Das aktuelle Stichwort: Antisemitismus

31.10.2023

Das aktuelle Stichwort: Antisemitismus

In der Debatte um Krieg und Terror werden auch die pro-Palästina-Demonstranten gern unter dem Stichwort „Antisemitismus“ besprochen – damit soll also jede Kritik an Israel diskreditiert sein, durch die Gleichsetzung mit dem Völkermord an den Juden im Dritten Reich. Halbwegs geduldete bis achtbare Unterscheidungen, zwischen einer Kritik am Staat Israel oder am Zionismus, als irgendwie noch verständlicher Einwand gegen Landnahme und Vertreibung, im Unterschied zu rassistischen Anwürfen gegen „die Juden“ – die haben sich erledigt. Nun gut, dann also zum Antisemitismus und seiner Verwendung.

[Dass mit der freizügigen Verwendung das gute, alte, ehrwürdige Dogma von der „Einzigartigkeit“ der Hitlerei irgendwie in Aufweichung oder Auflösung begriffen ist, scheint niemanden zu tangieren. Oder hat sich das durch die gewohnheitsmäßige Vergleicherei des jeweils aktuellen Schurken der westlichen Welt mit Hitler ohnehin schon erledigt?! Saddam Hussein, Milosevic, Putin etc. – alles Hitler? Ziemlich regelmäßig unterwegs, fast schon gewöhnlich, „das Böse“.]

Thesen zum „Antisemitismus“

Versuch einer Definition: Antisemitismus ist erst mal eine Konstruktion dergestalt, dass da ein Bild des Juden, der Juden, des Judentums … gezeichnet wird, und zwar so, dass aus diesem Bild das „Anti“, also die Gegnerschaft zum Juden, zu den Juden, zum Judentum geradezu zwingend hervorgeht. Wie ersichtlich, geht es von vornherein um ein völkisch bestimmtes, homogenes Kollektiv in dem Sinn, dass darin alle Individuen aufgehoben sein sollen, womit sie eindeutig festgelegt sind. Alle individuell unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse, Lebenslagen, Einstellungen, Geisteshaltungen etc. der betroffenen Leute mögen vorhanden sein oder auch nicht, sie sind jedenfalls irrelevant, denn der Mensch, der unter so ein Kollektiv subsumiert wird, der ist in diesem Bild durch seine Zugehörigkeit determiniert, und zwar dahingehend, dass ihm dieses sein Judentum zwangsläufig das Höchste auf der Welt ist und er gar nicht anders kann, als es auszuleben und ihm dienen zu wollen: Als Volk zu funktionieren. Deswegen ist also alles dasselbe: Der Jude, die Juden, das Judentum als völkische Eigenart, und mittlerweile der Staat Israel.

Der Vollständigkeit halber: Dieses verbreitete Bild von Völkern als national definierten Kollektiven, bestehend aus lauter durch die Nationalität bestimmten Individuen, auf dem der Antisemitismus aufbaut – das ist heutzutage ziemlich normal. So sollen sie sein, die Völker.Warum kommt es nun zur Konstruktion eines solchen Bildes von dem oder den „Juden“, aus dem das „anti“ naturwüchsig folgen soll? Vorweg: Das liegt an den Maßstäben, die an Juden angelegt werden.

Antisemitismus historisch:
Aus Liebe zu Deutschland, tödlich!

Diesbezüglich ist die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“ sehr instruktiv; und keine Sorge, das Buch besitzt keine magischen Kräfte, man wird durch die Lektüre nicht zum Antisemiten, womöglich ohne es zu merken. Lehrreich ist das Buch, es informiert über das „pro“, aus dem die Konstruktion des „anti“ folgt. Wie immer im richtigen Leben waren Hitler und seine Anhänger gegen „das Judentum“, weil sie für etwas anderes eingetreten sind. Wofür waren sie denn nun? Wir ahnen es bereits, oder auch nicht, es ging um DEUTSCHLAND! Inwiefern denn nun ausgerechnet „die Juden“ – genauer: die vom Dritten Reich als Juden identifizierten Leute, völlig gleichgültig dagegen, ob die sich als Juden verstanden hatten –, inwiefern ausgerechnet die also als ein feindliches Volk an der diagnostizierten desolaten Lage Deutschlands schuld gewesen sein sollen, nun, das ließe – Konjunktiv! – das ließe sich dem nationalsozialistischen Programm schon entnehmen. Allerdings nur, wenn man es vernünftig studieren wollte. So ein Studium verträgt sich allerdings nicht mit der sog. Vergangenheitsbewältigung, mit dem Imperativ, jenes Programm begriffslos und ahnungslos zu verteufeln, um die demokratischen Nachfolgestaaten um so heller glänzen zu lassen! (Die von mir damit behaupte, durchaus machbare Erklärung, die steht auf einem anderen Blatt, sprengt jedenfalls diesen Rahmen.) Wie so oft, erschlägt auch hier die Pflicht zur Verurteilung die Analyse, die Erklärung dessen, was verurteilt werden muss. Was jede oberflächliche Durchsicht des NS-Programms ergibt: „Die Juden“ sind dem damaligen deutschen Nationalismus – dem Programm „to make Deutschland great again“ –, zum Opfer gefallen.

Diese Trivialität ist verpönt. Dem braven deutschen Volk, das nach der Niederlage 1945 genau so gehorcht hat wie vorher, ist das durch seine „Umerziehung“ ausgetrieben worden – übrigens nicht zu verwechseln mit, sagen wir mal, Umerziehungen in China. Jedes „Verstehen=Verständnis“ für den Deutschnationalismus der Nazis war jedenfalls untersagt, was weniger wegen der Umerziehung und mehr wegen der krachenden Niederlage durchaus Verständnis fand. Deutscher Nationalismus war durchaus wieder zugelassen, aber nur in Unterordnung unter den Auftrag der USA, als anti-sowjetischer Frontstaat. Anti-Antisemitismus war von oben verordnet. Das brave deutsche Volk und vor allem seine Bildungseinrichtungen haben dieses neue geistige Lage der Nation bravourös bewältigt, durch die Exkommunikation von „Auschwitz“. Der Völkermord wurde ausgegrenzt, aus der deutschen Geschichte – „Betriebsunfall“ –, aus der deutschen Zivilisation – „Zivilisationsbruch“ –, und überhaupt aus allem und jedem, was ein Bürger kennt und schätzt: Deutschland, Staat, Nation, Gewaltmonopol, Wir-Gefühl, Militär, Krieg, Politik – mit all dem darf der Völkermord an den Juden nichts zu tun haben, und dieser Freispruch von Staat und Politik wird mit der schönen Vokabel „einzigartig“ zusammengefasst. Diese Gewalt war sinnlos, grundlos, zwecklos, daher unbegreiflich, unerklärlich, unfassbar, unergründlich usw. Das ist die Entpolitisierung von Auschwitz und Antisemitismus als das grundlos Böse. Habe das mal als eine andere Variante der Auschwitz-Lüge charakterisiert. Während die primitive, geächtete Variante der Auschwitz-Lüge die Gaskammern leugnet, um die Botschaft „So sind wir nicht!“ zu transportieren, kriegt die elaborierte, geachtete Variante dasselbe Ergebnis hin, durch die Entrückung von Auschwitz in ein jenseitiges Reich des Bösen, jedenfalls ganz weit weg von „uns“, damit: „So sind wir nicht!“ Sagt der neudeutsche Nationalismus. Eine aktuelle Fassung von „So sind wir nicht!“ besteht übrigens in der Behauptung, gegenwärtiger Antisemitismus sei „importiert“.

[Dieses Bild vom grundlosen und daher auch unerklärlichen „Antisemitismus“ schafft dann wieder ganz eigene Probleme: Wenn man nichts genaues nicht wissen kann, wie sollte man denn „den Anfängen wehren“, sofern man das überhaupt vorhat? Und wie entkommt man der Nähe zu Verschwörungstheorien? Nach dem Motto: „Auschwitz“ – da steckt sicher irgendwas oder irgendwer dahinter; dass es tautologisch der „Antisemit“ ist, das steht fest, aber über den kann man eben nichts ermitteln, abgesehen davon, dass er was gegen Juden hat, weil er judenfeindlich eingestellt ist. Oder man verlegt dieses selbstkomponierte Rätsel in die „antisemitische“ Psyche, das Unergründliche haust dann in irgendwelchen unergründlichen Schichten des Unterbewusstseins: Entpolitisierung geglückt!]

Antisemitismus allgemein:
Aus Liebe zum Vaterland, unvermeidlich!

Der Aufschwung der Nationalstaaten im Europa des 19. Jahrhunderts, das war seinerzeit die Ausgangslage von Theodor Herzls Überlegungen zum „Judenstaat“. In Wikipedia findet sich dazu eine bemerkenswerte Formulierung:

„Die Französische Revolution von 1789 begünstigte europaweit die Bildung von Nationalstaaten mit allgemeinen Bürgerrechten. Seitdem begannen einige Staaten ihre Bürger rechtlich gleichzustellen und leiteten eine jüdische Emanzipation ein. Nationalistische Einigungsbewegungen bekämpften diese und suchten der veränderten historischen Lage angepasste Gründe für den überlieferten Judenhass des vom Christentum geprägten Mittelalters.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus#Neuzeitlicher_Antisemitismus

Da werden „Einigungsbewegungen“ als nationalistisch charakterisiert, aber für ihre Gegnerschaft gegen die Gleichberechtigung von Juden sollen diese Nationalisten den Rückgriff auf das Christentum gebraucht haben? Um den „überlieferten Judenhass anzupassen“, an die neue Zeit? Warum denn? Der Nationalstaat und seine Anhänger, die haben schon ihre, gar nicht mittelalterlichen Gründe für Antisemitismus: Jeder Nationalstaat unterscheidet erst mal seine Bürger von anderen, von Ausländern, die auch noch auf seinem Territorium leben, aber nicht die „Seinen“ sind. Die werden dann je nach nationaler Bedarfslage diskriminiert, rechtlich eingeschränkt und unter Sonderkonditionen gestellt. Darüber hinaus unterscheidet der übliche Nationalstaat – erst recht während der Phase seiner nationalen Einigung! – auch innerhalb seiner Untertanen sein Staatsvolk, die völkischen Träger des Staates, von anderen, sogenannten nationalen Minderheiten, identifiziert durch Abstammung, Sprache, Religion, Sitten und Gebräuche, Kultur, abweichende Loyalitäten … Die einen sind die Wertvollen, die anderen die Minderwertigen, vom Standpunkt der Nation. Die Anstrengungen zur ethnischen Homogenisierung der Nationalstaaten, von oben, mit Gewalt, durch Sprach-, Religions- und Gesinnungsunterdrückung oder ethnische Säuberung – in der Ukraine derzeit als Entrussifizierung zu besichtigen –, die haben damals europaweit betroffene Juden erzeugt: Teilweise rechtlich, zumindest praktisch im normalen Alltag von Patrioten diskriminiert, die sich gern als „Herrenvolk“ verstehen, waren Juden jedenfalls Bürger zweiter oder dritter Klasse, denen auch der öfter vorhandene Wille zur „Assimilation“ nicht viel genützt hat. Die Bezeichnung „Antisemit“ kam übrigens 1879 auf, „als Eigenbezeichnung deutscher Judenfeinde um den Journalisten Wilhelm Marr“. (Wikipedia) Von wegen, dieser Antisemitismus sei „grundlos“! Es ist schon die überbordende Parteilichkeit für die je eigene Nation, welche die Zugehörigkeit zum je eigenen nationalen Haufen und damit die bedingungslose Verlässlichkeit für alle nationalen Taten und Schandtaten an den Individuen als deren Eigenschaften entdecken will – das macht nationale „Abweichler“ verdächtig bis feindlich! Im Fall der Juden, übrigens auch der people formerly known as „Zigeuner“, macht sich das je nach Lage der Nation geltend, als Diskriminierung, als Ghetto, als Pogrom, als Völkermord. Der Ausweg, den Theodor Herzl skizziert hat: Etwas in der Art, eine „nationale Heimstatt“, das wollen wir auch!

Antisemitismus aktuell:
Aus enttäuschter Liebe zu westlichen Werten, verboten!

Auch das mittlerweile etablierte Israel unterscheidet eben sein Staatsvolk, seine Juden, die dadurch militär-tauglich sind, von anderen Leuten, die das Pech haben, dennoch unter israelischer Herrschaft anwesend zu sein. Sie sollen aber nicht dazugehören, sie können sich auch nicht assimilieren, falls sie das überhaupt vorhätten, sie können keine Vollwert-Bürger werden, wg. Abstammung. Die anfallenden vielfältigen Diskriminierungen, Terrorisierungen und Vertreibungen werden von Idealisten mit viel Sinn für Gerechtigkeit gern mit der Apartheid verglichen; man möchte hier ein anerkanntes Feinbild aufgreifen und gegen Israel verwenden. Diese Vorwürfe täuschen sich erst mal gewaltig, als das verlogene regierende westliche Demokratenpack seine Werte und moralischen Standards sehr selektiv, elastisch und situationsbezogen handhabt, und sich nicht „von unten“ und „kritisch“ auf „Werte“ festnageln lässt.

Der Vergleich trifft auch sachlich nicht: Die als Apartheid postulierte „Getrenntheit“ (wörtlich) war faktisch nie vorhanden, die Schwarzen wurden schließlich gebraucht, als spottbillige Arbeitskräfte in den Fabriken, Plantagen, Bergwerken, Farmen, im Verkehrswesen, in den Haushalten – sie waren immer da, aber rechtlos. Demgegenüber hat Israels Ökonomie seit den Zeiten der „jüdischen Arbeit“ nie auf der Ausbeutung diskriminierter Araber beruht. Die Betroffenen dürfen ausbaden, dass der Staat an ihnen nicht einmal dieses bisschen Interesse hat. Sie sind nicht gewollt, werden nicht gebraucht, sie passen aus völkischen Gründen nicht in einen Judenstaat, und das kriegen sie zu spüren. Die mittlerweile erreichte Regierungsbeteiligung anerkannter Rassisten in Israel ist den erreichten Erfolgen dieses Programms adäquat.

Ohne Zweifel, das ist eine Herausforderung an geistige Verantwortungsträger des westlichen Imperialismus:
„Während die USA und Europa überall auf der Welt verlangen, dass Menschenrechte und Freiheit garantiert sind, scheinen diese Grundsätze im Nahost-Konflikt nicht prioritär.“
Man beachte die ausgewogene Wortwahl: Sie „scheinen nicht prioritär“, also bloß keine vorschnellen Urteile, gell!
„Ausgerechnet im Fall Israels, eines der engsten Verbündeten der USA, sehen die Hüter der freien Welt zu, wie dem palästinensischen Volk über Jahrzehnte grundlegende Rechte vorenthalten werden. Das Westjordanland wird mehr und mehr durch den Bau jüdischer Siedlungen zerstückelt, und der in der israelischen Regierung dafür zuständige Minister Bezalel Smotrich propagiert unverhohlen den ‘Sieg durch Siedlungen’ und ein Ende der ‘Fantasie’, dass zwei Staaten auf dem Gebiet nebeneinander existieren könnten.“ (profil 43/2023)
Das unterschreibt jeder pro-Palästina-Demonstrant! Wenn die „Hüter der freien Welt“ ständig mit „Menschenrecht und Freiheit“ und „grundlegenden Rechten“ hausieren gehen – zumindest gegen widerborstige Staaten –, soll man sich dann darüber wundern, wenn von westlichen Werten begeisterte und von der Praxis enttäuschte Jugendliche mit Palästinenserfahnen demonstrieren? Wenn Israel, das nur durch seine westlichen Sponsoren ökonomisch und militärisch über seine Verhältnisse leben kann, von diesen Sponsoren carte blanche gegenüber Palästinensern erhält? Auch Hans Rauscher fragt und antwortet: „Sind diese Leute (Demonstranten für Palästina) komplett jenseits? Nein, es handelt sich zu einem Gutteil um die junge Intelligenz in freien, demokratischen Rechtsstaaten.“ (Standard 28.10.2023) Herzlichen Glückwunsch! Die sind westliche Produkte und empören sich an westlicher Verlogenheit!
„USA und Europa halten verbal immer noch an der Zweistaaten-Lösung fest, während die ganze Welt dabei zusieht, wie ihnen die Realität längst entglitten ist.“
Sehr feinfühlig. Eine „Realität“, die in der Unterstützung Israels durch seine westlichen Freunde besteht, zeugt davon, dass denen diese Realität längst „entglitten“ ist! Aha. Geht es noch primitiver? Ja, es geht:
„Bisher waren die Palästinenser die Leidtragenden dieses Selbsttäuschungsmanövers. Doch langsam bildet sich ein alternativer, globaler Machtblock, der sich den Glaubwürdigkeitsverlust des Westens zunutze macht. Und plötzlich laufen die USA, Europa und auch Israel Gefahr, dass sie der ungelöste Nahost-Konflikt ihr Standing in der Welt kostet.“ (profil 43/2023)
Wer ist der wahre Leidtragende am Leid der Palästinenser? Es ist der gute Ruf des Westens, der womöglich als Lügenbande dasteht – sicher nicht beim hier zitierten aficionado, der bescheinigt seinen Idolen bloß einen „Glaubwürdigkeitsverlust“ und einen Hang zur „Selbsttäuschung“: Wie immer – wer Lügnern gutes Gelingen wünscht, sorgt sich um deren Glaubwürdigkeit! Der Mann hat übrigens komische Vorstellungen darüber, mit welchen Mitteln Staaten ein „Standing“ in der Welt erwerben – aber bitte: Die wahre Gefahr besteht jedenfalls darin, dass ein unwestlicher, völlig unbefugter Machtblock gegen westliche „double standards“ auftritt.

*

Verglichen mit solchen journalistischen Spitzenleistungen an parteiischer Lächerlichkeit hat ein damaliger Staatsgründer sehr nüchtern befunden:

„Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich nie einen Vertrag mit Israel unterschreiben. Es ist normal; wir haben ihr Land genommen. Es ist wahr, dass es uns von Gott versprochen wurde, aber wie sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht ihr Gott. Es gab Anti-Semiten, die Nazis, Hitler, Auschwitz, aber war es ihre Schuld? Sie sehen nur eine Sache: Wir kamen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren?“ – David Ben-Gurion
https://de.wikipedia.org/wiki/David_Ben-Gurion#cite_note-12

In der Lage entscheidet eben das Faustrecht des Stärkeren; seit Jahrzehnten. Für die „grundlegenden Rechte des palästinensischen Volkes“ ist nach wie vor ausschließlich Israel zuständig; die Palästinenser nicht. So interpretieren die global zuständigen USA die Lage.

Literatur:

https://www.derstandard.at/story/3000000192938/wenn-mitf252hlende-vernunft-fehlt
https://www.derstandard.at/story/3000000192675/trauer-um-bruder-nach-hamas-terror-missbraucht-unseren-schmerz-nicht-fuer-krieg
https://www.derstandard.at/story/3000000193215/das-westjordanland-im-sog-des-gaza-krieges

Eine Materialsammlung:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=105683

Ausführlich über die „einzigartige Allianz“ von USA und Israel
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/israel-2019

thegrayzone über die Genese und mediale Verbreitung von Gräuelmeldungen:
https://thegrayzone.com/
https://thegrayzone.com/2023/10/06/maidan-color-revolution-georgia/

Zu den westlichen Werten:
https://cba.media/584940

Zum Verlangen von „USA und Europa nach Menschenrecht und Freiheit überall auf der Welt“:
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/demokratie-den-nahen-osten

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Zu einem Kommentar im Standard vom 30.10.2023
https://www.derstandard.at/story/3000000193213/antikolonialismus-fuehrt-linke-bei-der-hamas-auf-den-irrweg

Endlich Nägel mit Köpfen in der Antisemitismus-Debatte:
Linke sind keine Antisemiten, sie sind bloß genau so schlimm!
Daher weg mit unpassenden westlichen Werten!

„Die oft gehörte Antwort, hier sei Antisemitismus am Werk, mag für viele Muslime mit religiöser oder nationalistischer Gesinnung zutreffen – so etwa auf den Mob, der am Sonntag auf der Jagd nach Juden den Flughafen in der russischen Teilrepublik Dagestan stürmte. Aber Künstlerinnen, Akademiker, Sozial- und Umweltaktivistinnen in Europa und den USA, die die Hamas als Befreiungsbewegung feiern oder ausschließlich die Opfer in Gaza betrauern, haben wenig gemeinsam mit den Vorurteilen ihrer Eltern und Großeltern und wehren sich zu Recht gegen den Antisemitismusvorwurf. Ihnen geht es nicht um Judentum, sondern um den Staat Israel, den sie im Namen des Antikolonialismus bekämpfen.“
„Es ist diese Ideologie, die heute das Denken so vieler Linker prägt. Hier vermischen sich Empörung über globale Ungleichheit, Zorn über Rassismus in den USA, Verdammung amerikanischer Außenpolitik, Hass auf den Kapitalismus und Schuldgefühle gegenüber der eigenen Geschichte. Und da es kaum noch unterdrückte Kolonien in der Welt gibt, wird Israel zur Zielscheibe ihres Engagements, indem alle Ambivalenzen ausgeblendet werden. Nun mag es zwar manche Parallelen zwischen dem Zionismus und der kolonialen Besiedlung etwa von Nordamerika geben, aber Israel ist kein Kolonialstaat. Es reicht, dass das Land wohlhabend, westlich und mit den USA verbündet ist – und durch seine Besatzungspolitik Unrecht an einer ärmeren Volksgruppe begeht, die zum Globalen Süden zählt. Das macht es zum idealen Sündenbock für jene, die die Welt zwischen Täter und Opfer aufteilen. War einst der marxistische Klassenkampf die Brille, durch die radikale Linke die Welt sahen, ist es nun eine antirassistische Identitätspolitik.“

Der Autor greift die verschiedensten Vorwürfe von globalisierungskritischen, antirassistischen, antikapitalistischen etc. Bewegungen auf. Er bestreitet keineswegs die Zustände, an denen sich die Empörungen entzünden. Er konzediert auch „Parallelen zwischen dem Zionismus und der kolonialen Besiedlung etwa von Nordamerika“ – Die Ausrottung der Ureinwohner bis auf ein paar Überbleibsel? Gaza ein Reservat? –, und erwähnt das „Unrecht der Besatzungspolitik an einer ärmeren Volksgruppe“. Er bestreitet bloß, dass die Empörung über Israel etwas mit der israelischen Politik zu tun hat. Das Motiv der Linken ist anders gelagert, es handelt sich vielmehr um das Bedürfnis, „die Welt zwischen Täter und Opfer aufzuteilen“. Aha. Das ist offenbar verpönt. Und für dieses absurde Bedürfnis wurde ein Sündenbock gesucht. Aha. Und überhaupt – diese alten Geschichten mit den Kolonien. Ist endlich nicht Zeit für einen Schlussstrich? Diese ewige Obsession von einer europäischen „Schuld“, wenn die sogar zur Kritik an Israel führt, das geht doch nicht:

„Absurderweise gewinnt die Beschäftigung mit Kolonialismus an Intensität, je weiter diese Epoche zurückliegt – und wird zur fehlgeleiteten Obsession. So übel die Politik der Europäer auch war, sie war nicht das einzige Übel. Die Kolonialmächte verdrängten andere Unterdrückungsregime, die eine Ausbeutung wurde durch eine andere ersetzt. Und seit der Entkolonialisierung nach 1945 sind in weiten Teilen der Welt – von China über den Iran bis Afrika und Lateinamerika – neue Tyrannen am Werk, für deren Untaten die westlichen Staaten keine Schuld tragen. Gerade in Afrika dienen die Schuldzuweisungen an den Westen den regionalen Potentaten als Vorwand für Korruption, Intoleranz, Hetze und Repression.“

Gerade wenn die Epoche des Kolonialismus schon länger vorbei ist, und das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die nationale Unabhängigkeit als globale Werte ihre Triumphe feiern, gerade dann fallen Parallelen zur kolonialen Besiedlung Nordamerikas ausgerechnet während der Phase der Entkolonialisierung um so mehr auf. Nicht? Insofern ist nach Meinung des Autors ev. angebracht, diese „Obsession“ durch eine Neubewertung des Kolonialismus zu kontern, den Kolonialismus durch vergleichende Relativierung zu verharmlosen, um den Antikolonialismus als absurd zu entlarven. Es hat zwar niemand behauptet, der Kolonialismus sei das „einzige Übel“ gewesen, aber wenn auch die Welt „der regelbasierten Weltordnung“ ein übler Ort ist, was offenbar ziemlich normal ist, ist nicht dadurch jede Kritik an Israel diskreditiert?

Apropos – wenn dem Autor eine „Aufteilung der Welt zwischen Täter und Opfer“ gegen den Strich geht, dann hat er sicher viel zu bekritteln, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Und dass Hamas die Täter sind und Israelis die Opfer, das ist nach wie vor so, oder? Wir merken uns: so eine Täter-Opfer-Sortierung darf nie gegen den Westen und seine Kreaturen ausgehen.

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