interview mit judith: rely und ihre mutter dürfen bleiben – oton

13.04.2006

nachdem die fremdenpolizei relys mutter in der vorwoche in schubhaft genommen hatten begannen ihre schulkollegInnen mit solidaritäsaktionen und informierten die öffentlichkeit über diesen menschenrechtlichen skandal.
jetzt hat das innenministerium zumindestens teilweise nachgegeben.

hier ein interview mit 2 aktivistinen nach dem besuch im innenministerium.

siehe auch die aussendung von asyl in not von voriger woche zum thema:

Achtzehnjährige von Abschiebung bedroht.
Asyl in Not unterstützt Solidaritätsaktion ihrer Mitschülerinnen

Die Mutter sitzt schon in Schubhaft; die Tochter ist auf der Psychiatrie.
Appell der Klassengemeinschaft: „Nehmt uns unsere Freundin nicht weg und
erspart ihr noch mehr Leid !“

Die 18jährige Relly und ihre Mutter Maria sind aus Moldawien nach Österreich
geflüchtet. Ihre Gründe haben sie nicht sofort erzählt. Ich kann sie auch
jetzt nur bruchstückweise und mit Vorbehalt rekonstruieren:

Rellys Vater ist Staatsanwalt, er war oft betrunken und in Korruptionssachen
verstrickt; die Familie litt unter ihm. Er neigte, wie es scheint, auch zu
häuslicher Gewalt; aber darüber habe ich noch nicht viel erfahren.

Niemand spricht gern über so etwas; noch dazu unter diesen Umständen. Er
versuchte jedenfalls, seiner Frau einen Einbruch in die Schuhe zu schieben,
und ließ sie von der Polizei verfolgen. Dabei nützte er seine Verbindungen
im korrupten Milieu. Maria hatte als Steuerinspektorin gearbeitet und sich
dabei Feinde gemacht.

In Österreich wurde sie gleich nach ihrer Ankunft (2002) in Schubhaft
genommen und kam erst nach 19 Tagen Hungerstreik frei. Kein
vertrauensbildender Anfang, oder finden Sie schon? Maria hat den Behörden
daher nicht die Wahrheit gesagt. Sie behauptete, aus Tschetschenien zu sein.
Sie hoffte, dann hätte sie bessere Chancen. Ein Fehler, keine Frage. Ein
Fehler – nicht aus Gründen der „Moral“. Sondern weil man ihr jetzt nicht
glaubt.

Im Berufungsverfahren hat sie die Wahrheit gesagt. Zu spät. Für den UBAS ist
sie unglaubwürdig. Wer einmal lügt… Daß es im Berufungsverfahren mit gutem
Grund kein Neuerungsverbot mehr gibt, daß der UBAS ohne Ansehen der Person
den objektiven Sachverhalt zu ermitteln hat, daß Gemütszustände des
Senatsmitglieds dabei unerheblich sind – alles einerlei. Das Senatsmitglied
war beleidigt, weil es angelogen worden war. Also – negativ!

Bald darauf wurde Maria verhaftet. Verfahrenshilfe hat die Caritas
beantragt. Aber bis der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung
zuerkennen wird, kann sie längst abgeschoben sein. Wie wir hören, bereitet
die Caritas eine Schubhaftbeschwerde vor.

Ihre Tochter Relly geht in Wien in die Schule. Sie ist – wie sagt man? – gut
integriert. Was kann sie dafür, daß der UBAS ihre Mutter „unglaubwürdig“
fand? Ihre Mutter sitzt im Gefängnis; Relly steht unter schwerem Schock.
Ihre SchulkameradInnen wenden sich nun mit einer Petition an das
Innenministerium und an die Öffentlichkeit:

„Hiermit bitten wir alle Verantwortlichen, uns unsere Freundin nicht
wegzunehmen. Relly hat in wenigen Monaten Deutsch gelernt und kann sich
sogar besser ausdrücken als viele ihrer österreichischen Mitschüler. Sie hat
in allen Unterrichtsgegenständen den Stoff unter widrigen Umständen
(Flüchtlingsheim) nachgeholt und ist eine ausgezeichnete Schülerin. Sie ist
Klassenbeste in Latein und Französisch. Abgesehen von ihren schulischen
Leistungen und Erfolgen engagiert sie sich auch in vielen anderen Bereichen
und ist sehr kulturgewandt.

„Relly ist uns allen sehr ans Herz gewachsen und eine gute Freundin
geworden. Durch ihre negativen Erfahrungen in ihrem Heimatland leidet sie
unter schweren psychischen Belastungen und ist traumatisiert. Die
Ungewissheit, wie ihr Leben weitergehen wird, tut ihr Übriges. Nachdem ihre
Mutter, während Relly in der Schule war, plötzlich in Schubhaft genommen
wurde, befindet sie sich seit 5. April in psychiatrischer Behandlung.

„Bitte nehmt uns unsere Freundin nicht weg und erspart ihr noch mehr Leid!
Sie zu verlieren, wäre ein schrecklicher und unersetzlicher Verlust für uns
alle!“

Die Klassengemeinschaft des GRG 21 (Ödenburgerstraße 74) verlangt, daß Relly
eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung erhält. Die gesetzliche Möglichkeit
gibt es dazu; es nur eine Frage des guten Willens der Beamtenschaft.

Asyl in Not unterstützt diese Forderung. Überdies werden wir alle
rechtlichen Schritte ergreifen, die uns zweckdienlich erscheinen. Relly hat
uns Vollmacht erteilt. Im Asylverfahren ihrer Mutter hatte sie als
Minderjährige keine eigenen Gründe vorgebracht. Jetzt ist sie über achtzehn
und kann selbst einen Asylantrag stellen; dabei werden wir sie eingehend
beraten.

Aber das Wichtigste ist jetzt, daß Relly und ihre Mutter nicht abgeschoben
werden.

Wir beginnen daher mit einer Aktion „Notruf Asyl“:

Liebe Leserinnen und Leser !

Schicken Sie Protestmails an Frau Prokop, ministerbuero@bmi.gv.at (Kopien
bitte an uns): Fordern Sie, daß Relly und ihre Mutter humanitäre
Aufenthaltsbewilligungen erhalten; fordern Sie, daß Rellys Mutter aus der
Haft entlassen wird.

Schreiben Sie Leserbriefe an Zeitungen; schreiben Sie an die Abgeordneten
Ihres Wahlkreises. Fordern Sie sie auf, die Petition der Klassengemeinschaft
zu unterstützen. Fordern Sie, daß die Menschlichkeit siegt.

Michael Genner
Asyl in Not.

Währingerstraße 59
1090 Wien
Tel.: 408 42 10-15, 0676 – 63 64 371
www.asyl-in-not.org

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Thema:Migration
Sprache: German
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