Arbeitszeitflexibilisierung- Notwendigkeit oder Falle?

01.08.2018

Vor- und Nachteile der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Zeitgemäße Bestimmungen, die Menschen in ihren Lebensrealitäten abholen- oder wird hier durch den Abbau von Arbeitsrechten kombiniert mit dem Abbau von sozialen Leistungen ein erster Schritt in die Niedriglohnsektorfalle gemacht?

 FROzine Redaktionsleiterin Sigrid Ecker im Gespräch mit

Elisa Unger, freiberufliche Filmemacherin Josef Rehberger, Vorsitzender Junge Gewerkschaft (ÖGJ) Oberösterreich  Georg Hubmann, Geschäftsführer Jahoda-Bauer Institut
Mit 1. September 2018 tritt ein neues Gesetz der türkis/blauen Bundesregierung zur Arbeitszeitflexibilisierung  in Kraft. Eines jener, die im Schatten von Ablenkungsmanövern, wie Kopftuchdebatten und Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen im Eiltempo- trotz kurzem, heftigem Widerstand seitens der oppositionellen Kräfte, durchgepeitscht wurden.  Von der Bundesregierung wurde im Juli der Initiativantrag zur Arbeitszeitflexibilisierung beschlossen.- ohne Absprache bzw. Einigung mit den Sozialpartnern, ohne eigentlich üblicher Begutachtungsfrist. Das bedeutet, dass die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden angehoben wird, die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden. Die gesetzliche Normalarbeitszeit ist aber nach wie vor 8 Stunden pro Tag, 40 Stunden in der Woche.  Wie wird sich das entwickeln- Normalarbeitszeit und Ausnahmearbeitszeiten? Laut Regierung gibt es die Möglichkeit „aus überwiegenden persönlichen Interessen“ abzulehnen? Allerdings erst ab der 11. Stunde pro Tag und der 51. Wochenstunde. Wie wird das in der Realität dann möglich sein?
Wie soll in Zukunft überprüft werden? Wer wird das ahnden? Was macht das mit dem Betriebsklima? Viele wünschen sich mehr Flexibilisierung- oder leben es auch bereits?                                                          Leute aus der IT-Branche im Bereich Automationstechnik berichten zum Beispiel, dass 10- oder 12- und mehr-Stunden-Tage normal und Höchstwochenstunden nie ein Thema sind. Die Überstunden läßt man sich später ausbezahlen, oder nimmt zu anderen Zeiten Zeitausgleich, je nach Auftragslage. Lässt es sich absehen, welche Branchen oder Arbeitsverhältnisse eine gewisse Erleichterung, weil sie eine gesetzlich anerkannte Abbildung ihrer realen Bedingungen erfahren und wo es tatsächlich zu unerwünschten und negativen Entwicklungen kommen wird?

Alles in Allem scheint das doch recht schwammig zu sein und auf eine Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in jedem Einzelfall hinauszulaufen. Wie soll in Zukunft überprüft werden? Da wird vielleicht in Zukunft die einzig relevante Grenze das EU-Recht sein: 48 Stunden Wochendurchschnitt in 17 Wochen sein? Und was macht das mit dem Betriebsklima?

Es gibt auch diverse Branchen, die bereits den 12 Stunden-Tag durch Sonderregelungen des bestehenden gesetztes leben. Fahrdienstleiter der ÖBB zum Beispiel. Eine Schicht dauert 12 Stunden, der Schichtbetrieb beinhaltet auch die Wochenenden. Der große Vorteil: Es gibt nach den Arbeitstagen mindestens 3 Tage frei und das wird auch länger im Voraus festgelegt, da gibt es also eine gewisse Planungssicherheit.Doch was bedeuten kurzfristige Anordnungen- werden sie die erhoffte Work-Life-Balance verbessern?

Wie lange wird es dauern, bis die Menschen realisieren, wie sehr sie dieses Gestz betrifft und in welcher weise?                                                                                                                                                                                Wie schaut es mit dem prognostizierten Trend zur Robotisierung und ein damit einhergehendem Anstieg von Arbeitslosigkeit aus- sollte darauf nicht mit gegenteiligen Regelungen, nämlich einer Arbeitszeitverkürzung- zb auf 30 Wochenstunden, reagiert werden?

Betrachtet man die Summe der einzelnen Schritte und Vorhaben von Türkis/Blau bis jetzt- Arbeitszeitflexibilisierung, Kürzung der Mindestsicherung, Abschaffung der Notstandshilfe, so trägt das schon eine deutlich neoliberale Handschrift.                                                                                                               Ist zu befürchten, dass das der Anfang ist von einem Plan zur Aufweichung der Arbeitnehmer*innenrechte- Richtung befristeter Arbeitsverträge, Subfirmen, die im völligen arbeitsrechtlichen Vakuum agieren, oder Stärkung des Niedriglohnsektors, wie uns das Deutschland vorgemacht hat- was zwar Arbeitslosenstatistiken schönt, aber das Problem der Altersarmut zusehends verschärft dadurch?                                                                                                                                                         Was ist mit jenen, die nicht mithalten können mit den steigenden Leistungsanforderungen- was mit den jetzt schon schwierig viermittelbaren älteren Arbeitnehmer*innen?

Wie könnten flexible Arbeitszeitmodelle im Sinne von Arbeitnehmer*innen aussehen- Stichworte: Zeitkonten, Lebensarbeitszeit, alle Branchen und Unternehmensgrößen und Interessensbereiche bedenkend, sowie zukunftsweisend, vorausschauend und nachhaltig? Solche Gesetzte zu erlassen ist sicher eine sehr große An- und Herausforderung für Politiker*innen. Dies in Schnellverfahren und Alleingängen durchzuführen, kann den Anforderungen wohl nicht gerecht werden. Andererseits wünschen sich viele rasche Lösungen und entziehen sich der Komplexität der Dinge. Der Ruf des Denkens und Abwägens braucht dringend einen Aufwind und auch eine generationsübergreifende attraktive Ausrichtung.

Wir als FROzine- Redaktion gönnen uns jedenfalls diesen Luxus. Im August machen wir Sommerpause.  Und nutzen diese Zeit zum geistigen auslüften, aber auch sammeln. Damit wir dann ab 3. September wieder für sie genau nachfragen und beleuchten können. Werktäglich im Infomagazin Frozine auf Radio FRO 105,0 und natürlich im Netz zum Streamen und Nachhören bzw. Nachsehen immer und überall unter fro.atbzw. cba.media im audiorachiv der freien Radios in Österreich.

Moderation: Sigrid Ecker

 

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