Déviation Erotique (Perlentaucher XXX)
Die Perlentaucher würdigen den Weltfrauentag mit einem ganz eigenen Höhepunkt Wir erinnern uns an die einst selbstverständliche Solidarität der verschiedensten Emanzipationsbewegungen zur Zeit der “sexuellen Revolution” Mitte der 70er Jahre. Der längst überfällige Kampf um Ebenbürtigkeit und Entvormundung in unseren patriarchal-hierarchisch verfassten Gesellschaften vereinte die Frauenbewegung irgendwie unausgesprochen mit anderen prononciert progressiven und gesellschaftsrevolutionären Gruppen wie etwa der damals noch alternativ-avantgardistischen Schwulenbewegung. Heute erwachen wir plötzlich in einem erschreckend biederen Diskurs über Frauen in Führungspositionen und homosexuelle Lebenspartnerschaften. Wollen wir jetzt nur noch die Wirtschaftsmacht und eine möglichst katholische Ehe? Wie könnten wir das gute alte “SISTERS UNITE!” augenzwinkernd UND ernstgemeint über die (Gender?) Grenzen hinweg wiederbeleben?
“Zwei Geschlechter wohnen, ach, in meiner Brust” oder “Halb zog es ihn, halb sank sie hin” – Zitat-Adaptionen, die uns nicht so wirklich befriedigen können bei dem Spannungsbogen, der sich da zwischen und in uns auftut. Eine Synthese schaffen aus alternativer Sexualität und Frauenemanzipation – noch dazu in nur 3 Stunden – wie soll das denn funktionieren? Mit Phantasie, Lulu! Im Zweifelsfall fragen sie ihre großen Schwestern. Sieh da, *tätärätäää* Patti Smith, eine der ersten E-Gitarre spielenden Frontfrauen der Rockgeschichte und seit ihren legendären Auftritten (und Ausritten) im New Yorker CBGB’s zudem eine Godmother of Punk, hat uns schon vor Jahrhunderten ein sinnstiftendes Gedicht vermacht, welches wir auch diesmal gern heranziehen wollen, weil nämlich Gutes gut ist und bleibt und sich auch beim wiederholten Zitieren nicht abnützt! “Female Feel Male” war sogar schon einmal Nachtfahrt-Sendungsthema – jetzt gibt uns das wunderbare Wortspiel dieser Titelzeile Gelegenheit, unseren Übergang vom Freiheitsfest der weltweiten Weiblichkeit hin zu den eher innermännlichen erotischen Emanzipationsbedürfnissen zu strukturieren…
Und so wollen wir auf die Suche gehen nach dem Nichtunterdrückten und dem Nochzubefreienden in uns selbst – und spiegelbildlich in der uns umgebenden Gesellschaft. Denn wie hat es Arno Gruen schon in seinem ersten bekannten Buch “Der Verrat am Selbst – Angst vor Autonomie bei Männern und Frauen” geradezu hellsichtig auf den springenden Punkt gebracht: “Die in gesellschaftlicher Unterdrückung lebenden Eltern geben in ihrem Bemühen um Anpassung an die herrschenden Sachzwänge ihre eigene Unfreiheit unbewusst an ihre Kinder weiter.” An dieser Formulierung erweist sich wieder einmal etwas ganz Grundlegendes: Emanzipation im Sinne von gemeinschaftlicher Selbstfreisprechung aus manipulativen Machtstrukturen ist eine Notwendigkeit, die uns im Wesentlichen alle beschäftigt. Und zwar nicht nur die tatsächlich um ihre selbstverständlichsten Rechte betrogenen Opfer dieser strukturellen Gewalt, sondern sogar auch die Systemprofiteure der von ihnen selbst (aber mit unserem Schweiß, unserem Leid, unserem Geld – mühsam aufrecht erhaltenen ungerechten Herrschaftsverhältnisse. Nun, unser Mitgefühl mit diesen angemaßten Autoritätern ist insofern endenwollend, als die meisten Representant_innen (jawohl!) des etablieterten Ausbeutungsbetrugs sich ja auch weigern, ihren eigenen Empfindungen ehrlich gegenüber zu treten. Mitgefühl im Kontext emotionaler Abspaltung – schwierig…
Emanzipation ist eben eine Initiative, die von unten ausgeht und aus dem eigenen Betroffensein heraus die Dinge selbst in die Hand nimmt, um die ungerechten Verhältnisse nachhaltig zu verändern. Das braucht einen langen Atem – und viel Phantasie, denn die “Herrschaft” verändert ihr Auftreten und Aussehen auch andauernd! Zudem erfordert es Mut und Verwegenheit, um bestehende Grenzen zu überschreiten, hergebrachte Gebote zu übertreten und angeblich seit Urzeiten allgemein anerkannte Vorstellungen von Sitte und Zucht, Ordnung und Moral, Ruhe und Anstand (oder wie immer diese Gummikategorien jeweils heißen mögen) ihrer gedeihlichen Verkompostierung im Zuge der fröhlichen Menschwerdung zuzuführen. Was also können wir zwei Liebestypen dazu heute beitragen? The Female – jene Frauen, bei deren Auftreten uns das Freilandherz im Gefühlsleib herum hüpft. The Female Feel – jene Männer, die eine speziell androgyne und/oder einfühlende Haltung verkörpern. Und schließlich The Feel Male – jene Musen, bei deren bloßer Anhörung uns die Amygdala feucht wird und die Hypophyse anschmilzt Also drei Stunden befriedigende Selbstbefreiung, Brüderinnen und Schwesteriche…
Und wers doch gern noch etwas tatsächlicher-weiblicher haben möchte – hier gibts noch die Missfits im Artarium! Gnadenlos, versprochen
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