Arbeit – feministisch betrachtet?!
Die Familie
Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs
Die Sache mit der unbezahlten Arbeit
Auf Radio Orange 94.0, also auf diesem Sender, läuft momentan eine Sendereihe „Arbeit feministisch betrachtet“. Nachdem ich mich in „Kein Kommentar“ zum Thema „Die Familie, Ort des Glücks, Ort der unbezahlten Arbeit, Ort des Psychoterrors, Ort des Amoklaufs“ verbreitet habe, möchte ich einige wiederholende oder weiterführende Bemerkungen anbringen. Allerdings will ich die Arbeit von Frauen nicht feministisch, sondern sachlich und nüchtern betrachten.
„Wenn Männer Kinder kriegen würden …“
Nicht feministisch – was ist damit gemeint? Es gibt einen feministischen Satz, den hört man im Zusammenhang mit der Arbeitswelt immer noch: „Wenn die Männer die Kinder kriegen würden, dann wäre die Arbeitswelt ganz anders organisiert, nämlich total kinderfreundlich bzw. an den Bedürfnissen der Kinderbetreuung ausgerichtet.“ Der Faktencheck ergibt: Das ist falsch; diese Vorstellung hat mit Ökonomie, mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Exemplarisch eine gegenläufige Auskunft aus dem „profil“, vor immerhin schon 10 Jahren, aus dem Jänner 2012:
„Die Zahl der Väter auf Babypause steigt an. Nicht wenige Arbeitgeber reagieren beleidigt, wenn Männer sie für ein Kind im Stich lassen – und degradieren die Väter. … Viele Männer, die in Karenz gehen, werden gemobbt, degradiert oder schnellstmöglich gekündigt. Eine absurde Variante von Gleichberechtigung, die niemand wollte – wenn Väter genauso schlecht behandelt werden wie Mütter.“
Warum sollte denn die Forderung nach Gleichheit oder Gleichberechtigung automatisch auf eine Verbesserung hinauslaufen; beides ist, Hauptsache „gleich“, auch durch eine Nivellierung nach unten machbar! Es gibt offenbar „noch immer“ die weitverbreitete Ansicht, die moderne Arbeitswelt sei darauf ausgerichtet, es Männern recht machen zu wollen, und der Vorbehalt gegen die Ausübung der Kinderbetreuungsfunktion hätte nichts mit den umfassenden Ansprüchen der Betriebe zu tun, sondern läge an einer völlig grundlosen Abneigung gegenüber Frauen. Das Gegenteil trifft zu: Sobald Männer zwar noch immer keine Kinder gebären, aber Funktionen übernehmen, die früher Müttern vorbehalten waren, wird nicht die Arbeitswelt kinderfreundlich umorganisiert, sondern werden Väter wie Mütter diskriminiert. Ein neueres Beispiel:
Kurier 24.6.2020: „So hat sich Xaver Maier (Name von der Redaktion geändert, Anm.) seine Elternteilzeit ein Jahr nach der Geburt seines Kindes nicht vorgestellt: In der Firma erhält der Teamleiter nur noch demütigende Aufgaben, neben seinem Büro stellen Kollegen einen Schmutzwäscheständer auf. Und Vorgesetzte wetten, wie lange der Vater durchhält. Weil er auch nach seiner Rückkehr aus der Teilzeit noch schikaniert wird, kündigt Maier und klagt auf Diskriminierung. Seit Kurzem liegt das rechtskräftige Urteil zu seinen Gunsten vor. Die Firma muss ihm 3.000 Euro Schadenersatz zahlen. ‘Im Unternehmen sollte ein abschreckendes Beispiel für Teilzeit-Väter statuiert werden’, erläutert Gleichbehandlungsanwältin Sabine Wagner-Steinrigl, die den Fall betreute. Der Chef wollte nicht, dass ein Mann zu Hause beim Kind bleibt.“ Komisch – oder doch nicht? Der Mann hat zwar ein paar Kreuzer Schadensersatz kassiert, aber das Unternehmen längst verlassen.
Im „profil“ vom 20.2.2017 skizzierte Elfriede Hammerl einmal ein Paar (genannt Adam und Eva), das nach der Geburt in sogenannte alte Rollenbilder zurückfällt, indem die Frau Kinderbetreuung und Teilzeit kombiniert. Das resignierte Fazit: „Seit Adam und Eva Kinder haben, ist aber ohnehin alles ganz anders, denn Eva arbeitet jetzt Teilzeit. Das (die Teilzeit) entspricht nicht ganz ihrem ursprünglichen Plan, der vorsah, dass sie ihre Karriere auch als Mutter fortsetzen würde, doch die Realität weicht eben manchmal von dem ab, was man sich in jugendlicher Ahnungslosigkeit so alles ausmalt. In der Theorie schien es ganz einfach: Adam und sie würden sich Haushalt und Kinderbetreuung gerecht teilen und ihre Berufstätigkeit gleichermaßen darauf abstimmen. Hat jedoch nicht funktioniert. Die Arbeitswelt ist auf Halbe-Halbe nicht eingerichtet. Bei mir heißt es ganz oder gar nicht, sagte Adam, der in seiner Firma gar nicht erst nach anderen Lösungen fragte, weil er wusste, dass es sie nicht geben würde. Und dann bezog er ja auch das höhere Gehalt. Es zu gefährden, wäre verrückt gewesen.“
Halten wir wieder fest, dass in dieser Skizze, die durchaus dem richtigen Leben entnommen ist, keineswegs dem Vater von der Firma der rote Teppich ausgerollt wird, sobald er sich als Mann um das Kind kümmern und deswegen Teilzeit arbeiten will. Ein wenig seltsam: Dass die „Arbeitswelt auf Halbe-Halbe nicht eingerichtet ist“ – diesen Teil der „Realität“ wollen die jungen Leute erst bemerkt haben, als das Kind schon da war? Bis dahin glaubte die Jung-Mutter, „ihre Karriere fortsetzen“ zu können, als wäre nichts? Erst dann kommt der männliche Teil drauf, dass er in der Firma lieber nicht nach Teilzeit fragt, weil er damit womöglich das Einkommen „gefährdet“?
Das geschilderte Arrangement ist kein Rückfall in überkommene, überholte Muster, sondern der pragmatisch-praktische Umgang mit der Situation. Sobald das Kind da ist, brauchen die beiden erstens mehr Geld als vorher und das zweitens auch verlässlicher – den Job einmal schmeißen im Vertrauen darauf, dass man in ein, zwei Monaten etwas Besseres gefunden hat, das geht nicht mehr. Und das drittens in einer Situation, in der das Geldverdienen schwerer geworden ist, denn nach dem Mutterschutz steht die Kinderbetreuung an, d.h. einer der beiden Elternteile ist eingeschränkt erwerbsfähig. Der Teil, der mehr verdient, bleibt dann eben im Job, der andere verdient „dazu“, wie das so heißt, wenn überhaupt … Da sind keine geheimnisvollen traditionellen Mechanismen oder sozialpsychologischen Hintergründe am Werk. Der brutale Fehler der beiden besteht in der Vorstellung, sie könnten es sich aussuchen, wie sie Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung organisieren möchten, sie könnten sich das nach ihren Bedürfnissen einteilen. Bloß: Es gibt eine dritte Partei namens „die Wirtschaft“, der diese Bedürfnisse scheißegal sind.
Der „Gender-Pay-Gap“ ist in Wahrheit ein „Mütter-Pay-Gap“
Allgemein: Warum verdienen Frauen weniger als Männer? (Gemeint sind in dem Zusammenhang immer Durchschnittswerte.) Nun, das liegt an der sogenannten „unbezahlten Arbeit“, also vor allem an der Kinderbetreuung. Wenn Frauen einen Großteil dieser nicht monetär entlohnten Dienstleistungen übernehmen, sollte die Überraschung, dass mit „unbezahlter Arbeit“ eben nichts verdient wird, nicht allzu groß sein.
Diese „unbezahlte Arbeit“ drückt sich in der sogenannten „Erwerbsbiographie“ aus. Mütter gehen in den „Mutterschutz“, dann in Karenz, und dann arbeiten sie Teilzeit, jedenfalls signifikant häufiger als Väter – und auch als Frauen ohne Betreuungspflichten. Wegen dieser Unterbrechungen und wegen der Teilzeit – verglichen mit Männern und Nicht-Müttern – bleiben sie in den unteren und schlechter bezahlten Etagen der Betriebshierarchie hängen; sind nicht so mobil und flexibel wie andere Kollegen, das wirkt sich auf die Karriere aus, sie werden weniger befördert. Alle diese Momente machen sich gemäß der üblichen Pensionsberechnung in der Pension bemerkbar. In der einschlägigen Literatur gilt das erste Kind als entscheidender Wendepunkt und Karriereknick bei der folgenden Minderung des durchschnittlichen Lebenseinkommens von Frauen. In einem Buch (Johanna Dürrholz, „Die K-Frage“; K steht für Kind) widmet sich eine deutsche Autorin dieser Frage, und in einer Rezension schreibt der Kurier:
„Vor allem Frauen zaudern“ (mit dem Kinderkriegen), „weil am Arbeitsmarkt nach wie vor Ungleichheit herrscht. ‘Mütter werden systematisch diskriminiert, seltener eingestellt, später oder gar nicht befördert’ … 93 Prozent der deutschen Väter arbeiteten 2019 Vollzeit, aber nur 34 Prozent der Mütter. ‘Ich frage mich dann: Will ich auch eine Teilzeitfrau sein?’ Denn die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere sei ‘eine Lüge’, die Arbeitswelt würde sich zu wenig auf Jungfamilien einstellen.“ (Kurier 16.3.2021)
Stimmt alles, aber dann wieder gar nicht. Denn am Arbeitsmarkt herrscht nicht Ungleichheit, sondern Gleichheit – und deswegen werden Mütter, gemeint sind allgemein Personen mit Betreuungspflichten, systematisch diskriminiert. Mütter sind nicht so mobil und flexibel, sie sind nicht so problemlos benutzbar wie Leute ohne solche außerbetrieblichen Pflichten, daher die beklagte „Diskriminierung“. Diese ist eine Folge der Gleichbehandlung. Klar, die Vereinbarkeit von Kind und Karriere ist eine Lüge, Frau oder Mann kann schließlich nicht gleichzeitig Hackeln und ein Kind betreuen. Seltsam an der Darstellung ist bloß der Vorwurf, die Wirtschaft müsste eigentlich versuchen, es Jungfamilien recht zu machen – warum sollte sie? Nur weil diese offenkundige „Lüge“ von der „Vereinbarkeit“ seit mittlerweile einigen Jahrzehnten unermüdlich wiederholt wird? Zusammengefasst:
„Der überwiegende Anteil des Gender-Pay-Gaps sei ‘auf Einkommensverluste zurückzuführen, die sich aus den Karenzzeiten und vor allem aus der überwiegenden Teilzeitarbeit’ von Müttern ergeben. Rechnet man jene Faktoren heraus, die mit Elternschaft zusammenhängen, schrumpft der Lohn-Gap demnach auf rund zwei Prozent zusammen. Agenda-Austria-Ökonomin Monika Köppl-Turyna spricht deshalb von einem ‘Motherhood-Gap’ anstelle eines Gender-Pay-Gaps.“ (STANDARD 8.3.2020) [„Wenn man sich in die Materie vertieft, finden sich nur wenige Beispiele, bei denen zwei in ihrer Ausbildung, Erfahrung und Persönlichkeit gleiche Personen in derselben Branche und im selben Job landen, und einer nur deshalb mehr verdient, weil er ein Mann ist.“ Also: gleiche Branche, gleiche Laufbahn, etwa gleicher Lohn. „Sehr wohl gibt es aber Hinweise dafür, dass gleich gut qualifizierte Frauen einen Job nicht kriegen, weil Unternehmer befürchten, dass sie durch eine Schwangerschaft bald einmal für einige Zeit weg sein könnten. Das ist genau genommen verboten, aber selten nachweisbar.“ (STANDARD 5./6. 3.2016)]
Der Gender-Pay-Gap ist in Wahrheit ein Mütter-Pay-Gap. Aber mal Klartext zu reden, dass nämlich die Mutterschaft das Geldverdienen signifikant behindert, und Mütter daher einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind, spätestens in der Pension oder nach einer Scheidung – das verträgt sich halt nicht mit dem gesellschaftlich erwünschten und propagierten Mutterkult, und wird vermutlich deswegen auch nicht von Feministinnen thematisiert – falls doch, bitte mitteilen. (Die einschlägigen Auskünfte von Simone de Beauvoir sind mir übrigens bekannt.)
„19,3 Prozent weniger bekommt Frau, nur weil sie eine Frau ist!“
Da wird von Öffentlichkeit und Feminismus die „unbezahlte Arbeit“ thematisiert, aber wenn es darum geht, das geringere Durchschnittseinkommen von Frauen zu analysieren, dann will sich alle Welt unbedingt einbilden, das käme aus Ungerechtigkeiten innerhalb der Sphäre der bezahlten Arbeit!
„19,3 Prozent bekommt eine Frau weniger, wenn sie die gleiche Arbeit macht wie ein Mann. Einfach nur deswegen, weil sie eine Frau ist. Das nennt man den Gender Pay Gap.“ (kontrast.at 22.10.2020)
In anderen Darstellungen ist aktuell von 13,6 Prozent die Rede; da gibt es immer unterschiedliche Werte. Die Betonung liegt hier ausdrücklich auf „die gleiche Arbeit wird weniger entlohnt, um so viel Prozent“ – und darüber wird die Rechnung zum Nonsens. Da liegt erstens ein trivialer Interpretationsfehler vor, indem nämlich Durchschnittswerte als individuelle Regelfälle betrachtet werden. Zweitens ist das Szenario ökonomisch unsinnig; das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Wenn es wirklich so wäre, dass eine Frau dieselbe Arbeit erledigt, aber um 16 oder 19 Prozent billiger – dann würden eben in kürzester Zeit die teureren Männer durch billigere Frauen ersetzt, bzw. der Hinweis auf die billigeren Frauen würde zur Lohndrückerei benutzt. Kostensenkung ist im Kapitalismus eine Daueranstrengung, es werden teurere ältere durch billigere jüngere Arbeitskräfte ersetzt, qualifizierte durch unqualifizierte, Stammarbeiter durch Leiharbeiter oder atypisch Beschäftigte, durch Verlagerungen ins billigere Ausland etc. usw. Es wäre ökonomisch bescheuert, Männern aus Jux und Tollerei mehr zu bezahlen, wenn die Arbeitsleistung auch billiger zu haben ist. Die ökonomisch normale Kostensenkungs-Rechnungsweise erklärt nebenbei ein Phänomen, das in dem Zusammenhang auch öfter beklagt wird: Sobald Frauen wirkliche oder sogenannte frühere Männerberufe oder -domänen erobern, schon sinken dort die Löhne. Klar, so geht Ökonomie, sobald mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, sinken die Löhne, weil Männer darüber einen früheren Konkurrenzvorteil verlieren!
Die Forderung nach Lohn für Hausarbeit
Die Forderung ist bekanntlich auch schon älter, ist im vorigen Jahrhundert aufgekommen. In manchen Darstellungen liest sich die Sache mit der „unbezahlten Arbeit“ übrigens etwas schräg, so als würden Frauen für eine Arbeit quasi zwangsverpflichtet, aber ohne ein Entgelt zu bekommen. Das wäre übrigens menschenrechtswidrig; Zwangsarbeit ist hierzulande verboten. Jede Weigerung, ohne Lohn zu arbeiten, die wäre in diesem kapitalistischen System also völlig in Ordnung, völlig systemkonform: Ohne Moos nun einmal nichts los, ohne Geld keine Musi … Ich erlaube mir, die Beschwerde über unbezahlte Arbeit mal weiterzudenken, und dann kommt raus – einfach aufhören! Es bleiben lassen! Schluss machen! Wieso sind die Beschwerdeführerinnen nicht schon längst darauf gekommen?!
Wo ist also der Haken? Nun, es ist ja klar und geläufig, dass sich die sog. „unbezahlte Arbeit“ nicht im Betrieb, sondern innerhalb der Familie abspielt – wobei Frauen heutzutage nicht zur Heirat oder zum Kind gezwungen werden, sich also aus freien Stücken und möglicherweise mit einigen Flausen über Liebe und Mutterglück darauf einlassen. Aber nachdem keine Frau glaubt, durch Schwangerschaft und Mutterschaft und Kind Geld zu verdienen, verpufft der Hinweis auf „unbezahlt“ ziemlich folgenlos bei den Betroffenen – Bezahlung war schließlich ohnehin nicht geplant! (Von Leihmutterschaft wird hier ausdrücklich abgesehen.)
Aber wie dem auch sei, wenn das schon jahrzehntelang bejammert wird, wieso macht nicht endlich eine Juristin Nägel mit Köpfen und legt einen Mustervertrag vor, der eine Liste von Leistungen und die entsprechende Entlohnung fixiert? Da gibt es einiges zu bedenken: Nachdem Kinder als die Nutznießer von viel unbezahlter Arbeit in der Regel nicht zahlungsfähig sind, wer muss blechen? Nach der Rechtslage der Kindesvater, der ist unterhaltspflichtig – und das ist übrigens ohnehin ein funktionales Äquivalent zum Lohn für die Hausarbeit, es besteht ja die Unterhaltspflicht des Elternteils, der Vollzeit arbeiten kann, weil wer anderer Kinderbetreuung und Haushalt übernimmt. Der „Lohn“ oder besser das Entgelt für die Hausarbeit sind in dem Fall also Naturalleistungen in Form von Kost und Logis, was vom Verdiener bezahlt wird. Das ließe sich vermutlich genauer regeln, in Ausarbeitung einer Liste, so dass detailliert die Hausarbeit verrechnet wird, wodurch auch der hausarbeitende Teil Geld bekäme und dann die Miete und die Lebenshaltungskosten aliquot tragen könnte – am Lebensstandard würde sich dadurch nichts ändern. Allerdings besteht auch die große Wahrscheinlichkeit, dass das die Ehe sprengt – aneinander Geld verdienen wollen, heißt eben, gegeneinander Geld verdienen wollen, damit wäre der Streit um Lohn und Leistung auf der Tagesordnung.
Oder der Staat schließt einen Vertrag mit der Mutter über bestimmte Leistungen für das Kind und eine entsprechende Entlohnung. Zumindest mit Blick auf die bekannte Figur der Alleinerzieherin wäre das vermutlich ein Fortschritt – nicht mehr von der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Kindesvaters abzuhängen; und schließlich stellt das Burgenland mittlerweile pflegende Angehörige an, warum nicht auch Mütter?! Ein kleines bürgerliches Dogma steht dem allerdings diametral entgegen: Der moderne Staat besteht in erster Instanz kategorisch darauf, dass die Familie die Keimzelle des Staates ist, was heißt: Kinder sind Privatsache und die Kosten und Mühen sind gefälligst privatisiert – und nur weil die ganz normale Armut die Kinderbetreuung für weite Teile der Bevölkerung im Grunde unerschwinglich macht, gibt es dann als Notnagel die diversen Subventionen für „unsere Familien“.
Familie als Ort der „unbezahlten Arbeit“: Eheleute sind einander von Rechts wegen zum Beistand verpflichtet, weil der Gesetzgeber die Mitglieder der besten aller möglichen Welten als Ansammlung von hilfs-, von unterstützungs- bis pflegebedürftigen Kreaturen unterstellt, die an allen möglichen Problemen laborieren – und da erteilt der Staat einen eindeutigen Auftrag: Sie sollen sich wechselseitig umeinander kümmern, völlig wurscht, wo diese Probleme herkommen, worin sie bestehen, und ob die beiden über geeignete Mittel zur Behebung verfügen. Die Familie ist die staatlich organisierte und orchestrierte Instrumentalisierung der Liebe für die Bewältigung von Aufgaben, mit denen die Beteiligten im Kapitalismus ständig konfrontiert werden. Die Belastungen der Familien unter den Bedingungen von Pandemie bzw. Lockdown sind quasi ein Lehrstück darüber, wie Familie von Staats wegen gemeint ist. Da werden von außerhalb allerlei Schäden verursacht: Das Geldverdienen wird vom Staat teilweise eingeschränkt, weil soziale Kontakte unterbunden werden, die Einkommen werden dadurch teilweise reduziert bei weiterlaufenden Kosten für die Lebenshaltung. Kommen dazu die zusätzlichen Belastungen, wenn die Schulen geschlossen werden und die Kinder nicht wenigstens den halben Tag beaufsichtigt werden – und ausbaden, damit zurechtkommen und die Schäden kompensieren sollen die Familien! Genauso ist es gedacht, und wenn es „Familie“ nicht längst gäbe, hätte sie der Staat wohl erfinden müssen: Beschädigte Individuen sollen sich aneinander wenden und schadlos halten, für lauter Sorgen, für die sie als Verursacher nichts können, und die sie auch nicht wirklich aus der Welt schaffen können. Im System des Staates gehört die Familie zum Sozialstaat, sie ist die Funktionalisierung der Zuneigung für sozialstaatliche Dienste an denen, die noch nicht – Kinder –, oder die nicht mehr – Verbrauchte –, für sich sorgen können, wobei inzwischen anerkannt ist, dass die Pflegefälle von den Familien kaum mehr zu stemmen sind.
Mehr dazu in vergangenen Beiträgen in der Reihe
Die Familie
Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs
Vor allem in der Folge über die „Sache mit der unbezahlten Arbeit“ (Teil 9) und über die Familie als „staatliche Institution der Notlagenbewältigung“ (Teil 7), nach zuhören und nachzulesen auf cba.media. Mein Eindruck: Die Debatte über „unbezahlte Arbeit“ und „Lohn für die Hausarbeit“ ist die Art und Weise, mit der auch Feministinnen dem Thema „Familie“ aus dem Weg gehen.