PIERRE BOURDIEU UND DIE GLOBALISIERUNG IN LAOS

06.05.2004

Mitschnitt des Vortrags von Dr. habil. Boike Rehbein, Universität Freiburg, am 6.5.2004 an der JKU Linz:

Der Prozess der Globalisierung ist noch wenig empirisch erforscht. Dabei kann die gegenwärtige Entwicklung viel über gesellschaftlichen Wandel und die Funktionsweise des Kapitalismus lehren. Der Kapitalismus entwickelt sich allerdings nicht mehr naturwüchsig oder kolonialistisch, sondern unter Bedingungen der Globalisierung. In der Dritten Welt arbeiten Regierungen, internationale Berater, Investoren und internationale Organisationen gemeinsam an der Ausdehnung des Marktes. Dabei orientieren sie sich an einem wissenschaftlichen Modell des Kapitalismus. Wie setzt sich der Kapitalismus in diesem Prozess durch? Welche Auswirkungen hat der Prozess auf lokale Wirtschaftskulturen und Sozialstrukturen? Und wie stellt sich das Verhältnis zwischen Globalisierung, Glokalisierung und Kapitalismus in der Praxis dar: Wird die Welt einheitlicher oder vielfältiger, nehmen Spannungen ab oder zu?

Diese Fragen lassen sich am Beispiel von Laos untersuchen. Das südostasiatische Binnenland bietet sich dafür an, weil die Entwicklung des Kapitalismus hier noch in den Kinderschuhen steckt und sich gleichsam im Zeitraffer beobachten lässt. Derzeit gehört Laos auch aus anderen Gründen zu den wissenschaftlich interessantesten Gebieten der Erde. Erstens ist es noch kaum erforscht. Zweitens zählt es zu den »am wenigsten entwickelten Ländern« der Vereinten Nationen. Drittens gehört es zu einer der ethno-linguistisch vielfältigsten Weltregionen. Viertens ist es einer der wenigen noch sozialistischen Staaten, die den Übergang zur Marktwirtschaft unter der Führung einer Partei versuchen.

Um die Entwicklung in Laos verständlich zu machen, hat sich die Soziologie Pierre Bourdieus als fruchtbar erwiesen. Sie bietet keine globale Theorie der Entwicklung und verliert sich nicht in ethnographischen Details, sondern bewegt sich auf einer mittleren Ebene, die in beide Richtungen anschlussfähig ist. Ferner wurde sie unter Bedingungen entwickelt, die den heutigen in Laos ähnlich sind. Lediglich auf das Problem der Globalisierung selbst ist sie nicht zugeschnitten. Das Verhältnis zwischen Staaten und Organisationen sowie die Weltwirtschaft wurden von Bourdieu nicht erforscht. Am Beispiel von Laos zeigt sich jedoch, dass die Konzeptionen des Feldes, des Kapitals und des Habitus hier ebenso aufschließend wirken wie in der Soziologie Frankreichs. Der Kampf um die besten Plätze auf dem Weltmarkt und in der Weltpolitik hat auch Laos erreicht und führt dort zu einer Ausdifferenzierung sozialer Felder und Positionen. Gleichzeitig bildet sich eine Hierarchie der Felder und der Positionen heraus, die vom internationalen Geschehen nicht mehr unabhängig ist.

links:
http://www.iwp.uni-linz.ac.at/iwp/ki/