goldhagens Verdienst besteht in der Zurückweisung und Kritik der falschen Fragestellung, die sich die Forschung entlang des Bedürfnisses – „So sind wir nicht! Rückblickend auch nicht!“ – zurechtgelegt und einige Jahrzehnte entfaltet hat. Er beharrt darauf, dass das „scheinbar Undenkbare das Naheliegende ist“ – dieses Undenkbare ist ja undenkbar dann und nur dann, wenn das selbstproduzierte Dogma von der eigentlichen Unmöglichkeit von Nationalsozialismus und Völkermord den unabweisbaren Ausgangspunkt der Forschung bildet, weswegen „die Deutschen“ beim eigentlich Unmöglichen folglich auch gar nicht wirklich dabei gewesen sein konnten – so wie sie aber ganz normal im vorherigen und im nachfolgenden Staat schon dabei waren, nicht nur praktisch, sondern auch mental. Goldhagen wirft dem etablierten Stand der deutschen Forschung die Unterstellung vor

„dass die Täter ihren Handlungen zumindest neutral, wenn nicht sogar ablehnend gegenüberstanden. Die Deutungen laufen also auf die Frage hinaus, wie man Menschen dazu bringen kann, Taten zu begehen, denen sie innerlich nicht zustimmen und die sie nicht für notwendig oder gerecht halten. Dabei ignorieren, leugnen oder verkleinern diese Interpretationen die nationalsozialistische oder andere von den Tätern vertretene Ideologien, die Bedeutung ihrer moralischen Werte oder die Vorstellungen über die Opfer als Quelle für die Mordbereitschaft der Täter.“ (Daniel Jonah Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker – Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Pantheon Verlag 2012, S. 27)

Die vorher herrschenden Erklärungen gingen eben schlicht und primitiv von der erst nach dem Krieg, und durch die Niederlage und das Verdikt der Sieger gültigen moralische Verurteilung des Völkermordes aus; sie projizieren diese, die heutige Stellung, in die Vergangenheit und fingieren, die habe auch im nationalsozialistischen Deutschland eigentlich schon gegolten oder hätte wenigstens gelten müssen; und stellen dann die falsche Frage, wie das, was niemand gebilligt haben kann, dennoch geschehen konnte. Das wird dann in der Regel mit der Konzentration auf die Person Hitler und ein paar Kumpane ergänzt, und fertig! So wird die mörderische Praxis des nationalsozialistischen Deutschland als Verstoß gegen die angeblich auch damals gültigen Wertvorstellungen interpretiert. Das deutsche Volk ist also auch damals im Großen und Ganzen sauber geblieben, und bestand hauptsächlich aus Mitmachern wider Willen.

Dagegen hält Goldhagen die an sich triviale Erinnerung an die damals gültigen „moralischen Werte“, an die damaligen „Ideologien“ und die damaligen „Vorstellungen über die Opfer“ als „Quelle für die Mordbereitschaft der Täter“ – mit einem Wort, dass die Feindschaftserklärungen der damaligen Staatsführung, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, und nicht nur gegen Juden, im Großen und Ganzen geglaubt wurden, und auf Zustimmung gestoßen sind. Er

„plädiert deswegen dafür, einmal unbefangen ‘mit dem kritischen Auge des Anthropologen’ an die Gesellschaft von damals heranzugehen, ihre herrschende Moral zur Kenntnis zu nehmen, statt ihr von vornherein dieselben moralischen Überzeugungen zu unterstellen, die heute jedes deutsche Schulkind mitbringt und aufsagt, wenn es die Konzentrationslager und Gaskammern von damals als ‘Verbrechen’ verurteilt. Und er hält fest, dass ‘die Täter… die Massenvernichtung der Juden für gerechtfertigt gehalten’ haben und eben nicht für ein Verbrechen; ‘sie wollten nicht nein dazu sagen’, sondern glaubten, gute Gründe dafür zu haben, ja zu sagen; ‘das Jüdische galt als schädlich und verderblich, wenn nicht gar als lebensbedrohend für alles Deutsche’; dieser Auffassung waren nicht nur Hitler und einige ‘vorpreschende antisemitische Polemiker’ und auch nicht nur deren ‘Vollstrecker’, sondern so ähnlich dachte die ‘gesamte deutsche Gesellschaft’“;
(https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/goldhagen-debatte)

Eben: „Die Juden sind unser Unglück!“ Es ist schon bezeichnend für den Stand der Vergangenheitsbewältigung, für die damit etablierte Geschichtsfälschung, dass Goldhagen mit diesen – wieder: im Grunde trivialen – Erinnerungen und Referierungen ein gewisses Aufsehen erregen konnte und zum Teil sogar empörte Anwürfe zu hören bekam. Viele der Anwürfe operieren mit dem konstruierten Missverständnis, Goldhagen wolle ein angeblich längst überwundenes Unding namens „Kollektivschuld“ wiederbeleben, auch wenn der Autor diese Lesart explizit zurückweist; er versucht, sich auf seine Weise verständlich zu machen:

„Wir zögern ja auch nicht, die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, die in Vietnam kämpften, um die Ziele ihrer Regierung durchzusetzen, als ‘Amerikaner’ zu bezeichnen – und dies aus gutem Grund. Dasselbe gilt für den Holocaust. Die Täter waren in diesem Fall Deutsche, so wie die Soldaten in Vietnam Amerikaner waren, auch wenn nicht alle Staatsbürger die Bemühungen ihres Staates unterstützten.“ (Goldhagen S. 19)

Klar, so berichtet, analysiert, kritisiert der meinungsbildende National-Kollektivismus die Aktionen von Staaten. Man spricht von „den Amerikanern“, „den Russen“ und „den Chinesen“ etc., wenn diese National-Kollektive als die eigentlichen Subjekte identifiziert werden, die deswegen auch „hinter“ den Handlungen dieser Staaten in Krieg und Frieden stehen. Was ja insofern stimmt, als ohne die Bereitschaft der Bürger, sich als ausführende Organe der Politik zur Verfügung zu stellen, die genannten und alle anderen Staaten als die souveränen Subjekte ihre innen- und außenpolitischen Glanzleistungen nie und nimmer auf die Reihe kriegen würden. Bei all diesen Berichten über „die Amerikaner“ etc. ist selbstverständlich unterstellt, dass nicht alle Amerikaner in Vietnam waren, und dass gar nicht wenige Amerikaner auch heftige Einwände gegen die US-Politik zum Ausdruck brachten. Es lebt jede politische Herrschaft nichtsdestotrotz davon, dass JEDER AN SEINEM PLATZ SEINE PFLICHT TUT, und dadurch für die nationale Sache tätig ist, auch ohne dass sich jeder in diesem Sinn mitmachende Bürger alle Feinheiten der offiziellen Begründungen zu eigen machen muss. Aber dass die USA Krieg führen, das konnte kein Amerikaner übersehen, genau so wenig wie der Deutsche ab 1939 den Krieg übersehen konnte … Aber ausgerechnet der ebenso vehement und ausführlich propagierte deutsche Krieg gegen das „Judentum“, der soll an den Zeitgenossen völlig vorbei gelaufen sein?

Genau das ist die heilige Kuh, die Goldhagen geschlachtet hat, gerade durch Vergleiche wie den mit dem Vietnamkrieg, den die Amerikaner geführt haben, auch wenn nicht alle Amerikaner vor Ort waren. Egal wie man innerhalb und außerhalb Amerikas zum damaligen Krieg steht – gute Absicht, schlecht durchgeführt; von Anfang an illegitim und verunglückt; ein Verrat an der US-Mission der Beglückung der Völker mit Demokratie; ein „Trauma“, weil durch das ruhmlose Ende die Kriegsbegeisterung in den USA Schaden nehmen könnte etc. –; eines ist allemal unterstellt und gewusst, dass nämlich auch dieser Krieg die damalige nationale Sache der USA war, definiert und befohlen von den für die Interessen der Nation zuständigen und gewählten Machthabern, durchgeführt von den dazu kommandierten Wehrpflichtigen! Genau diese und andere Analogien konnten damals – 1996 ff. – die zuständigen deutschen Gelehrten und Meinungsbildner einfach nicht akzeptieren, heute weniger denn je: Die Implikation, der Völkermord wäre seinerzeit eben doch die damalige deutsche nationale Sache gewesen; definiert, befohlen, bis zum Erbrechen bekannt gemacht durch die zuständigen Machthaber – die nicht zuletzt deswegen auch gewählt worden waren –, und durchgeführt von den dazu Abkommandierten. In der Form, dass ein JEDER AN SEINEM PLATZ SEINE PFLICHT TUT.

Das widerspricht diametral dem Dogma, es habe sich beim Nationalsozialismus allgemein und beim Völkermord an den Juden speziell um einen einzigen großen und letztlich unerklärlichen Irrtum und ein Rätsel gehandelt, um einen „Betriebsunfall“ und einen „Zivilisationsbruch“, also jedenfalls um ein Geschehen jenseits der deutschen Geschichte und jenseits der deutschen Zivilisation. Das hat Goldhagen, ohne dass es seine Intention gewesen wäre, unübersehbar relativiert, indem er daran erinnert, auch damals seien sich Volk und Führung in Deutschland einig geworden und einig gewesen, im von ihm skizzierten „eliminatorischen Antisemitismus“: Von Leuten, die nichts gewusst und nichts gewollt hätten und nichtsdestotrotz überall dabei gewesen sind, konnte auch damals – wie heute, wo Deutschland wieder „kriegsfähig“ „erwachen“ muss – keine Rede sein.

Die Vergangenheitsbewältigung zeichnet in ihren Bestrebungen, das „So-sind-wir-nicht“ zu belegen, wenig schmeichelhafte Bilder, sozusagen eine Zombie-Theorie des deutschen Volkes analog den „walking dead“ der TV-Serie: Immer in Bewegung, ständig unterwegs in Europa, alles, was im Weg ist, wird niedergemacht – und die Akteure wissen von nichts … Goldhagen ist da höflicher, er „gesteht den Handelnden Menschlichkeit zu (sic!) … erkennt an, dass die Täter keine Automaten und keine Puppen waren, sondern Menschen, die ihre Überzeugungen hatten …“
(Goldhagen, in: Die Zeit vom 2.8.1996 zit. nach https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/VSA_Gutte_Huisken_Alles_Bewaeltigt_nichts_begriffen.pdf)

Ob Zombies, Automaten oder Puppen: Damit wird die heutige deutsche Ideologie bedient! Fest steht, der deutsche Völkermord hat mit Deutschland nichts zu tun. Das ist die Auschwitz-Lüge 2.0. Nicht im primitiven Sinn von früher, wie das die alten Nazis verbraten hatten in der Behauptung, die Gaskammern hätten gar nicht existiert. Sondern umgekehrt: Auschwitz ist Gegenstand einer geradezu kultischen deutschnationalen Verehrung, eines „Katechismus“ – und der Vergleich mit der Monstranz ist ursprünglich und zumindest der Absicht nach keine hämische Verunglimpfung dieser Selbstfeier. Eine permanente Selbstfeier durch eine „erinnernde“ und „gedenkende“ Entpolitisierung ausgerechnet eines Völkermords, damit durch den Freispruch von deutschem Staat, deutscher Politik und deutscher Nation – alles deutsche ist getilgt!

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„Kern seiner (Goldhagens) Arbeit in Anknüpfung an Christopher R. Brownings Untersuchungen ist die Beschreibung eines deutschen Polizeibataillons (Reserve-Polizei-Bataillon 101), das im polnischen Generalgouvernement die dort lebenden Juden aufspürte, folterte und schließlich erschoss oder in die Vernichtungslager verschleppte. Anhand von Prozessakten aus späteren Gerichtsverfahren gegen einige Bataillonsangehörige zeigte Goldhagen, dass diese Männer ihre Taten nicht etwa widerwillig, schamhaft und unter Zwang begingen, sondern freiwillig, ausgesprochen eifrig (z. T. über die ausdrücklichen Befehle hinaus), mit Stolz und in der Überzeugung, das Richtige zu tun. Sie quälten und ermordeten ihre Opfer ohne Mitgefühl oder moralische Skrupel. Diese erstaunliche Tatsache führt Goldhagen auf die Vorstellungen zurück, die die Männer von den Juden hatten: Sie betrachteten ihre Opfer nicht als Menschen, sondern als ein Übel, das beseitigt werden musste, so wie eine bösartige Krankheit beseitigt werden muss. Und bei diesen Männern handelte es sich gerade nicht um eingefleischte Nazis. Die Bataillone bestanden aus willkürlich rekrutierten Durchschnittsbürgern, die für den Einsatz an der Front zu alt waren und deren politische Sozialisation dementsprechend lange vor der Machtergreifung stattgefunden hatte. Sie waren weder Weltanschauungskrieger noch verblendete Jugendliche; sie waren (daher der Untertitel von Goldhagens Buch) ganz gewöhnliche Deutsche.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Reserve-Polizei-Bataillon_101)

Was kann man dem entnehmen? Kann man dem was entnehmen? M. E. dieses: Die Angehörigen dieser Einheiten haben ihre Tätigkeit völlig zurecht als ihre Teilnahme am Krieg verstanden. Sie haben die damalige Definition der Feinde Deutschlands nachvollzogen und geteilt, sie haben sich, wie sich das für gewöhnliche Deutsche und für gewöhnliche Staatsbürger überall gehört, von der Politik über Freund und Feind, damit über gut und böse, informieren und aufklären lassen. Deswegen hatten sie auch keine Probleme mit der in jedem Krieg verlangten und vollzogenen „Umwertung aller Werte“, weil das Gute bei der Bekämpfung des Bösen keine Skrupel kennen darf. Zur physischen Vernichtung von Feinden gesellt sich bei Überzeugungstätern in Uniform auch gern die moralische Vernichtung, die Entwürdigung des Bösen. Was in normalen Zeiten bzw. gegenüber Volksgenossen verboten ist, das ist ausdrücklich geboten und sittlich hochwertig bei der Vernichtung von Feinden. Den erwähnten Einheiten sind übrigens nicht nur Juden zum Opfer gefallen, sondern alle Feinde Deutschlands in Reichweite.

Die begleitende und bewältigende Debatte ist in einer extrem blöden Frage geendet: „Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“ (Buchtitel) Ja, wie denn? Indem sie eingezogen werden, in Uniformen gesteckt werden, ihre Befehle bekommen und auf den Feind – DAS BÖSE – losgelassen werden; damals und seither immer wieder, im „internationalen Vergleich“. So werden aus ganz normalen Patrioten – das müssen sie schon vorher gewesen sein –, die „Massenmörder“.

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„Unter Patriotismus wird häufig nur die Aufgelegtheit zu außerordentlichen Aufopferungen und Handlungen verstanden. Wesentlich aber ist er die Gesinnung, welche in dem gewöhnlichen Zustande und Lebensverhältnisse das Gemeinwesen für die substantielle Grundlage und Zweck zu wissen gewohnt ist. Dieses bei dem gewöhnlichen Lebensgange sich in allen Verhältnissen bewährende Bewusstsein ist es dann, aus dem sich auch die Aufgelegtheit zu außergewöhnlicher Anstrengung begründet.“ (Hegel, Rechtsphilosophie § 268)

Wer im Frieden, im gewöhnlichen Zustand, in dem Wahn lebt, ohne Deutschland nicht leben zu können – das Gemeinwesen für die substantielle Grundlage und Zweck zu wissen gewohnt ist –, ist eben auch bereit, für Deutschland zu töten und zu sterben. Bodenständig formuliert: Wer im Frieden und bis zum Krieg alles mitmacht, macht in der Regel auch im Krieg alles mit.

 

Literatur:

Daniel Jonah Goldhagen: Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust (2012, Taschenbuch)

https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Goldhagen#cite_note-4

https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/goldhagen-debatte

https://de.wikipedia.org/wiki/Reserve-Polizei-Bataillon_101

https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/VSA_Gutte_Huisken_Alles_Bewaeltigt_nichts_begriffen.pdf
Darin das Kapitel: Die Goldhagen-Debatte – Berlins willige Vollstrecker

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