Rammellzee 2
Teil2 des Portraits über den unlängst leider verstorbenen HipHop-Visonär Rammellzee:
Geboren 1960 in Far Rockaway/ Queens, machte er seit 1979 die Straßen und das U-Bahn-Netz von New York unsicher, war eine Graffiti-Legende, von dessen Wort- und Zeichenverdrehungen sich viele Sprayer inspirieren ließen. Er war eine Art gutes Gewissen des HipHop, einer, der den Spoken-Word-Poeten wie Gil Scott-Heron oder Saul Williams nahe stand. Ihm ging es um das Wort, um die Macht des Wortes, seine Dekonstruktion und seine Kombinationen. Er war für seine Fantasieklamotten und besonders seine Masken bekannt, für die er sich von traditionellen afrikanischen Mythen genauso beeinflussen ließ wie von der aktuellen Manga-Kultur. Seine Wissenschaft ist die vollständige Mystifikation des Alltags. Er löscht solange Zeichen, Symbole und Zusammenhänge aus, bis daraus ein großes schwarzes Loch entsteht. Die Fantasiegestalt Rammellzee ist authentischer als Rammellzee selbst. Rammellzee hat es nie darauf angelegt, von anderen verstanden zu werden.
Rammellzee inszeniert sich als kosmischer Maschinenmensch, ist eine Junk-Version eines afrikanischen Hohepriesters, der die akustischen Abfallprodukte der modernen Großstadt verarbeitet. Er ist ein schamanistischer Mystiker mit dem Charme eines guten Monsters aus einem Mangafilm. Er hat voller Absicht das zusammengeführt, was zusammengehört: Das englische Wort „character“ bezeichnet nicht nur einen Typen, sondern auch einen Buchstaben und die Type eine Schreibmaschine.
Rammellzee: „Alpha’s Bet“
So praktisch nebenbei zeichnete er 1983 mit seinen damaligen Partnern Jean-Michel Basquiat und K-Rob für den Track „Beat Bop“ verantwortlich. Später werden wir das Update dieses HipHop-Electro-Monsters hören. „Beat Bop“, als aggressive „Prä-Rap“-Nummer verschrien, ist die Vorwegnahme des Gangsta-Styles unter Realo-Streetlive-Bedingungen. Hochgebildet, aber ohne besonderen Schulabschluss, war es Rammellzee, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Gangsta-Klischees mit Intellektualität zu begegnen.
Rammellzee& K-Rob: „Beat Bop (1983)“
Ramellzee and Jean Michel Basquiat @ the Rhythm Lounge 1983
Durch Rammellzee wurde Graffiti zu einer der Säulen der HipHop-Kultur. Im Laufe der Jahre arbeitete er mit Leuten wie dem amerikanischen Bassisten Bill Lasswell, dem New Yorker Rapper ShockDell, dem Münchner HipHop-Produzenten Munk oder der japanischen Death Comet Crew zusammen. Klar hatte er einen Gastauftritt auf dem Festival im Central Park, das 2007 25 Jahre des Films „Wild Style“ feierte. Nach der Veröffentlichung von „Bi-Conicals Of The Rammellzee“ 2004 hatte er in den USA und in Japan einige Auftritte. Aber seit Ende der 80er war es live vergleichsweise ruhig bis sehr ruhig um Rammellzee geworden. Stattdessen beschäftigte er sich damit, seine „Gothic Futurism“ und „Ikonoklast Panzerism“ genannten Theorien über Buchstaben zu vertiefen.
Auf „The Bi-Conicals“, seiner letzten Platte, verdichtet sich Rammellzees Buchstaben-Theorie zu einem Musikwerk, das mit bekanntem HipHop nur noch den Namen gemeinsam hat. In unendlich viele Fragmente zergliedert, zerdreht und dekonstruiert, destilliert Rammellzee daraus jene Kommunikationsviren, die an den Straßenwänden als semantische Sprengfallen in Form von Graffitis detonieren. Er hat die Gutenberg-Galaxis schon längst hinter sich gelassen. Die U-Bahn-Züge New Yorks wurden für ihn zu gigantischen rollenden Buchseiten.
Rammellzee: „New Flesh With Rammellzee (2002)“
„Bi-Conicals Of The Rammellzee“: 2004 auf dem Müncher Label Gomma veröffentlicht, taucht Rammellzee mit den Mitmusikern Munk, ShockDell, K-Rob, Kerry Lach, Celia Bullwinkel, Naughty& Chaos und der Death Comet Crew ganz tief in seinen „Gothic Futurism“ ein und macht lärmgeschwängerten, existentialistischen HipHop. Wer an Bands wie Food For Animals, Dälek oder Kool Keith denkt: Hier spricht der Meister selbst. Wie könnte es anders sein, nennt sich die erste Nummer „Do we have to show a resume?“, in der Rammellzee kritisch feststellen muss: „The intellectual society/ we are not settle. I gave many a lecture. But I still walk a track alone†¦“
Rammellzee: „Do We Have To Show A Resume“
„Beat Bop“ als „Beat Bop pt. 2″
„Cheesy Lipstick“
„Jamin Zabar Jamin Zabar“
„Pay The Rent“
„Quack“
„Sigma 1″
„Traxxxstoppers“
„Pogo“
„Funky Dream pt. 3″
„When Hell Freezes Over“
HEINRICH DEISL
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