Das Janusgesicht der Menschenrechte und die citizens

17.12.2017

Das Janusgesicht der Menschenrechte und die citizens  

Die Menschenrechte erscheinen in ihrer sentenzenhaften Verfasstheit wie religiöse Kapitel, die moralische Werte beschreiben und uns inspirieren möchten. Begeht man also eine „Erbsünde“, wenn man die ökonomischen Gegebenheiten in der Vollziehung der Menschenrechte nicht impliziert? Wir haben eine Menschenrechtskonstruktion, die auf der Kontextualität der „Nation“ beruht, weil die Weltordnung, auf diese Formel reduziert, Nationen im Licht der Vereinten Nationen und der Menschenrechte errichtete. Hier haben wir das Janusgesicht. Wir haben nicht nur die Normen der Menschenrechte, sondern auch das Janusgesicht der Nationen, die sich nach innen öffnen und nach außen abschließen.

Selbstverständlich hatte sich der Kapitalismus von Anbeginn an in weltweiten Dimensionen entwickelt. Er hat auch die Dynamik des ökonomischen Zusammenspiels mit dem modernen Staatensystem freigesetzte ehe er zur Festigung des Nationalstaats beitrug. Aber durch die Globalisierung verstärken sich beide Entwicklungen nicht länger gegenseitig. Mittels Protektionismus bestärkt dies die Nationalisten einerseits und andererseits beeinträchtigt dies den universalistischen Ansatz für Menschenrechte, indem die Migration den Kredit der Menschenrechte überzieht.

Faktisch haben wir einen moralisch einseitigen Normadressaten der Menschenrechte, der die Interessen und Imperative der Volksnation widerspiegelt. Die Idee der Volksnation legt die Annahme nahe, dass der Demos der Staatsbürger im Ethnos der Volksgenossen wurzeln muss, um sich als eine politische Assoziation freier und gleicher Rechtsgenossen stabilisieren zu können. Diese Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung der Volksnation kennt die Asylwerbenden bzw. MigrantInnen nicht, deren Zerbrechen oder Diskontinuität des Menschenrechts im Mittelmeerfriedhof Lampedusa sein Ende findet. Während die gewollte Nation der citizens die Quelle für demokratische Legitimation ist, sorgt die geborene Nation der Volksgenossen für soziale Integration. Bleibt der Ball auf der Seite der Volksgenossen (citizens), dann stellen wir uns die Frage, welche Menschenrechtsentwicklung man forcieren soll, angesichts dieser Janusgesicht-Natur?

Protektionismus

Der wirtschaftliche Faktor, die beschleunigte Entwicklung und die Diffusion neuer produktivitätssteigendender Technologien, der gewaltige Zuwachs der Reserven bei vergleichsweise billigen Arbeitskräften, lässt uns verstehen, dass die Ära der Globalisierung in der wir leben ein Faktum ist. Nicht aus klassischen Welthandelsbeziehungen, sondern aus global vernetzten Produktionsverhältnissen ergeben sich die dramatischen Beschäftigungsprobleme sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten. Anders ausgedrückt: Souveräne Staaten können von ihren jeweiligen Ökonomien nur solange profitieren wie es noch Volkswirtschaften gibt, die auf die interventionistischen Politiken zugeschnitten sind. Der Protektionismus der USA unter „Americans First“ , der Isolationismus des Vereinigten Königreichs mit Brexit sowie das EU-Versagen bei der Flüchtlingspolitik, sind jeweils bloß Reaktionen gegen die Globalisierung, d.h. gegen eine tendentielle Denationalisierung der Wirtschaft im klassischen Sinn, wobei die nationale Politik zunehmend die Herrschaft über diejenigen Produktionsbedingungen fördert, unter denen zerstreubare Gewinne und Einkommen entstehen. Gegen diese subversiven Zwänge und Imperative der Weltmächte und der weltweiten Verdichtung von Kommunikation und Verkehr, ist die äußere Souveränität der Staaten, wie/worin immer sie gründet, heute ohnehin zum Anachronismus geworden. Den meisten Regierungen und politischen Akteuren auch hier im Westen ist anhand dieses Anachronismus ein kollektiver Fehler unterlaufen, weshalb sie nicht in der Lage sind, eine Art Weltinnenpolitik als Grundlage neuer Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung gemäß der Globalisierung und Sachzwänge zu entwickeln. Deswegen schieben sie das Phänomen Immigration vor, als Ursache und Wirkung für das Versagen eine gemeinsame Asylpolitik zu gestalten. Obwohl jeder weiß, dass Menschen ihre angestammte Heimat normalerweise nicht ohne große Not verlassen und zur Dokumentation ihrer Hilfsbedürftigkeit in der Regel die bloße Tatsache ihrer Flucht ausreicht, hat Europa nichts mehr auseinandergetrieben als die Verlogenheit, mit der die Debatte über die Flüchtlinge geführt wurde. Theoretisch sind sich alle einig, dass man dem Problem nur Herr wird, wenn alle strukturell an einem Strang ziehen. Während sich jeden Tag hunderte Menschen von Libyen

aus auf den gefahrvollen Weg nach Italien machen und Rom um Hilfe ruft, was ungehört bleibt, finden Länder des ehemaligen Ostens kein besseres Mittel gegen Flüchtlinge als das Ausrollen von Stacheldraht. Also – die ImmigrantInnen werden als ein Drohpotential sowohl für das, wofür sie stehen, die transatlantische Beziehung zwischen Europa und den USA, als auch gegen die Demokratie westlicher Prägung und Menschenrechte eingesetzt. Die Trump-Mauer zwischen Mexiko und den USA kommt zeitgleich mit dem Wunsch der Schließung des Mittelmeers. Daher die Frage: Welcher universalistische Ansatz der Menschenrechte soll Jugendlichen vermittelt werden?

Selbstverständlich hatte sich der Kapitalismus von Anbeginn an in weltweiten Dimensionen entwickelt. Er hat auch die Dynamik des ökonomischen Zusammenspiels mit dem modernen Staatensystem freigesetzte ehe er zur Festigung des Nationalstaats beitrug. Aber durch die Globalisierung verstärken sich beide Entwicklungen nicht länger gegenseitig. Mittels Protektionismus bestärkt dies die Nationalisten einerseits und andererseits beeinträchtigt dies den universalistischen Ansatz für Menschenrechte, indem die Migration den Kredit der Menschenrechte überzieht.

 

Dazu diskutieren:

Gilbert Moyen, Hubert Mvogo, Cyril Chima Ozoekwe, Simone Prenner und Sintayehu Tsehay

Moderation: Dr. Di-Tutu Bukasa

 

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