Arbeitslosengeldbezug in Österreich – VOR ORT 133
Ein Beitrag von Christian Aichmayr:
Aktuell liegt die Forderung der SPÖ, der Gewerkschaft wie auch der Arbeiterkammer am Tisch, das Arbeitslosengeld in Österreich zu erhöhen – um damit gerade auch im Hinblick auf die Covid-19 Krise die arbeitslos gewordenen Menschen stärker zu unterstützen. Im Nationalrat gab es diesbezüglich schon einen Antrag der SPÖ, der auch von der FPÖ unterstützt wurde – aber keine Mehrheit fand.
Was mir beim Arbeitslosengeld schon immer aufgefallen ist, ist der Umstand, dass gemeinhin immer davon gesprochen wird, dass die Bezugshöhe 55 % des letzten Nettobezuges beträgt. Das ist überall zu lesen und auch zu hören! Das stimmt so aber nicht – die sogenannte Nettoersatzrate ist im Regelfall allemal weniger! Denn: Das Arbeitsmarktservice greift z. B. im Mai 2020 auf den Verdienst des Jahres 2018 zurück, keineswegs auf den aktuellen Letztbeszug des Jahres 2020. Und wenn seit 2018 in der Zwischenzeit zwei Gehaltsvalorisierungen mit Jahresbeginn 2019 und Jahresbeginn 2020 sowie möglicherweise noch eine Vorrückung im Gehaltsschema stattgefunden hat, liegt ist die Differenz des aktuellen Gehaltes mit jenem vor zwei Jahren schon durchaus spürbar. So habe ich z. B. folgende Berechnung angestellt: Ausgehend von einem Bruttogehalt von € 2.500,– im Jahr 2018, ergibt sich beim Arbeitslosengeldrechner des Bundesrechnungszentrums ein Tagsatz von € 52,74. Dieser Tagsatz würde aber – wenn ich nun wie vorhin beschrieben 2 jährliche Valorisierungen von je 3 % sowie eine Gehaltsvorrückung von Brutto € 40,– ansetze, aktuell bei € 56,82 liegen. Somit bekommt eine arbeitslose Person in diesem Fall keineswegs die 55 % des Letztgehaltes sondern lediglich 51 %! Nur bei eher ganz niedrigen Arbeitslosenbezügen wo Ergänzungszuschläge zum Tragen kommen, können de 55 % stimmen – möglicherweise könnten es in Einzelfällen sogar mehr als die 55 % sein. Für die große Masse der Arbeitslosen stimmen die 55 % so nicht.
Aber auch eine andere Berechnungsform des Arbeitslosengeldes zielt darauf ab – den Bezug zu senken. Das Hinzurechnen der Sonderzahlungen schafft eine eigene Bemessungsgrundlage, die mit jener der Höchstbemessungsgrundlage in der Gehaltsverrechnung nicht konform geht. Und als höchste Bemessungsgrundlage des Jahres 2018 beim Arbeitslosengeld wird sonderbarerweise die normale Höchstbemessungsgrundlage ohne Sonderzahlungen (also Urlaubs- und Weihnachtsgeld) aus dem Gehaltsverrechnungsjahr 2017 herangezogen. Auch das schafft natürlich entsprechende Einspareffekte.
Und – wer über € 4.200,– brutto verdient hat, kommt durch die niedrigere Bemessungsgrundlage – in die beim AMS die Sonderzahlungen auch schon hineningerechnet worden sind, ohnehin wohl auf weniger als die bereits weiter oben berechneten 51 %. Es hört sich also alles wesentlich besser an, als es tatsächlich ist.
Generell liegt die Höhe des Arbeitslosengeldes in Österreich im europäischen Vergleich weiter hinter Belgien mit 90 %, Luxemburg mit 84 % oder Lettland mit 80 %. Ob diese Staaten mit diesen Prozentzahlen aber auch Angaben machen, die der Realität nicht standhalten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Den AMS-MitarbeiterInnen und Mitarbeitern, die gerade jetzt in der Covid-19 Krise extrem ausgelastet sind, ist diesbezüglich natürlich kein Vorwurf zu machen – der Berechnungsrahmen für das Arbeitslosengeld fällt ja nicht in ihre Kompetenz. Sie machen aktuell tolle Arbeit! Ihnen gilt meine besondere Wertschätzung!
Mit Frau Magistra Iris Woltran von der Arbeiterkammer Oberösterreich, die in Sachen Arbeitslosengeldbezug eine ausgewiesene Expertin ist, habe ich zu diesem Thema ein Telefoninterview geführt.
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